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Sechs Dinge, die in mitbestimmten Unternehmen besser sind Magazin Mitbestimmung

Forschung: Sechs Dinge, die in mitbestimmten Unternehmen besser sind

Ausgabe 03/2021

Der Mitbestimmungsindex, MB-ix,des Wissenschaftszentrums Berlin misst, wie gut Beschäftigte im Unternehmen vertreten werden. Er zeigt auch, was mitbestimmte Unternehmen besser können. Von Fabienne Melzer

Die Frage, wie gut Mitbestimmung in einem Unternehmen funktioniert, lässt sich nicht auf Anhieb beantworten. Daher hat das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB), gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, den Mitbestimmungsindex entwickelt. Er misst auf einer Skala von 0 bis 100, wie stark Mitbestimmung im Unternehmen verankert ist. Die Wertung setzt sich aus sechs Komponenten zusammen. Die Anzahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, das Mandat des stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, die Besetzung der Aufsichtsratsausschüsse mit Arbeitnehmervertretern und die Existenz von Euro- und SE-Betriebsräten fließen direkt und mit jeweils 20 Prozent ein. Mit jeweils zehn Prozent fallen die Einflussmöglichkeiten des Aufsichtsrats und die Existenz eines eigenen Personalvorstands ins Gewicht. Der Index ermöglicht es, Arbeitnehmerbeteiligung unabhängig von der Betriebsgröße statistisch zu erfassen, und er zeigt, dass mitbestimmte Unternehmen bei vielen Themen häufig besser abschneiden.

  1. Gut für Jung und alt: Mitbestimmte Unternehmen verfügen häufiger über ein eigenes Personalressort im Vorstand und bilden mehr aus. Ihre Ausbildungsquote liegt ein Viertel über der Quote nicht mitbestimmter Unternehmen. Stark mitbestimmte Unternehmen beschäftigen mehr ältere Menschen als Betriebe ohne Mitbestimmung. Das spricht, laut Studie, für eine längere Beschäftigungsdauer und damit für mehr Arbeitsplatzsicherheit. Da mitbestimmte Unternehmen gleichzeitig über höhere Ausbildungsquoten verfügen, besteht nicht die Gefahr, dass die Belegschaft überaltert.
  2. Mitbestimmt ist ehrlicher: Mitbestimmte Unternehmen tricksen weniger, um Steuern zu vermeiden, und zahlen im Schnitt vier Prozentpunkte mehr Steuern auf den erwirtschafteten Umsatz. Sie reizen ihre Bilanzierungsspielräume seltener aus, um ihre wirtschaftliche Lage besser darzustellen, als sie in Wirklichkeit ist. Steuer- und Bilanzehrlichkeit zahlen sich in langfristiger Stabilität aus. Denn Unternehmen mit einer aggressiven Finanzberichterstattung schneiden nur kurzfristig besser ab.
  3. Langfristig angelegt: Mitbestimmte Unternehmen investieren nicht nur mehr, sie investieren auch stärker in die Zukunft. Die Forscher des WZB haben die Geschäftsberichte der 190 größten börsennotierten Unternehmen analysiert und stellten fest: Wer beim Mitbestimmungsindex den Wert 100 erreichte, investierte in Sachanlagen mit einer Nutzungsdauer von mindestens einem Jahr einen Betrag in Höhe von 3,6 Prozent des Gesamtvermögens. Lag der Index bei null, investierten sie dagegen nur 2,6 Prozent dieser Art.
  4. Nachhaltiger ausgerichtet: Ob bei der Berichterstattung, bei täglichen Entscheidungen oder der Managervergütung: Unternehmen mit einem Mitbestimmungsindex von 100 haben bei der Nachhaltigkeit die Nase vorn. 82 Prozent integrieren das Thema in ihre täglichen Entscheidungen – im Gegensatz zu 50 Prozent der Unternehmen mit einem Index von null. 47 Prozent veröffentlichen einen Nachhaltigkeitsbericht, und 16 Prozent koppeln die Managervergütung zumindest teilweise an Nachhaltigkeitsziele. Bei nicht mitbestimmten Unternehmen tut dies ein Prozent.
  5. Fortschritt oft mitbestimmt: Fortschritt und Mitbestimmung gehen ebenfalls oft Hand in Hand. Es gibt rund1000 globale Innovationsführer, die weltweit am meisten für Forschung und Entwicklung ausgeben. Bei 40 deutschen Unternehmen dieser Liste sitzen Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten im Aufsichtsrat, in 36 stellen sie die Hälfte der Mandatsträger, in 4 ein Drittel.
  6. Mehr Frauen dank Arbeitnehmerbank: Mitbestimmung macht die Aufsichtsräte weiblicher. Während auf der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat der Anteil der Frauen 31 Prozent betrug, hatten die Arbeitgeber mit einem Anteil von 23 Prozent die 30-Prozent-Quote 2017 nicht erfüllt.

Schwerpunkt: Mitbestimmung der Zukunft

Ob auf dem Bau, bei der Polizei, an Hochschulen oder im Stahlwerk – die Veränderungen der Arbeitswelt fordern Betriebs- und Personalräte heraus. Sechs von ihnen erzählen, was sie für die Zukunft brauchen.

"Parität im Aufsichtsrat ist ein Vorteil"
"Wir haben mehrere Verbesserungen erreicht"
"Solidarität kommt zu kurz"

"Mitsprache bei der Personalplanung wäre toll"
"Das System muss geheilt werden"
"Die Konflikte werden mehr"

Die Hans-Böckler-Stiftung startet im Wahljahr eine Informationskampagne: Mitbestimmung sichert Zukunft

Der Mitbestimmungsindex zeigt: Sechs Dinge, die in mitbestimmten Unternehmen besser sind

Generationswechsel bei Betriebs- und Aufsichtsräten: Jünger und bunter

Europäische Betriebsräte: Informationsrechte auch durchsetzen

Aufsichtsratsexperte Sebastian Sick erklärt, wie es vielen Unternehmen gelingt, geltende Gesetze zur Mitbestimmung zu umgehen: "Wir bekommen einen Schweizer Käse"

 

 

Die ausführlichen Studien zu den sechs Themen und weitere Informationen gibt es beim Mitbestimmungsindex.

Zugehörige Themen

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