
Auf einen Blick: Soziale Ungleichheit in Deutschland
Steigt in einer Gesellschaft die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, drohen soziale Spannungen und Spaltung. Wie ungleich ist Deutschland? Unser Forschungsüberblick fasst das Wichtigste zum Thema zusammen.
[Aktualisiert am 10.03.2021]
Die Einkommen sind heute ungleicher verteilt als vor zwei bis drei Jahrzehnten, die Vermögen stärker konzentriert als in fast allen anderen Euro-Ländern. Die soziale Mobilität ist nach Studien der Hans-Böckler-Stiftung und anderer Forscher relativ gering: Reiche bleiben meist reich, Arme arm, der soziale Status der Kinder hängt stark vom Elternhaus ab. Zuletzt ist die Ungleichheit auch trotz guter Konjunktur kaum zurückgegangen.
Direkt Anfang März 2020 fand sich eine Gruppe von prominenten Wirtschaftswissenschaftler:innen, die klar machte, dass "wenn erforderlich, zur Behebung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise von der Schwarzen Null im Staatshaushalt abgewichen werden muss, und die Spielräume zu nutzen sind, die die Schuldenbremse bietet". Wesentliche Schwierigkeiten ergäben sich dadurch, dass die Corona-Pandemie sowohl einen Angebotsschock als auch einen Nachfrageschock auslösen würde.
Als besonders zielführend und wirksam stufen die Ökonomen die bereits vom Koalitionsausschuss beschlossenen Maßnahmen zur Erleichterung beim Zugang zu Kurzarbeitergeld sowie damit verbundene Erstattungen der Sozialbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit ein.
Zu den Autoren gehören der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger, der Wissenschaftliche Direktor des IMK Sebastian Dullien, der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft Gabriel Felbermayr, ifo-Präsident Clemens Fuest, IW-Direktor Michael Hüther, der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Jens Südekum, und die Präsidentin des Center for European Policy Research (CEPR) Beatrice Weder di Mauro.
Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise setzte der Staat unterschiedliche Instrumente zur Stützung des privaten Konsums ein. Anfang Februar verglichen Wissenschaftler des IMK den ausgezahlten Kinderbonus mit der gewährten temporären Mehrwertsteuersenkung. Fazit: Der Kinderbonus hat sich in der Corona-Pandemie als deutlich effektiv erwiesen als die temporäre Mehrwertsteuersenkung. Der Effekt pro eingesetztem Euro aus öffentlichen Mitteln könnte rund doppelt so groß sein. Parallel dazu fallen die Verteilungseffekte des Kinderbonus nach der neuen IMK-Studie deutlich günstiger aus als die der Steuersenkung: Die Einmalzahlung erreichte zielgerichtet Haushalte mit Kindern und niedrigen bis mittleren Einkommen, die im Zuge der Pandemie besonders häufig mit zusätzlichen Ausgaben konfrontiert waren.
Doch gegen diese Entwicklungen lässt sich etwas tun: Das IMK hat eine Strategie gegen Ungleichheit entwickelt. Außerdem zeigt die international vergleichende Forschung, dass beispielsweise mehr Beteiligungsrechte für Beschäftigte in ihrem Unternehmen Ungleichheit begrenzen helfen.
Vor allem Armut hat in sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verfestigt, aber auch Reichtum wird immer dauerhafter. Besonders ausgeprägt sind diese Prozesse in Ostdeutschland. Die Verfestigung von Armut und Reichtum hat gravierende gesellschaftspolitische Folgen. Mehr dazu in unserem WSI-Verteilungsbericht 2018.
Vermögen verleiht Haushalten unter anderem die Autonomie, zur Not ohne laufende Einkommen ihren Konsum bestreiten zu können. Die Möglichkeiten dazu sind höchst unterschiedlich verteilt: Während rund ein Drittel der Haushalte in Deutschland maximal Rücklagen für einige Wochen oder wenige Monate hat, könnten Haushalte am oberen Ende der Skala mindestens zwei Jahrzehnte durchhalten. Das zeigt der WSI-Verteilungsbericht 2017.
Wie hat sich die Ungleichheit bei den Einkommen entwickelt, wie sieht es bei den Vermögen aus? Bremst oder stärkt Ungleichheit die wirtschaftliche Entwicklung? Kurze Antworten auf zentrale Fragen im WSI-Verteilungsmonitor.
Was hilft gegen Ungleichheit? Im Interview erklärt der Wissenschaftler Felix Hörisch, warum es gerechter zugeht, wenn Arbeitnehmer im Unternehmen mitbestimmen.
Weitere Studien und Befunde
- Niedrige Rentenansprüche können zu Altersarmut führen. Eine aktuelle Studie zeigt, welche Personengruppen besonders betroffen sind.
- Die Ungleichheit der Erwerbseinkommen in Deutschland ist zwischen 1995 und 2010 insgesamt spürbar angestiegen. Welche Faktoren bei dieser Entwicklung wichtig sind, erklärt IMK-Forscherin Dr. Ulrike Stein.
- Rund 40 Prozent der Haushalte in deutschen Großstädten tragen eine prekär hohe Mietkostenbelastung. Damit verschärfen die Wohnkosten die wirtschaftliche Ungleichheit.
- In den kommenden Jahren wird in Deutschland gut ein Viertel mehr vererbt und verschenkt als bisher angenommen – insgesamt dürfte das Erbvolumen rund 400 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Vor allem in wohlhabenden Haushalten wird deutlich mehr Vermögen als bislang geschätzt an die nächste Generation übertragen.
- Was Armut bedeutet: Wer hierzulande unter der Armutsgrenze lebt, muss im Alltag oft mit gravierenden Entbehrungen kämpfen.
Europäische und weltweite Trends
- Daten und Analysen zur Ungleichheit in Europa liefert ein digitales Dossier, das Hans-Böckler-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung und Social Europe erarbeitet haben.
- US-Ökonom Branko Milanovic, Gast bei der FMM-Konferenz des IMK im November 2017, zur weltweiten Entwicklung von Ungleichheit.
- Analysen zur weltweiten Einkommensentwicklung aus einem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt an der Universität Kassel.