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Magazin Mitbestimmung

Betriebsratsberatung: Arbeitgeber jubilieren zu früh

Ausgabe 04/2013

Ein BGH-Urteil erklärt Betriebsratsmitglieder für persönlich haftbar für ein Beraterhonorar, das der Arbeitgeber, die Deutsche Börse, nicht übernehmen will. Skandal oder Chance? Von Joachim F. Tornau

Eigentlich sind die Arbeitsgerichte zuständig, wenn es ums Betriebsverfassungsrecht geht. Dennoch musste sich kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) auf dieses für ihn ungewohnte Rechtsgebiet wagen. Was dabei herauskam, sorgte prompt für Diskussionen. Im verhandelten Fall war eine auf die Beratung von Betriebsräten spezialisierte Firma vor Gericht gezogen, um ihr Honorar einzuklagen – daher die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit. Und der BGH entschied, dass Arbeitnehmervertreter unter bestimmten Umständen selbst zahlen müssen, wenn sie sich Hilfe von außen holen (Az. III ZR 266/11 vom 25. Oktober 2012). Das gelte für eine Beratung, die überteuert oder zur Erfüllung der Betriebsratsaufgaben unnötig sei und deshalb vom Arbeitgeber nicht bezahlt werden müsse. Das beauftragte Unternehmen könne diejenigen Arbeitnehmervertreter, die den Auftrag erteilt haben, dann privat zur Kasse bitten, befanden die Bundesrichter. Es sei denn, die Sachverständigen hätten wissen müssen, dass sie ein „nicht marktübliches“ Honorar verlangt und ihre Leistungen das Maß des Erforderlichen gesprengt hätten.

WAS IST ERFORDERLICH?

Arbeitgebernahe Juristen ließ dieses Urteil jubilieren. So schwärmte Rechtsanwalt Jan Tibor Lelley in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von einem „neuen Weg im Betriebsratscontrolling“. In Gewerkschaftskreisen hingegen wurde der Richterspruch zunächst mit großer Sorge registriert. Von einem „hanebüchenen Urteil“ und einem „schweren Rückschlag“ für die Betriebsratsarbeit war die Rede.

Nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsgründe gibt Jochen Homburg, Ressortleiter Betriebspolitik beim Bundesvorstand der IG Metall, jedoch Entwarnung: Das Urteil habe sogar „durchaus positive Aspekte“, erklärt der Jurist. Denn der BGH habe dem Betriebsrat ausdrücklich zugestanden, selbst Verträge mit Rechtsanwälten oder Beratern abzuschließen – aber natürlich nur in dem Umfang, in dem ein Kostenerstattungsanspruch gegen den Arbeitgeber bestehe. „Der Betriebsrat ist geschäftsfähig geworden“, sagt Homburg. Gegen das Haftungsrisiko könnten sich Betriebsräte dagegen „relativ einfach“ absichern, indem sie in jeden Beratungsvertrag den Satz aufnehmen: „Wir beauftragen Sie im Rahmen des Erforderlichen.“

Ob dieser Rahmen in dem vom BGH verhandelten Fall überschritten wurde, steht im Übrigen noch nicht fest. Strittig ist die knapp 87.000 Euro teure betriebswirtschaftliche Beratung, die der Betriebsrat der Deutschen Börse in Frankfurt 2007 in Auftrag gab, als wegen geplanter Stellenstreichungen und Arbeitsplatzverlagerung ins Ausland ein Interessenausgleich ausgehandelt werden sollte. Der Arbeitgeber hatte die Übernahme der Kosten jedoch verweigert – unter anderem mit der Begründung, dass ein Teil der Leistungen nicht erforderlich gewesen sei. Daraufhin hatte die Beratungsfirma den Betriebsratsvorsitzenden und seine Stellvertreterin in Regress nehmen und persönlich zur Zahlung verpflichten wollen.

Anders als die Vorinstanzen hielt der BGH dieses Ansinnen nicht für ausgeschlossen, fällte aber selbst keine abschließende Entscheidung. Stattdessen verwies er das Verfahren zurück ans Oberlandesgericht in Frankfurt, um klären zu lassen, ob die Arbeitnehmervertreter mit dem Auftrag wirklich über das Ziel hinausgeschossen sind. Die Bundesrichter betonten aber, dass dem Betriebsrat bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer Beratung ein Spielraum zustehe, dessen Grenzen „nicht zu eng“ gezogen werden dürften. Nach Ansicht des IG-Metall-Experten Homburg ergibt sich die Erforderlichkeit bereits aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Die besondere Regelung, die bei Betriebsänderungen in Unternehmen mit mehr als 300 Beschäftigten gelte, habe der BGH leider „nicht ausreichend gewürdigt“.

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