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Gruppenfoto des Betriebsrats der DB-Fahrzeuginstandhaltung in Bremen auf einer historischen E-Lok. Magazin Mitbestimmung

Betriebsrätepreis: Wieder runter vom Abstellgleis

Ausgabe 06/2025

Das Bremer Werk der DB-Fahrzeuginstandhaltung blickt auf eine mehr als 100-jährige Geschichte zurück. Zuletzt stand seine Zukunft auf dem Spiel. Doch der Betriebsrat kämpfte erfolgreich um neue Perspektiven – und will die Zukunft auf Wasserstoff lenken. Von Jeannette Goddar

In einem Punkt ist sich Betriebsrat Kay Ellmers sicher: „Ohne unsere starke Truppe gäbe es das Werk längst nicht mehr.“ Seit 1987 arbeitet Ellmers im Instandhaltungswerk der DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH (DB FZI), einem Unternehmen der Deutschen Bahn. Zusammen mit dem heutigen Betriebsratsvorsitzenden des Bremer Werks, Ronald Ditte, begann er damals dort seine Ausbildung, Engagement in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) inklusive. Sie haben einiges erlebt in dieser Zeit – und hart um den Standort gekämpft: „Von elf Werkdirektoren, die ich erlebt habe, hätten mindestens drei den Laden dichtgemacht, wenn wir uns nicht quergelegt hätten,“ sagt Ellmers rückblickend.

Seit ihrer Gründung 1914 haben sich die Bremer Eisenbahn-Werkstätten schon oft als Meisterin der Flexibilität bewiesen. „Wir haben hier schon Straßenbahnen, Schiffs- und Panzermotore und LKW repariert und sogar Reifen vulkanisiert“, erzählt Ellmers. „Die größten Probleme kamen mit der Privatisierung, als die Bahn in zig Gesellschaften zerschlagen wurde“, sagt Ditte. „Allerorten kämpfen seitdem immer wieder Werke gegen Stellenabbau und Verlagerung.“ Auch in Bremen schrumpfte die Belegschaft: von über 1500 Beschäftigten zu Wendezeiten auf weniger als 400.

Die Wende brachte ausgerechnet ein Satz des Geschäftsführers der DB FZI auf der Neujahrsfeier 2017. „Er sagte mir auf den Kopf zu: ‚Wenn ich auch nur einen Euro für die alte Lok-Halle bekomme, verkaufe ich‘“, erinnert sich Ditte. „In dem Moment wurde mit klar: Wir können nicht warten, dass andere unsere Zukunft planen.“ Gemeinsam entwickelte das Betriebsratsteam Konzepte für einen zukunftsfähigen Standort. Dafür wurde der Betriebsrat nun für den Betriebsrätepreis des Bund-Verlags nominiert, der im November im Rahmen des Deutschen Betriebsrätetags vergeben wurde.

Alternative Antriebe: Gut für Klima und Arbeitsplätze

Die zentrale Idee: Gemeinsam mit dem Bremer Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik soll das Werk zum Kompetenzzentrum für alternative Antriebe umgebaut werden. „Wir wollen die Verkehrswende gestalten und unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten“, betont Ditte, „gleichzeitig sichern wir Arbeitsplätze.“ Das Projekt umfasst den Umbau alter Dieselloks, neue Prüfverfahren und Wartungskonzepte für Wasserstoffantriebe. „Die Ausschreibung für einen Prüfstand, der auf Wasserstoff umgerüstete Diesellokmotoren testet, ist fast beendet“, berichtet Ditte. „Die Sichtung der Angebote läuft. Wenn alles klappt, können wir in wenigen Monaten anfangen“.

