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Jahresbericht 2022 Böckler Botschafter Stipendien

Böckler-Botschafter*innen: Achtung, Übernahme!

Der Instagram-Account @boeckler_stips steht ganz im Zeichen der Stipendiat*innen der Hans-Böckler-Stiftung. Sie bespielen den Kanal und erzählen ihre Geschichte. Sie zeigen, wie vielseitig und bereichernd ein Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung sein kann. Schaut doch mal rein.

Aris Hakat

35 Jahre, promoviert auf dem Gebiet der Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Mit einem Team von Co-Stipendiat*innen vor und hinter der Kamera berichtete er auf dem Instagram-Kanal der Böckler-Botschafter*innen live vom DGB-Bundeskongress vom 8. bis 12. Mai 2022 in Berlin.

  • Jahresbericht 2022 Böckler Botschafter _Aris_Harkat

"Die meisten Stipendiat*innen kommen frisch von der Schule, das war bei mir anders: Ich habe bei der Deutschen Post AG gearbeitet und Seite an Seite mit meinen Kolleg*innen 2015 für bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen gekämpft. Meine Hochschulreife habe ich auf dem zweiten Bildungsweg erworben. Ich bin Herzblutgewerkschafter durch und durch – auch jetzt arbeite ich neben meiner Promotion noch in Teilzeit als politischer Sekretär beim DGB Berlin-Brandenburg. Mit der Berichterstattung vom DGB-Bundeskongress, mit den Interviews, die wir geführt haben, wollten wir – Lea Herzig, Jim Frindert, Dennis Dittmann und ich – unseren Mitstipendiat*innen ein besseres Gefühl dafür vermitteln, wie Gewerkschaften eigentlich so ticken. Ein echter Gänsehautmoment war, als die Delegierten beschlossen, den Kampf um einen bundesweiten Tarifvertrag für studentische Beschäftigte an den Hochschulen (TVStud) zu unterstützen. Die Solidarität war überwältigend! Und das ist ja ein Thema, das viele Stipendiat*innen auch ganz persönlich betrifft. Später habe ich dann auch noch von der LABOR.A® berichtet, der Ideenplattform der Hans-Böckler-Stiftung für die Arbeit der Zukunft. Mir ist einfach wichtig, dass die Gewerkschaftsidee in die Gesellschaft hineingetragen wird. Denn gerade in Krisenzeiten braucht es starke Gewerkschaften."

Glorya Gay

27 Jahre, hat im vergangenen Jahr ihr Studium in Politics & Technology an der TU München abgeschlossen. Vom 28. August bis 4. September 2022 nahm sie an der gemeinsamen Sommerakademie der Begabtenförderungswerke teil, die unter Federführung der Hans-Böckler-Stiftung in Heidelberg stattfand.

  • Jahresbericht 2022 Böckler Botschafter_Glory_Gay

„Eine Woche lang mit Leuten zusammen zu sein, die sich politisch oder religiös ganz anders positionieren, das war sehr bereichernd. 230 Stipendiat*innen der verschiedensten Stiftungen und Förderwerke waren wir bei der Sommerakademie, und wir haben nicht nur bei den Vorträgen und Seminaren diskutiert, sondern auch noch beim Essen und bis spät in den Abend hinein. Das wurde zwar manchmal hitzig, es war aber immer wertschätzend. Es gab Raum und Zeit, nachzufragen, zu hinterfragen. Für mich war es eine lehrreiche Erfahrung. Mir hat das noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig es ist, andere Meinungen auszuhalten und in den Dialog zu gehen. Erst einmal zuzuhören und zu verstehen, was mit einem Argument gemeint ist, bevor ich widerspreche. Nur eines muss dabei für mich immer klar sein: ‚Demokratie gestalten!‘ bedeutet auch, sich eindeutig gegen Rassismus, gegen Antisemitismus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit zu positionieren.“

Quang Nhut Truong

26 Jahre alt, studiert Psychologie an der Universität Marburg. Von August 2021 bis Januar 2022 absolvierte er ein Auslandssemester an der University of Missouri in Columbia (USA).

  • Jahresbericht 2022 Böckler Botschafter Quang Nhut Truong

„Es ist mein Wunsch, nach meinem Studium in einem internationalen Kontext zu arbeiten, deshalb wollte ich zur Verbesserung meiner Englischkenntnisse unbedingt für eine Weile ins Ausland gehen. Für die University of Missouri in Columbia habe ich mich entschieden, weil es da bei der Kursauswahl keine Einschränkungen gibt. So konnte ich nicht nur Kurse in Psychologie belegen, sondern auch in kultureller Anthropologie und Philosophie. Und ich hatte sogar einen Theaterkurs, in dem ich viel über Stimmeinsatz und Körpersprache gelernt habe. Ich wollte meine Perspektiven erweitern – bei dem strikten Studienplan, den wir in Deutschland haben, ist das kaum möglich. Was für mich dabei auch neu war: wie viel Wert unter Studierenden in den USA auf soziales Engagement gelegt wird. Unglaublich: Es gibt mehr als 600 studentische Initiativen gibt es an der Universität in Columbia. Zuerst hat mich das völlig überfordert. Doch dann habe ich mich unter anderem einer Initiative für mehr Nachhaltigkeit auf dem Campus angeschlossen. Ich wurde mit offenen Armen aufgenommen und habe tolle Leute kennengelernt, mit denen ich auch jetzt noch regelmäßigen Kontakt habe. Ich bin der Hans-Böckler-Stiftung wirklich sehr dankbar, dass sie mir diese Erfahrungen ermöglicht hat.

