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Magazin Mitbestimmung

: Wardas Ziel

Ausgabe 06/2010

Die ICEM will sich bis 2012 mit dem Internationalen Metallarbeiterbund und dem Welt-Textilarbeiterbund vereinigen. Von Stefan Scheytt

Stefan Scheytt ist Journalist in Rottenburg bei Tübingen/Foto: ICEM

Die Vorstellung, die Manfred Warda über seinen Abschied von der internationalen Gewerkschaftsbühne hat, ist ziemlich ungewöhnlich: 2012, Warda wird dann 65 Jahre alt sein, will die bereits angestoßene Vereinigung seines Verbands mit zwei Schwesterorganisationen vollzogen haben und anschließend in Ruhestand gehen. Der Zusammenschluss seiner ICEM, der internationalen Föderation von 467 Chemie-, Energie- und Bergarbeitergewerkschaften, mit dem internationalen Metallarbeiterbund und dem Welt-Textilarbeiterbund wäre sozusagen Wardas letzter Dienst als Generalsekretär der ICEM. "Ich glaube, dass wir uns als neue, gemeinsame Organisation in der Auseinandersetzung mit multinationalen Konzernen und der Welthandelspolitik besser behaupten können", hofft der Bergmannssohn aus Bochum. "Dazu möchte ich noch meinen Beitrag leisten."

Zwar ist der finanzielle Druck zum Zusammenschluss bei der ICEM nicht so stark wie beim Textilarbeiterbund. Aber den Strukturwandel spürt auch Wardas ICEM deutlich: Als Erster war der Kohlebergbau betroffen, dann die Glas- und Porzellanindustrie, seit einigen Jahren auch die Reifen-, Gummi-, Aluminium- und Papierbranche. "Leider trifft der Strukturwandel immer jene Bereiche, in denen wir sehr gute Organisationsgrade haben", sagt Warda, dessen ICEM selbst ein Kind des Strukturwandels ist: Der Verband entstand 1995 aus der Fusion der Chemie-, Energie- und Fabrikarbeitergewerkschaften ICEF und des Internationalen Bergarbeiterverbunds IBV; und damals wie heute ist die Bündelung von Ressourcen ein Haupttreiber des Zusammengehens. "Wir haben allerdings das Glück", meint der Generalsekretär, "dass sich in Schwellenländern wie Südafrika oder Brasilien relativ starke und finanziell gesunde Gewerkschaften entwickelten, die die rückläufigen Mitgliederzahlen und -beiträge aus Westeuropa und Nordamerika zumindest teilweise ausgleichen."

Das ICEM-Budget sei über die Jahre relativ stabil geblieben. Aber immer noch stammen mehr als 80 Prozent der Mitgliedsbeiträge aus den "alten" Industrieländern im Norden, in denen die Mitgliederzahlen zurückgehen. Damit finanziert der in Genf sitzende, 17 Mitarbeiter starke Verband seine im Wortsinn weltumspannende Arbeit in 132 Ländern: 20 "Consultants" in allen Regionen unterstützen die Kampagnen ihrer Kollegen vor Ort in Diamantminen, Papiermühlen, in Bioscience-Firmen oder der Zementindustrie. Zu den Erfolgsgeschichten des ICEM zählt Warda den Beitrag des Verbands zum Aufbau demokratischer Gewerkschaften in Südafrika, aus dem auch der amtierende ICEM-Präsident Senzeni Zokwana stammt. "Über die Jahrzehnte sind dort Gewerkschaften entstanden, die zu den stärksten weltweit gehören", findet Warda.

Das ganze Gewicht ihrer 20 Millionen Gewerkschaftsmitglieder wirft die ICEM derzeit auch zur Unterstützung von Bergmännern in Mittelamerika in die Waagschale, gemeinsam mit dem IMB, der weitere 25 Millionen Arbeiter hinter sich weiß. Die von korrupten Politikern protegierte Grupo Mexiko ist seit Jahren berüchtigt dafür, Umweltauflagen ebenso kalt zu missachten wie die Sicherheitsansprüche ihrer Arbeiter. So liegen nach einem Grubenunglück vor einigen Jahren die Leichen von 65 Kumpel bis heute unter Tage; ihre Bergung wird wohl deshalb verweigert, weil sonst Sicherheitsmängel aufgedeckt würden. Das Unternehmen setzt Gewerkschafter massiv unter Druck, es wird sogar in Verbindung gebracht mit dem gewaltsamen Tod von zwei Arbeitern. Dagegen setzen ICEM und IMB eine große Solidaritätskampagne, zu der auch eine Demonstration in Mexiko mit 6000 Teilnehmern gehörte, darunter Gewerkschafter aus vielen Ländern.

Seither habe sich noch nichts Entscheidendes bewegt, räumt Warda ein, weshalb ICEM und IMB nun den norwegischen Pensionsfonds aufforderten, sein Investment bei Grupo Mexiko zu beenden. Das hat der Fonds schon einmal bei einer anderen Firma getan und er hat bereits weiteres Dokumentationsmaterial von der ICEM über den Fall angefordert. Bis zu einer Entscheidung kann allerdings noch einige Zeit vergehen. "Das ist nun mal so bei so großen Kampagnen, dass man oft sehr dicke Bretter bohren muss", sagt Manfred Warda, "aber genau das ist unsere Aufgabe."

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