zurück
Luftaufnahme des Büro- und Verwaltungsgebäudes von PowerCo in Salzgitter Magazin Mitbestimmung

Investition: Gute Arbeit auch unter Strom

Ausgabe 03/2025

Mit seinem Tochterunternehmen PowerCo will VW eine eigene Batteriefertigung aufbauen. Die IG Metall hat dafür gesorgt, dass auch die Beschäftigten von dieser Transformation profitieren. Von Joachim F. Tornau

Ohne Batterien gibt es keine Elektromobilität. Doch die Versuche der deutschen Autoindustrie, sich bei der Batterietechnik unabhängig zu machen von Zulieferern aus China, Korea oder Japan, sind bislang keine Erfolgsgeschichte. Beispielhaft dafür steht die Northvolt-Batteriefabrik im schleswig-holsteinischen Heide, die unter anderem VW und BMW beliefern sollte und mit staatlicher Förderung in Höhe von 700 Millionen Euro angeschoben wurde. Nach der Insolvenz des schwedischen Mutterkonzerns ist unklar, ob sie jemals gebaut wird. Auch die Pläne des ACC-Konsortiums für eine Gigafactory in Kaiserslautern, an dem Mercedes und Opel beteiligt sind, liegen auf Eis.

Umso bemerkenswerter ist, was seit 2022 am Volkswagen-Standort in Salzgitter geschieht. Hier wurde nicht nur die Zentrale des Tochterunternehmens PowerCo angesiedelt, das weltweit den Aufbau einer konzerneigenen Batteriezellenfertigung steuert, hier sollen auch die ersten Batterien aus eigener Herstellung vom Band laufen. Und: Sowohl die schrittweise Transformation von der Verbrennertechnik zur E-Mobilität als auch die Arbeitsbedingungen bei  PowerCo wurden tarifvertraglich abgesichert.

Markus Hulm, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine und Mitglied im Aufsichtsrat von PowerCo, war klar: „Wenn wir uns nicht einmischen, wird das hier ein Sterben auf Raten.“ In Salzgitter wurden ausschließlich Komponenten für Verbrenner gebaut. Es standen Tausende Jobs auf dem Spiel. „Über die Mitbestimmung haben wir erreicht, dass das Headquarter der PowerCo nach Salzgitter kam.“ Der ursprüngliche Plan, in weltweit bis zu zehn Batteriefabriken kostengünstig eine Einheitszelle für alle Fahrzeugtypen zu produzieren, schrumpfte zwar auf drei Standorte zusammen, doch neben Valencia in Spanien und St. Thomas in Kanada gehört Salzgitter nach wie vor dazu. In der niedersächsischen Industriestadt soll die Produktion noch in diesem Jahr anlaufen, mit der ZellCo wurde dafür ein weiteres VW-Tochterunternehmen gegründet. „Die Transformation geschieht im laufenden Prozess“, erklärt Hulm. „Nach und nach werden die Abteilungen im Komponentenwerk aufgelöst und die Kolleginnen und Kollegen zur ZellCo versetzt.“ Mit der nötigen Qualifizierung natürlich. 

Markus Hulm, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Salzgitter-Peine und Mitglied im Aufsichtsrat von PowerCo (am Mikrofon)

Wenn wir uns nicht einmischen, wird das hier ein Sterben auf Raten.“

MARKUS HULM, IG Metall Salzgitter-Peine und Mitglied im Aufsichtsrat von PowerCo

An den tarifvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen ändert sich nichts. „Die Leute arbeiten weiter für VW, sie wechseln nur die Jacke“, sagt der Gewerkschafter. Auch wenn, wie das Unternehmen im vergangenen Jahr andeutete, erst einmal nur eine der zwei geplanten Produktionslinien realisiert werden sollte, die Jobs in Salzgitter bleiben erhalten. IG Metall und VW haben in einem Standortpapier vereinbart: Kommt die zweite Linie später, soll sie gleich für eine neue Batteriezellengeneration aufgebaut werden. Für die Übergangszeit kann die Herstellung von Verbrennertechnik bis 2028 und, falls nötig, auch darüber hinaus verlängert werden.

Von den derzeit 7400 Konzernbeschäftigten in Salzgitter arbeiten 1700 in der PowerCo-Zentrale. Viele von ihnen sind hoch qualifizierte Spezialisten, nicht wenige wurden von anderen Unternehmen abgeworben, von Tesla zum Beispiel. Rund ein Viertel kommt aus dem Ausland, aus China, wo man in puncto Batterietechnologie viel weiter ist als in Europa, aber auch aus Indien, Südamerika und dem europäischen Ausland. Kurz, es sind Fachkräfte, um die international konkurriert wird. Der außergewöhnliche Haustarifvertrag, den die IG Metall für sie aushandelte, spiegelt das wider – auch wenn sich die diesjährigen Entgeltverhandlungen wegen des Sparkurses im VW-Konzern so zäh gestalteten, dass die IG Metall erstmals zum Warnstreik rief.

„Das Entgeltsystem setzt höher an als in der VW-Welt, und es gibt eine sehr üppige Altersvorsorge“, sagt Hulm. „Einer der größten Vorteile aber ist die flexible Wahlarbeitszeit.“ Die Beschäftigten können ihre Wochenarbeitszeit aus sechs Stufen zwischen 28 und 40 Stunden frei wählen und das zweimal im Jahr neu festlegen. Wer sich für 35 Stunden oder weniger entschieden hat, kann auf eine Viertagewoche wechseln. Die Arbeitszeit soll zur Lebensphase passen.

„Diese Flexibilität ist konzernweit einzigartig“, sagt Hulm. Sie werde auch genutzt. „Der Belegschaft ist das enorm wichtig.“ Das habe sich jüngst bestätigt, als bei PowerCo – wie überall im VW-Konzern – die mobile Arbeit beschränkt wurde: Etliche Kollegen hätten daraufhin ihre Arbeitszeit verkürzt, um Beruf und Familie weiterhin vereinbaren zu können. „Das zeigt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.“

Sollten so viele Beschäftigte ihre Arbeitszeit verlängern, dass der Durchschnitt im Unternehmen über 37,5 Wochenstunden steigt, muss die Notbremse gezogen werden. Auch das ist geregelt. „Dann geht die rote Ampel an, weil es offenbar zu wenig Personal gibt“, erklärt Hulm. „Das behalten wir mitbestimmungsseitig genau im Auge.“ 

Zugehörige Themen