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Airbus A350 im Steigflug am blauem Himmel Magazin Mitbestimmung

Aufschwung: Die Überflieger

Ausgabe 06/2025

Aus der deutschen Wirtschaft kommen zurzeit nur schlechte Nachrichten? Nein! Es gibt sie, die Unternehmen, die trotz schwacher Konjunktur einen Rekord nach dem nächsten verbuchen. Von Fabienne Melzer und Andreas Schulte

Erst vor zwei Jahren rauschte das Rekordgeschäft in die Auftragsbücher von Siemens Mobility: Ägypten betraute den deutschen Bahntechnikhersteller mit dem Bau von rund 2000 Streckenkilometern für Hochgeschwindigkeitszüge. Auf rund acht Milliarden Euro beläuft sich das Volumen. Es ist der größte Auftrag in der 175-jährigen Geschichte des Konzerns.

Die Welt fährt Bahn, und die deutsche Siemens- Tochter profitiert davon. Nicht nur Ägypten bestellt bei Siemens Mobility, auch die Schweiz orderte kürzlich 116 Doppelstockzüge 28 für den Regionalverkehr, in den USA baut das Unternehmen die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke und in Norwegen digitalisiert Siemens das Eisenbahnnetz. Anatoli Klassen, Branchenbeauftragter Bahnindustrie beim Vorstand der IG Metall in Frankfurt am Main, sieht das Unternehmen durchaus als Gewinner der Mobilitätswende. Siemens habe einiges richtig gemacht.

Zu den Erfolgsfaktoren zählt er unter anderem die Lok Vectron. Klassen nennt sie den VW-Käfer auf dem Lokomotivenmarkt. Sie wird in München-Allach gebaut und kann je nach Kundenwunsch leicht angepasst werden. Siemens liefert sie batteriebetrieben, als Diesel-, Gleich- oder Wechselstrom-Lok. Dazu ist sie länderübergreifend zugelassen, was auf dem europäischen Markt ein wichtiges Plus ist.

„Auch im Regionalverkehr haben sie mit dem Desiro und dem Mireo inzwischen zwei Produkte, die gut laufen“, sagt Klassen. Um die Züge selbst zu warten, baute Siemens Mobility ein Depot in Dortmund. Technik, wie zum Beispiel ein digitaler Zwilling der Fabrik, vorausschauende Wartung und ein qualifiziertes Team, machen Reparaturen planbar und den Betrieb kosteneffizient. Auch beim ICE aus Krefeld habe das Unternehmen seine Hausaufgaben gemacht und liefere seit Jahren überpünktlich.

Die Großaufträge schlagen sich auch am Standort Deutschland nieder: 250 Millionen Euro investierte Siemens Mobility innerhalb von zwei Jahren in München-Allach, erweiterte die Gebäude und will bis zu 450 neue Stellen an der neuen Firmenzentrale aufbauen. „München gehört zu den Regionen mit den höchsten Löhnen in Deutschland, und selbst hier ist es möglich, so viele Stellen zu schaffen“, sagt Klassen. Auch in das Depot in Dortmund investierte Siemens Mobility 150 Millionen Euro, und in der Oberpfalz entsteht eine Batteriesystemfertigung. So will der Bahntechniker die Abhängigkeit von anfälligen Lieferketten reduzieren.

Bild von der Eröffnung des neuen Hauptsitzes von Siemens Mobility in München-Allach im Sommer.
Großer Bahnhof für die neuen Bahnen: Im Sommer eröffnete Siemens Mobility seinen neuen Hauptsitz in München-Allach.

Für Anatoli Klassen sind die Investitionen in den Standort nur logisch. „Siemens Mobility ist auch so stark, weil sie hier vor Ort alles haben: das Engineering und die Produktion. Die Ingenieure können im Betrieb prüfen: Was habe ich da gebaut? Oder: Warum läuft das nicht?“ Ebenso trage die starke Mitbestimmung zum Erfolg bei. Bei der Tochterfirma Hacon gelang es der IG Metall erstmalig, bei einer Softwaretochter einen Tarifvertrag abzuschließen. Gute Beschäftigung sei auch ein Magnet für gute Fachkräfte.

