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Magazin Mitbestimmung

: Sichere Kasse

Ausgabe 07+08/2009

ALTERSVERSORGUNG Deutsche Betriebsrentner brauchen nicht um ihre Altersbezüge zu fürchten. Auch in der Krise schützen gesetzliche Sicherungssysteme ihre Ansprüche.

Von INGMAR HÖHMANN, Journalist in Köln

Anfang Juni erschütterte wieder eine Hiobsbotschaft die deutsche Wirtschaft: Der Handelskonzern Arcandor meldete Insolvenz an, mehr als 40 000 Mitarbeiter bangen um ihre Jobs. Die Pleite des Großunternehmens rückte auch die Sicherheit der betrieblichen Altersvorsorge in die Schlagzeilen. Denn einspringen muss der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) der deutschen Wirtschaft - und das nicht zu knapp: "Wir stehen vor dem größten Schaden unserer Geschichte", sagt PSV-Vorstand Martin Hoppenrath.

Der PSV ist das letzte Bollwerk der Betriebsrentner - er übernimmt bei der Insolvenz ihres Arbeitgebers die Rentenzahlungen. In diesem Jahr lag durch die vielen Firmenpleiten bis Ende Mai der Gesamtschaden für den Sicherungs-fonds bereits höher als im gesamten Jahr 2008. Arcandor wird wohl noch einmal eine Belastung von mehr als einer Milliarde Euro zusätzlich bedeuten. Die Mitglieder des PSV, rund 73 000 Unternehmen, haben daher künftig mit höheren Beiträgen zu rechnen. Denn sie finanzieren den Sicherungsfonds und stehen dafür ein, dass zehn Millionen Menschen ihre zugesagten Betriebsrenten in Höhe von 277 Milliarden Euro auch ausgezahlt bekommen. Die Renten sind so bis zu einem relativ hohen monatlichen Limit garantiert - dem Dreifachen des Durchschnittsentgelts der gesetzlichen Rentenversicherung.

EINE PSV-PLEITE IST UNMÖGLICH_ Muss also niemand bangen? Bernd Katzenstein, Sprecher des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA), sieht die Lage gelassen: "Die Betriebsrenten sind sicher", sagt er. "Daran wird auch die Wirtschaftskrise nichts ändern." Die internationale Tagung "Steuerung der betrieblichen Altersversorgung in Europa: garantierte Sicherheit?", organisiert von der Hans-Böckler-Stiftung, der Friedrich Ebert Stiftung, dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht (MPISOC) sowie dem Institut de l'Ouest Droit et Europe, kam Ende Mai zu dem Ergebnis: Wie in kaum einem anderen Land sind die Bezüge im Alter abgesichert.

So steht im Regelfall nicht nur das Unternehmen sowie das angesammelte Pensionsvermögen für die Erfüllung der Direktzusagen ein, sondern auch der PSV - und damit die gesamte deutsche Wirtschaft. Dass der PSV selbst pleite-geht, ist so gut wie unmöglich: Bei höheren Belastungen kann dieser einfach höhere Beiträge einfordern.

In anderen Ländern hat die Betriebsrente im öffentlichen Ansehen hingegen kräftig gelitten - und das aus gutem Grund: Nach der geplatzten Immobilienblase haben beispielsweise die spanischen Vorsorgewerke, die viel Geld auf dem Immobilienmarkt angelegt hatten, stark an Wert verloren. Anders als in Deutschland besteht dort der Rechtsanspruch nur gegen den Rentenfonds, nicht gegen das eigene Unternehmen. Hohe Verluste haben auch die Systeme in Österreich und der Schweiz zu verzeichnen - als Folge habe sich dort "eine katastrophale Stimmung gegen die kapitalgedeckte Altersvorsorge aufgebaut", sagt Friso Ross, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht.

Typisch für die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland ist, dass der Arbeitgeber für die Erfüllung der Betriebsrente haftet. Das ist nicht selbstverständlich. Andere Länder, wie die Vereinigten Staaten, haben sich in diesem Punkt anders entschieden: Dort steht ein Unternehmen in vielen Fällen nur in der Pflicht, den Beitrag an ein Pensionswerk zu überweisen, nicht aber, die Rente schließlich auch auszuzahlen.

ANLAGE MIT GERINGEM RISIKO_ Auch die eher risikoaverse Anlagestrategie der deutschen Vorsorgewerke ist ein Pluspunkt - über die ganze Branche gesehen halten sich die Verluste auf dem Kapitalmarkt so in Grenzen. Das liegt nicht zuletzt an den gesetzlichen Vorgaben: So müssen Direktversicherungen und Pensionskassen strikte Vorschriften beachten, für den Aktienanteil und die Anlage in Fremdwährungen sind beispielsweise Höchstgrenzen vorgesehen. Deutschland stehe im internationalen Vergleich noch recht gut da, sagt Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba). "Vor einigen Jahren verwiesen meine europäischen Kollegen bei jedem Treffen noch stolz auf die hohen Renditen ihrer Anlagen. Heute sind viele davon in einer desaströsen Lage."

Doch auch das deutsche System ist alles andere als perfekt. Gerade im Hinblick auf die Alterung der Bevölkerung gibt es Nachholbedarf. So zieht sich der Staat zunehmend aus der Verantwortung zurück. Das steigende Renteneintrittsalter und geringere Leistungen aus der gesetzlichen Altersvorsorge bedeuten, dass die Arbeitnehmer zunehmend aus eigenem Geld ansparen müssen. Doch wer wenig verdient, kann sich die private Vorsorge kaum leisten. Wenn sich ein Arbeitgeber dann noch entschließt, keinen Zuschuss zur Betriebsrente zu zahlen, verzichten viele von denen, die ohnehin zu wenig zum Leben haben - und bleiben so auf die sinkenden Leistungen aus der gesetzlichen Rente angewiesen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert daher, die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht weiter zu kürzen und die Betriebsrente stärker verpflichtend zu machen. Zudem müssten sich die Unternehmen mehr einbringen, sagt Heinz Stapf-Finé, Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim DGB-Bundesvorstand. "Die Firmen ziehen sich zunehmend aus der Verantwortung zurück. Sie lassen die Arbeitnehmer die Betriebsrente immer häufiger aus der eigenen Tasche bezahlen." Zwar hat nach Studien der TNS Infratest Sozialforschung mittlerweile knapp jeder zweite sozialversicherungpflichtig Beschäftigte in der Privatwirtschaft Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge erworben, während es 2001 erst 38 Prozent waren. Doch der Anteil der Unternehmer, die selbst etwas dazu beitragen, sinkt schnell: War 2001 noch in 54 Prozent der Firmen die Betriebsrente ausschließlich arbeitgeberfinanziert, so sind es heute nur noch 38 Prozent. Erst wenn nach dem Ende der Krise die Arbeitskräfte knapp werden, würden die Unternehmen die Betriebsrente als Instrument der Personalwerbung wiederentdecken, prophezeit Aba-Geschäftsführer Stiefermann.

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