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Magazin Mitbestimmung

Interview: "Rampensau für das Gute"

Ausgabe 11/2014

Uwe Hück über seine Rolle als Porsche-Betriebsrat, über Angst und über das nötige Rüstzeug für den öffentlichen Auftritt. Das Gespräch führte Andreas Schulte.

Herr Hück, sind Sie eine Rampensau? 

Ja, und das aus gutem Grund. Wenn man Interessen durchsetzen will, braucht man die Öffentlichkeit. Die erreicht man besser, wenn man, wie ich, mit Ecken und Kanten ausgestattet ist. Im Gegenzug kann man sich allerdings auch mal blaue Flecken holen. 

Hilft Ihnen Ihre Erscheinung, in Verhandlungen und Mediengesprächen Paroli bieten zu können? 

Enorm. Da kommt mir meine Statur sehr zugute. Es beeindruckt Gesprächspartner, wenn mit mir austrainierte 100 Kilo Thaiboxer im schönen Anzug in den Raum kommen. Ich kann Menschen wortwörtlich in den Schatten stellen. Dazu kann ich auch noch schwätzen. Diese Kombination ist selten. 

Nicht jeder Kollege hat solche Voraussetzungen. Welche Fähigkeiten braucht ein Betriebsrat, wenn er erstmals ins mediale Rampenlicht tritt? 

Er darf keine Angst haben. Er darf nicht erschrocken sein. Und ihm muss klar sein: In dem Moment, in dem er im Rampenlicht steht, kann es auch sein, dass es zum Schlechten kommt. Ein Vergleich: Ich steige für meine Lernstiftung Hück wöchentlich mit Jugendlichen in den Boxring. Viele von ihnen unterschätzen den Kämpfer Hück mit seinen 52 Jahren und meinen, sie könnten mit Gewalt alles erreichen. Nach wenigen Runden sind sie ganz friedlich. Damit will ich sagen: Wer in den Ring reingeht, darf sich nicht wundern, wenn der andere zuschlägt. In dem Moment, in dem einer aber Angst vor dem Rampenlicht hat, muss er es lassen. 

Wie kann sich ein Betriebsrat die nötigen Nehmerqualitäten antrainieren? 

Junge Betriebsräte müssen in den Sport rein – und damit meine ich den Sport. Denn dort lernt man, zu siegen und zu verlieren. Eine Niederlage im Sport ist nicht schlimm, schlimm ist nur, wenn du nicht alles gegeben hast. Betriebsräte müssen sich dazu gesellschaftlich engagieren und auch ein Ehrenamt ausüben. Gerade dort lernt man auch, Streitgespräche zu führen und Konflikte zu lösen. 

Mit welchen betrieblichen Konflikten kommt man dann ins Rampenlicht? 

In einer Tarifrunde kann es gelingen. Aber auch bei anderen Themen. Zum Streit zwischen der Lokführergesellschaft GDL und der Eisenbahnergewerkschaft EVG habe ich mich geäußert, weil ich diesen Gewerkschaften egoistische Motive unterstelle. Damit bin ich in die Öffentlichkeit gegangen. Das ist sofort aufgenommen worden. Bei solchen aktuellen Themen muss man aus dem Bauch heraus handeln. Dann wirkt es glaubhaft. Wenn du der Auffassung bist, du kämpfst für eine gerechte Sache, dann geh raus. Dann funktioniert das auch. Da gebe ich gerne die Rampensau für das Gute. 

Kommt die Vorbereitung auf ein Mediengespräch nicht zu kurz, wenn man so emotional vorgeht? 

Es gibt Betriebsräte, die nur in ihrer Arbeitszeit Betriebsräte sind. Die könnten ein Gespräch so nicht angehen. Wer aber 24 Stunden am Tag Betriebsrat ist, der kann das. Das ist wie mit dem Wettkampf beim Boxen. Ich bereite mich auf meinen Kampf am Freitag gut vor. Ich trainiere dafür fünfmal die Woche. Genauso ist es, wenn ich als Betriebsrat in die Öffentlichkeit gehe. Ich bin sehr emotional, aber ich bin gut vorbereitet. 

Wie lässt sich gewonnene Aufmerksamkeit im Sinne der Arbeitnehmer einsetzen? 

Ein Beispiel: 2012 haben wir in Baden-Württemberg ein Förderjahr im Tarifvertrag festgeschrieben. Benachteiligte Jugendliche sollen im Betrieb auf den Start in eine Berufsausbildung vorbereitet werden. Da habe ich bei Porsche gefragt, ob wir zwölf dieser Jugendlichen einstellen. Der Vorstand hat aber nie eine Antwort gegeben. Um ihn endlich in die Pflicht zu nehmen, habe ich unabgestimmt eine Presseerklärung rausgegeben: „Arbeitgeber und Betriebsrat haben eine gemeinsame Verantwortung für eine gute Zukunft unserer Kinder“. Am Ende haben wir zwölf Jugendliche eingestellt, von denen jetzt neun eine Ausbildung bei Porsche machen. Das hat nur geklappt, weil die Rampensau mal wieder am Werk war. So etwas kann man aber nur machen, wenn die eigene Position im Unternehmen gefestigt ist. 

Sie sind bei Porsche auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender. Behindert die Verschwiegenheitspflicht Ihre Betriebsratstätigkeit? 

Ich verschweige nur, was nicht zum Nachteil unserer Kollegen ist. Wenn ich feststelle, dass diese Gefahr droht, muss ich wortgewandt sein. Diese Fähigkeit sollte jeder Betriebsrat haben. Allerdings halte ich mich immer an gesetzliche Regeln wie zum Beispiel das Aktiengesetz. Aber man kann auch Dinge verständlich zum Ausdruck bringen, ohne dass man sie ausspricht. Verschwiegenheit heißt nicht, zuschauen wie die Menschen darunter leiden.

ZUR PERSON

UWE HÜCK, 52, ist seit 2002 Gesamtbetriebsratsvorsitzender und seit 2010 stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender beim Autobauer Porsche. Er wuchs elternlos in Heimen auf und trat später in die SPD und in die IG Metall ein. Der ehemalige Thaibox-Profi spielt die gesamte mediale Klaviatur: Er pflegt einen eigenen Facebook-Auftritt, als Betriebsrat erreicht der gelernte Lackierer fünfstellige Klickzahlen bei YouTube, außerdem gastiert er regelmäßig in TV-Talkshows.

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