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Magazin Mitbestimmung

: INTERVIEW 'Konflikte nicht wegdrücken'

Ausgabe 07+08/2010

IG-Metall-Vorstandsmitglied Wolfgang Rhode über die Notwendigkeit von gleitenden Übergängen zu Ökotechnologien und die Bedeutung des Faktors Zeit.

Herkömmliche Industrieunternehmen wandeln sich zu Ökotechnologie-Firmen. Eine Randerscheinung?
Das ist ein zentraler Trend, auch wenn er nicht immer so leicht zu erkennen ist. Es gibt natürlich ganz neue Branchen wie die Solarindustrie, hier ist der Wandel deutlich sichtbar. Weit wichtiger aber ist, dass es vielfach einen gleitenden Übergang gibt von herkömmlichen Produkten zur Ökotechnologie. Etwa in der Windkraft, wo die Türme einfach Stahlbau sind und die Getriebe auch nichts grundsätzlich Neues, die Rotoren aber Ergebnis modernster Strömungsforschung. Oder bei Diesel-Einspritzpumpen, die Motoren effizienter und damit umweltfreundlicher machen.

Wo sind die Aufgaben der Gewerkschaften?
Wir schauen, wo die Jobs von morgen entstehen. Unbestritten gibt es einen Klimawandel, unbestritten werden Öl und Kohle knapp. Da ist klar, dass Umwelttechnologie Chancen für Beschäftigung bietet. Entsprechend setzen wir unser Gewicht ein, in den Betrieben und in der Politik. Idealerweise sind wir da aufklärerisch tätig - und treiben an. Es kann nicht darum gehen, immer nur das Bestehende zu verteidigen. Das wäre ziemlich kurzsichtig. Zugleich schauen wir, wo der Wandel Arbeitsplätze gefährdet. Brüche darf es nicht geben, der Übergang braucht Zeit.

Sie stehen mit dem einen Fuß auf dem Gas, mit dem anderen auf der Bremse?
Keineswegs. Wir betonen die Chancen. Aber es wäre falsch, so zu tun, als wäre der Weg in die grüne Wirtschaft ohne Schlaglöcher und falsche Abzweigungen. Wir wollen Konflikte nicht wegdrücken.

Welche Konflikte?
Beispiel Elektromobilität - hier werden in Zukunft ganz andere Qualifikationen und Produktionsweisen gefragt sein als im klassischen Fahrzeugbau. Ein Elektroauto hat keine Kolben im Motor, sondern eine Hochleistungsbatterie. Wer heute Kolben herstellt, kann aber nicht morgen Batterien bauen. Hier setzen wir uns für einen behutsamen Übergang ein. Und für einen Umbau bestehender Standorte, die Fertigung darf nicht ausgelagert werden. Ein zweites Beispiel ist die Stahlerzeugung - hier sind wir für eine Ausnahmeregelung im Emissionshandel, damit die Kosten für den CO2-Ausstoß nicht zum Abwandern von Produktion führen. Solche Möglichkeiten sehen die EU-Regelungen durchaus vor.

Zugleich will die IG Metall den grünen Strukturwandel antreiben. Wo passiert das?
Wir haben sehr aktive Betriebsräte bei Herstellern von Turbinen für Kraftwerke. Mit denen diskutieren wir den Übergang zu erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz. So entwickeln wir Zukunftsperspektiven. Die Betriebsräte der Automobilindustrie haben etwas Ähnliches begonnen.

Der BDI befürwortet international verbindliche Regelungen zum Ausstoß von Treibhausgasen, lehnt aber nationale oder europäische Alleingänge ab. Fürchtet auch die IG Metall, dass es der Wettbewerbsfähigkeit schadet, wenn Deutschland sich ehrgeizigere Klimaziele setzt?
Nein. Wenn wir uns hierzulande zu stärkeren Einsparungen bei Energieverbrauch und CO2-Ausstoß verpflichten, dann ist das nicht nur für die Umwelt gut. Es ist auch ein starker Anreiz, neue Technologien zu entwickeln. Das steigert unsere Wettbewerbsfähigkeit, statt ihr zu schaden.

Die Fragen stellte JONAS VIERING.
Foto: IG Metall

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