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Ungleichheit in allen Branchen Böckler Impuls

Gleichstellung: Ungleichheit in allen Branchen

Ausgabe 02/2023

Frauen sind am Arbeitsmarkt in vielerlei Hinsicht benachteiligt. In Sachen Lohn und Vollzeit haben sie in sämtlichen Branchen das Nachsehen gegenüber den Männern.

Bei der Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsleben gibt es zum Teil noch erhebliche Mängel. Das geht aus einem aktuellen Überblick hervor, für den WSI-Forscherin Yvonne Lott gemeinsam mit einem Team des Instituts für sozialwissenschaftlichen Transfer in Berlin Daten des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit für ausgewählte Branchen ausgewertet hat. Die Ergebnisse zeigen, dass Geschlechterungleichheit – insbesondere mit Blick auf Arbeitszeit und Einkommen – über fast alle Branchen hinweg besteht.

Die Frauen-Erwerbsquote ist zwar in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen. Viele Bereiche in der Wirtschaft sind aber nach wie vor Männerdomänen – vor allem in der Industrie. Dort beträgt der Frauenanteil in der Hälfte der für die Studie untersuchten Branchen weniger als 30 Prozent. Ganz hinten liegen der Hoch- und Tiefbau sowie Bauinstallation und Ausbaugewerbe mit jeweils 17 Prozent, auf dem ersten Platz landet die Textilindustrie mit 56 Prozent. In den Dienstleistungen ist der Anteil der Arbeitnehmerinnen generell höher. Drei Branchen sind sogar klar frauendominiert: Im Gesundheitswesen sind 80 Prozent der Beschäftigten weiblich, im Sozialwesen 76 Prozent, in Erziehung und Unterricht 72 Prozent. Am geringsten ist die Quote im Personen- und Güterverkehr mit 21 Prozent und in Kfz-Handel und Reparatur mit 22 Prozent.

Bei der Arbeitszeit ergibt sich über alle Branchen hinweg ein identisches Muster: Männer arbeiten deutlich häufiger in Vollzeit. Der entsprechende Anteil reicht bei ihnen von 53 Prozent in der Gastronomie bis zu 87 Prozent unter anderem in der Energieversorgung und der Metallerzeugung. Bei den Frauen reicht das Spektrum von 21 Prozent im Bereich Gebäudebetreuung, Garten- und Landschaftsbau bis zu 67 Prozent in der Automobilindustrie. Die Differenz zwischen den Vollzeit-Quoten von Männern und Frauen schwankt zwischen 15 und 46 Prozentpunkten.

Auch der Vergleich der Bruttostundenlöhne fällt wirtschaftsweit zuungunsten der Frauen aus. Der Gender Pay Gap liegt zwischen 2 Prozent in der Wasserversorgung und Abfallentsorgung und 30 Prozent in Kunst, Unterhaltung und Erholung. Ein wenig besser sieht es aus, wenn man nur die Vollzeitbeschäftigten betrachtet. In dieser Gruppe schneiden die Frauen in zwei Branchen – dem Personen- und Güterverkehr sowie den Postdiensten – beim Stundenlohn sogar geringfügig besser ab als die Männer.

Minijobs sind überwiegend Frauensache: In 26 von 35 Branchen sind Frauen häufiger ausschließlich geringfügig beschäftigt als Männer, nur in zwei Branchen ist es umgekehrt, in den übrigen Bereichen fällt die Differenz nicht ins Gewicht. Besonders groß ist sie im Bereich Bauinstallation und Ausbaugewerbe, wo 23 Prozent der Frauen und 7 Prozent der Männer betroffen sind, sowie in der Land- und Forstwirtschaft, wo es 39 gegenüber 23 Prozent sind.

Chefs gibt es dagegen nach wie vor häufiger als Chefinnen. In 26 von 34 Branchen arbeiten Frauen seltener in leitender Stellung als Männer. Besonders ausgeprägt ist die Ungleichheit in dieser Hinsicht im Bereich Erziehung und Unterricht, wo 50 Prozent der Männer, aber nur 28 Prozent der Frauen eine Leitungsposition haben. In sieben Branchen gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Der einzige Bereich, in dem Frauen die Nase vorn haben, ist der Personen- und Güterverkehr.

Die Forschenden stellen fest, dass noch viel zu tun ist, um die Geschlechtergleichheit durchzusetzen. Dazu beitragen könnte ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, das Unternehmen verpflichtet, Gleichstellungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Darüber hinaus empfehlenswert wären ein angemessener Mindestlohn – von dem Frauen besonders profitieren – sowie eine Stärkung der Mitbestimmung.

Svenja Pfahl, Eugen Unrau, Yvonne Lott, Maike Wittmann: Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland in ausgewählten Branchen, WSI-Report Nr. 80, Januar 2023

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