In der Zwischenzeit erlebte das Werk allerdings harte Einschnitte: Die Lok-Halle und damit eine von zwei großen Hallen der Fahrzeuginstandhaltung in Bremen wurden tatsächlich verkauft, ebenso wie die Ausbildungswerkstatt und weite Teile des Geländes – alles an DB Cargo. Im Gegenzug erreichte der Betriebsrat mit einer Grundsatzvereinbarung: Das Werk soll in Richtung alternative Antriebe weiterentwickelt werden, und es wird weiterhin ausgebildet. Davon profitiert unter anderen JAV-Vertreter Jona Rippe, der im Sommer seine Ausbildung beendete: „Industriemechaniker werden gebraucht, also muss man für Nachwuchs sorgen.“ Kay Ellmers ergänzt: „Die acht Ausbildungsplätze wollten sie auf sechs kürzen. Aber wir haben durchgesetzt, dass es acht bleiben.“

Betriebsrat der DB-Fahrzeuginstandhaltung in Bremen in Werkshalle mit einem Banner für den Erhalt der Fahrzeuginstandhaltung
Eine starke Betriebsgruppe, die sich für den Erhalt des Instandhaltungswerk der DB Fahrzeuginstandhaltung GmbH (DB FZI) in Bremen einsetzt.

Viel Rückhalt und kurze Wege

Den größten Schritt machten Ditte und seine Kollegen nach Jahren der politischen Überzeugungsarbeit in Bremen. „Nachdem wir Funk und Fernsehen eingeladen hatten, kamen erst der Bürgermeister, dann die Fraktionsvorsitzenden der Bürgerschaft, schließlich Bundestagsabgeordnete“, erzählt Ditte. Nach und nach stellten sich alle hinter das Werk. In monatlichen Treffen mit dem Wirtschaftssenat und dem Fraunhofer-Institut entstand ein Konzept für ein Kompetenzzentrum Wasserstoff.

Schließlich gelang der Durchbruch: 2023 wurde der Plan in den Koalitionsvertrag der rot-grün-roten Regierung aufgenommen. Zu Beginn dieses Jahres kamen sechs Parteien zur Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding zusammen, das den Plan schriftlich fixiert: Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte sowie die Senatoren für Verkehr und Wirtschaft, der DB-Konzernvorstand und die Geschäftsführung der DB FZI – und Ronald Ditte als Betriebsratsvorsitzender. „Da habe ich drei Kreuze gemacht“, gesteht Ditte, „oft genug mussten wir die Verantwortlichen zum Jagen tragen“.

Geholfen haben die kurzen Wege im Stadtstaat Bremen. „Man kennt sich, kann direkt anrufen, Probleme auf den Tisch legen und Lösungen suchen“, sagt Ditte. Wichtig war auch der Rückhalt in der EVG, wo er im Bundesvorstand sitzt. „Es gab Momente, da bin ich zu Martin Burkert gegangen und habe gesagt: Ich brauche deine Unterstützung.“ Als EVG-Vorsitzender sitzt Burkert im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn.

Vor allem aber war es der Betriebsrat, der den Standort rettete. Jeden Morgen um 8.40 Uhr treffen sich die neun Mitglieder in ihrem Büro über der großen Maschinenhalle, in der heute vor allem Motoren repariert werden, zum Check-In. Die Truppe bleibt stark und im Einsatz für einen zukunftsfähigen Standort.

Mehr zum Thema:

Der Deutsche Betriebsrätepreis ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ des Bund-Verlags. Mit dem Preis werden seit 2009 alljährlich Praxisbeispiele vorbildlicher Betriebsratsarbeit ausgezeichnet. Von mehr als 60 Bewerbungen wurden 2025 zwölf Projekte nominiert, darunter das Projekt des Betriebsrats im Instandhaltungswerk der DB Fahrzeuginstandhaltung. In diesem Jahr wurde der Preis im Rahmen des Betriebsrätetags am 6. November in Bonn verliehen.

Mehr über die nominierten Betriebsräte auf der Seite des I.M.U. zum Betriebsrätepreis 2025.

Das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung bietet ein Archiv mit zahlreichen Betriebsvereinbarungen.

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