Kritisch sieht Klassen daher Überlegungen des Unternehmens, Produktion in Billiglohnländern aufzubauen. Zwar könne er den Kostendruck verstehen, unter dem das Unternehmen international steht, doch der ließe sich durch politische Maßnahmen verringern. Politik dürfe bei der Vergabe von Aufträgen nicht Unternehmen bestrafen, die nach Tarif zahlen. „Nicht der Preis allein darf entscheidend sein, sondern das Angebot in seiner Gesamtheit, bei dem auch Nachhaltigkeit und Soziales eine Rolle spielen“, sagt Klassen. „Zudem muss ein bestimmter Local-Content-Anteil festgeschrieben werden.“ Denn auf dem Weltmarkt konkurriere China zu ganz anderen Bedingungen, mit denen Hersteller in Europa nicht mithalten können.

Außer bei dem Auftrag aus Ägypten – da schlug Siemens Mobility den chinesischen Konkurrenten CRRC aus dem Rennen. Die Ägypter überzeugte „made in Germany“.

Baustelle Bahnhofsbau von Siemens Mobility in Ägyptennetz, wozu auch dieser Bahnhof gehört.
Siemens Mobility baut in Ägypten ein neues Hochgeschwindigkeitsnetz, wozu auch dieser Bahnhof gehört.

Höhenflug mit Autopiloten

Und noch eine gute Nachricht aus der deutschen Wirtschaft: Der Flugzeugbauer Airbus mit seinen rund 50 000 Beschäftigten in Deutschland befindet sich in einem stabilen Höhenflug: volle Auftragsbücher für die nächsten acht bis zehn Jahre, steigende Umsätze und Beschäftigungssicherung bis Ende 2030 für die Sparte der zivilen Flugzeugfertigung.

Die Gründe für den soliden Ausblick finden sich unter anderem in der Struktur der Branche. „Bei uns ist der Verdrängungswettbewerb nicht so aggressiv wie in anderen Industriezweigen“, sagt Frank Bergmann, Branchenbeauftragter für die Luftfahrt bei der IG Metall. Der einzige große Wettbewerber, Boeing, schrieb auch aufgrund von Qualitätsproblemen zuletzt Verluste. Im Jahr 2024 lieferte Airbus gut 700 Verkehrsflugzeuge aus, Boeing schaffte nur 500. Airbus hatte damit zum sechsten Mal in Folge die Nase vorn.

Dieser Erfolg ist für Airbus besonders wichtig. „Der A320 ist das Brot-und-Butter-Geschäft für unsere Beschäftigung.“ Die Sparte Commercial für den Bau von Verkehrsflugzeugen steht für drei Viertel des Umsatzes von zuletzt rund 70 Milliarden Euro. Doch auch in den beiden anderen Sparten, Defence & Space und Helicopters, läuft es gut. „Aufgrund der geopolitischen Lage rechne ich damit, dass bei Defence & Space künftig Personal aufgestockt wird“, sagt Bergmann. Gerade erst landete eine Bestellung der Bundeswehr von 20 Eurofightern in den Auftragsbüchern bei Airbus, Wert: 3,75 Milliarden Euro. Bergmann warnt jedoch davor, sich allzu sehr in Sicherheit zu wähnen. „Die Branche plant langfristig. Jetzt ist der Zeitpunkt für Investitionen in Menschen und neue Produktionsmittel. Mit technologischem Vorsprung und leistungsfähigen Standorten können wir Arbeitsplätze sichern.“

Kurzfristig gilt es zunächst aber, eine Lücke zu schließen, die Beschäftigung bedroht. Zuletzt litt Airbus noch unter Problemen in der Lieferkette, ein Erbe der Coronazeit. Einige Dutzend halbfertige Flugzeuge können noch immer nicht ausgeliefert werden, weil Triebwerke fehlen. Airbus steuert dagegen und gab Anfang des Jahres bekannt, Lieferanten in Schieflage auch finanziell zu unterstützen und seine Lieferketten regionaler aufzustellen.

