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HBS Böckler Impuls

Gender: Eine Landkarte für die Gleichstellung

Ausgabe 11/2007

Wo ist die Gleichstellung der Geschlechter relativ weit fortgeschritten, welche Regionen haben Nachholbedarf? In Schweden gibt ein Blick auf den Gender-Index des statistischen Zentralamts die Antwort. Auch Deutschland könnte einen Gleichstellungs-Atlas gut gebrauchen.

Mit wenigen Klicks lässt sich für jede schwedische Kommune ermitteln, wie weit das so genannte Gender Mainstreaming dort gediehen ist. Ein Standortvorteil für Kommunen, die im Ranking gut abschneiden; ein Warnsystem für die, die hinterherhinken. Die Unternehmensberaterin Mechthild Kopel und der Sozialforscher Gerhard Engelbrech vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben in einer Machbarkeitsstudie für die Hans-Böckler-Stiftung untersucht, ob sich das schwedische Modell auf die Bundesrepublik übertragen ließe. Ihr Fazit: Ein deutscher Gender-Index wäre mit relativ wenig Aufwand für alle Kreise und kreisfreien Städte zu erstellen. Damit entstünde ein wichtiges Hilfsmittel für gezielte Gleichstellungs-, Beschäftigungs- und Strukturpolitik sowie die Wirtschaftsförderung.

Der schwedische Index enthält geschlechtsspezifische Daten aus 13 Kategorien. Erfasst sind beispielsweise Qualifikationsunterschiede, Arbeitslosenquoten von Frauen und Männern, die Zahl weiblicher Unternehmer, Frauenanteile in kommunalpolitischen Gremien oder Daten, wie Frauen und Männer die Familienarbeit untereinander aufteilen. Kopel und Engelbrech haben ein deutsches Pendant zum schwedischen Gleichstellungs-Indikator entwickelt. Als statistische Grundlage dienen ihnen dabei vor allem Daten der Arbeitsagentur. Ausschlaggebend für eine positive oder negative Bewertung der "Frauenfreundlichkeit" eines Landkreises oder einer Stadt ist die Abweichung der erhobenen Daten vom Bundesdurchschnitt. So führt beispielsweise eine unterdurchschnittliche Erwerbsbeteiligung von Frauen zum Punktabzug, andererseits bringt etwa eine überdurchschnittlich gute Versorgung mit Kita-Plätzen Zähler.

Anhand von vier Modellregionen haben die Wissenschaftler ihren Ansatz getestet. Sie haben Landkreise ausgesucht, die Ost- und Westdeutschland sowie städtische und ländliche Regionen repräsentieren. Die Wahl fiel auf Halberstadt, Heidelberg, Rostock und Siegen-Wittgenstein. Die höchste Punktzahl erreichte Heidelberg - Resultat überdurchschnittlicher Qualifikation und Einkommen von Frauen, geringer Frauenarbeitslosigkeit und eines vergleichsweise gut ausgebauten Betreuungsangebots für Kinder. Defizite gibt es aber auch in der Uni-Stadt, etwa durch unterdurchschnittliche Leistungen der Arbeitsagentur für Berufsrückkehrerinnen. Am schlechtesten schnitt der Kreis Siegen-Wittgenstein ab, wo viele Frauen gar nicht oder nur geringfügig beschäftigt sind. Die ostdeutschen Beispielregionen können mit guten Betreuungsmöglichkeiten punkten, müssen aber Abzüge wegen hoher Frauenarbeitslosigkeit und  relativ geringer Verdienste hinnehmen.

Auf regionaler Ebene sind die verfügbaren Informationen über die Teilhabe von Frauen am gesellschaftlichen Leben bislang häufig unvollständig, haben die Wissenschaftler festgestellt. Ein Gender-Index könnte diese Informationslücke schließen und gleichzeitig "aufzeigen, wo welche Defizite bei der volkswirtschaftlichen Einbindung und Nutzung weiblichen Humankapitals vorliegen". Damit würde er unter anderem wichtige Anhaltspunkte für die künftige Ausrichtung der EU-Strukturförderung bieten. Denn das im EU-Verfassungsentwurf formulierte Ziel einer "harmonischen Entwicklung der Gemeinschaft" schließt nicht nur Bemühungen um den Ausgleich von regionalen Entwicklungsunterschieden ein, sondern auch die Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern. Der vorgeschlagene, 15 Einzelindikatoren umfassende Gender-Index würde einerseits eine präzisere Beschreibung der Ausgangslage ermöglichen. Andererseits ließen sich Ziele und Erfolge der Förderpolitik genauer festlegen beziehungsweise messen.

Auch aus kommunalpolitischer Sicht wäre der Index hilfreich: Er enthält viele Informationen, die für Standortentscheidungen von Unternehmen wichtig sind. Faktoren wie das Betreuungsangebot für Kinder können durchaus den Ausschlag geben, wenn Unternehmen nach einem Ort suchen, den qualifizierte Mitarbeiter als attraktiv empfinden.

  • Kommunen schneiden im Gender-Ranking unterschiedlich ab. Zur Grafik

Mechthild Kopel und Gerhard Engelbrech: Gender-Index - eine Landkarte für Deutschland, HBS-Arbeitspapier 136, April 2007
Download des Arbeitspapiers (pdf)

Gender-Index - eine Erfahrung aus Schweden für Deutschland
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