Lutz Drieling

26 Jahre, absolviert sein Masterstudium in International Public Affairs an der Universität in Bukarest. Nachdem am 24. Februar 2022 der russische Überfall auf die Ukraine begonnen hatte, baute er zusammen mit Kommiliton*innen ein Internetportal mit Informationen für Geflüchtete auf.

  • Jahresbericht 2022 Böckler Botschafter Lutz Drieling

„Der Morgen des Kriegsbeginns fühlte sich völlig irreal an. Ich habe erstmal gegoogelt, wie weit das eigentlich weg ist: gar nicht weit nämlich. Bis zur ukrainischen Grenze sind es von Bukarest nur ein paar Hundert Kilometer. Es war sofort klar, dass Rumänien eine wichtige Fluchtroute werden würde – rund die Hälfte der Grenze, über die geflüchtet werden konnte, liegt zwischen der Ukraine und Rumänien. Meine Kommiliton*innen und ich haben überlegt, wie wir helfen können, und haben uns gesagt: Was wir können, ist Politik. Wir können Gesetzestexte lesen, wir können Informationen sichten und zur Verfügung stellen. Und das haben wir dann getan. Nach nur drei oder vier Wochen ist die erste Version unseres Webportals online gegangen, eine Datenbank, die in mittlerweile acht Sprachen einen einfachen Zugang zu verschiedenen Informationsquellen eröffnet. Geflüchtete erfahren, wie sie arbeiten oder studieren können, welche Fördermöglichkeiten es gibt, wo sie Unterstützung bekommen. Die Seite wird bis heute viel genutzt.“

Mary Gay

27 Jahre alt, studiert Ethik mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit in Bochum und Graz. Seit Oktober 2022 ist sie für zwei Semester in Israel und nimmt an dem internationalen Studienprogramm „Leaders at Work“ teil, das die Hans-Böckler-Stiftung zusammen mit dem Macro Center for Political Economics und dem The Academic College of Tel Aviv-Yaffo organisiert.

  • Jahresbericht 2022 Böckler Botschafter Mary Gay

„Meine ursprünglichen Pläne für einen Auslandsaufenthalt waren wegen der Corona-Pandemie geplatzt, da erfuhr ich kurz vor Bewerbungsschluss von dem Programm ‚Leaders at Work‘. Ich habe nicht lange überlegt und mich ganz schnell einfach noch beworben. Das habe ich nicht bereut. Wir sind jeweils sechs Teilnehmende aus Deutschland und Israel und wir machen eigentlich alles zusammen. Wir besuchen nicht nur dieselben Kurse zu politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Fragen, wir diskutieren auch abends noch miteinander, manchmal hitzig und nicht selten bis in die Nacht. Und mit einer der israelischen Studierenden teile ich mir das Apartment im Wohnheim. Das ist natürlich alles nicht ganz unanstrengend, aber zugleich total bereichernd: die politischen Diskussionen, gerade angesichts der neuen, extrem rechten israelischen Regierung, aber auch der kulturelle Austausch und die persönlichen Gespräche miteinander. Ich habe echt tolle Menschen kennengelernt, die ich ohne dieses Programm wahrscheinlich nie getroffen hätte. Ich freue mich auf das zweite Semester.“

Viola Constanza

27 Jahre, studiert Textilrestaurierung und -konservierung an der Technischen Hochschule in Köln. Vom 13. Juli bis 3. August 2022 nahm sie zum ersten Mal an einer archäologischen Ausgrabung teil: In der Mongolei half sie bei der Bergung von Fundstücken aus vermutlich rund 1500 Jahre alten Gräbern.

  • Jahresbericht 2022 Böckler Botschafter Viola Constanza

„Mein archäologisches Abenteuer begann mit einer zweieinhalbtä gigen Autofahrt von der mongolischen Hauptstadt Ulan-Bator über unbefestigte Straßen in den Norden des Landes – Übernachtungen in Dörfern ohne Wasser und Strom sowie Pannen inklusive. Auch bei der Ausgrabung, bei der unter anderem meine Professorin und ich als Textilexpert*innen helfen sollten, gab es keinen Strom. Die Funde konservierten wir in dieser kalten Gegend in einer nicht beheizten Jurte. Geöffnet wurden Gräber, die bereits von Grabräubern geplündert worden waren. Ungeöffnete Gräber hätte ich nicht mit ausgegraben: Über dem Wissensgewinn steht für mich immer der Respekt vor dem Menschen, der dort bestattet wurde. Gefunden haben wir das Stück eines mit Metallornamenten verzierten Ledersattels. Sehr brüchig, aber gut erkennbar. In stundenlanger Feinarbeit haben wir es freigelegt und gesichert. Das war eine wertvolle Erfahrung und ich habe sehr viel gelernt. Trotzdem stelle ich mir immer wieder die Frage, ob es eigentlich vertretbar ist, mit so viel Aufwand totem Material zu helfen – wo es doch so viele lebende Wesen gibt, die Hilfe brauchen.“

(Die Gespräche führte Joachim Tornau.)

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