Klaus Röllecke, Betriebsratsvorsitzender blickt über ein Geländer auf ein Gebäude der DZ Bank
Klaus Röllecke, Betriebsratsvorsitzender DZ Bank, blickt zuversichtlich in die Zukunft.

Die erfolgreiche Unbekannte

Nicht nur Produktionsbetriebe vermelden Erfolge, auch einige Dienstleister legen gute Zahlen vor. Nach Bilanzsumme ist der Arbeitgeber von Klaus Röllecke die zweitgrößte Bank in Deutschland: Die DZ Bank, die kaum einer kennt, fährt einen Rekord nach dem anderen ein. Überraschte sie schon 2024 mit einem Vorsteuergewinn von 3,3 Milliarden Euro, legte sie auch im ersten Halbjahr 2025 noch einmal beim Gewinn zu. Doch auch das Kreditgeschäft mit inländischen Firmenkunden trug dazu bei, was angesichts der schlechten Stimmung in der deutschen Wirtschaft besonders überrascht.

„Auch als Betriebsrat muss ich sagen: Der Vorstand macht alles richtig“, sagt Röllecke, der seit 36 Jahren in der Niederlassung in Stuttgart arbeitet. Seit 2004 ist er Betriebsratsvorsitzender am Standort Stuttgart, im Konzern- und Gesamtbetriebsrat ist er stellvertretender Vorsitzender. Das Geschäftsmodell seines Arbeitgebers vergleicht der Betriebsrat mit dem der Landesbanken. Nach mehreren Fusionen in den vergangenen Jahrzehnten gibt es bundesweit nur noch eine genossenschaftliche Zentralbank. „Wir haben keine Schalter, keine Kassen, keine Privatkunden“, sagt Röllecke. In Deutschland gibt es 14 Niederlassungen mit rund 6000 Beschäftigten, die meisten am Hauptsitz in Frankfurt. Zum Konzern gehören unter anderem Union Investment, die R+V Versicherung und die Bausparkasse Schwäbisch Hall.

Für die Volks- und Raiffeisenbanken übernimmt die DZ Bank die Funktion der Zentralbank und bietet über sie Produkte im Privatkundengeschäft an. Das Firmenkundengeschäft laufe nur bei besonders großen Anfragen direkt über die DZ Bank, erzählt Röllecke. Ein wesentlicher Baustein des Kreditgeschäfts sei die Finanzierung des Mittelstands, der über regionale wie  auch branchenspezifische Kompetenzzentren betreut werde. Aber auch bei Fragen von Nachfolgeregelungen oder der Erschließung neuer Absatzmärkte ließen sich Kunden beraten.

Klaus Röllecke denkt, dass die Bank das Risiko ihrer Geschäfte gut abschätzt: „Wir sind nicht total restriktiv, aber man schaut sich die Geschäfte schon genau an.“ Einen Teil des Erfolgs führt nicht nur er auf die Arbeit des Betriebsrats zurück. „Auf der letzten Betriebsräteversammlung sagte unser Arbeitsdirektor: ‚Wir haben ein super Ergebnis hingelegt, und das hat mit der Leistung der Beschäftigten zu tun und mit der Arbeit des Betriebsrats.‘“ Zudem wirbt die Bank gerne mit ihren zahlreichen Betriebsvereinbarungen um gute Fachkräfte. Das spricht aus Sicht des Betriebsrats auch für sich. 

Auch als Betriebsrat muss ich sagen: Der Vorstand macht alles richtig.“

KLAUS RÖLLECKE, Betriebsratsvorsitzender DZ Bank

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