Arbeitswelt: Gleichstellung beginnt im Kopf
Freiwillige Frauenquoten verbessern nicht nur die Karrierechancen von Frauen – sie können auch ein Umdenken in der gesamten Belegschaft bewirken.
Gleichstellung im Betrieb ist kein Selbstläufer. Zwar sind viele Unternehmen bemüht, die Karrieremöglichkeiten für Frauen zu verbessern – doch wie gut wirken solche Maßnahmen tatsächlich? Und wie beeinflussen sie das Denken der Beschäftigten über Geschlechterrollen? Dieser Frage sind die Sozialwissenschaftlerinnen Eileen Peters vom WSI und Anja-Kristin Abendroth von der Universität Bielefeld nachgegangen. Ergebnis: In Betrieben mit freiwilligen Frauenquoten sind die Beschäftigten egalitärer eingestellt, was Vorstellungen über Geschlechterverhältnisse in der Arbeitswelt betrifft. Für Mentoring-Programme lässt sich ein solcher Zusammenhang nicht eindeutig nachweisen. Dies könnte auch daran liegen, wie solche Programme in der Praxis umgesetzt werden.
Für ihre Analyse haben die Wissenschaftlerinnen einen Datensatz ausgewertet, der im Rahmen eines Projekts an der Universität Bielefeld in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erhoben wurde. Ihre Analysen enthalten Befragungsdaten von 2445 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus 82 Großbetrieben mit mindestens 500 Beschäftigten. Die Teilnehmenden wurden gefragt, wie sie zu geschlechtsspezifischen Aspekten der Arbeitswelt stehen. Konkret: Ob Männer und Frauen beide zum Haushaltseinkommen beitragen sollten, ob ein Kind darunter leidet, wenn seine Mutter arbeitet, oder ob es für alle besser ist, wenn nur die Männer arbeiten und die Frauen zu Hause bleiben.
Laut der Studie vertreten Beschäftigte in Betrieben mit freiwilligen Frauenquoten egalitärere Ansichten als diejenigen an Arbeitsplätzen ohne eine solche Maßnahme. Die Wahrscheinlichkeit, dass Beschäftigte in Betrieben mit Frauenquote zu traditionellen Geschlechterrollen neigen, ist im Durchschnitt um 1,5 Prozentpunkte geringer. Sie stimmen mit einer um 3,8 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit der Aussage zu, dass sowohl Frauen als auch Männer zum Haushaltseinkommen beitragen sollten. Außerdem widersprechen sie mit einer um 9 Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit der Aussage, dass nur die Männer arbeiten und die Frauen zu Hause bleiben sollten. „Zahlreiche statistische Robustheitsanalysen sowie konsistente Befunde über verschiedene Modellvarianten hinweg sprechen dafür, dass der beobachtete Zusammenhang nicht zufällig ist“, betont WSI-Expertin Peters. Vieles deute darauf hin, dass die Quoten zur Herausbildung egalitärer Einstellungen beitragen können – auch wenn sich ein kausaler Effekt mit den vorliegenden Daten nicht abschließend nachweisen lasse. Hierfür sei weitere Forschung nötig.
Eine mögliche Erklärung für den positiven Effekt ist, dass Frauen durch die Quote neue Rollen und Karrieremöglichkeiten kennenlernen, die sie zuvor für sich selbst ausgeschlossen hatten. Wenn mehr Frauen in Führungspositionen gelangen, können sie als Vorbilder dienen. Darüber hinaus signalisiert allein das Vorhandensein einer Frauenquote, dass Gleichstellung ein entscheidendes Ziel am Arbeitsplatz ist. So entsteht langfristig eine Kultur, in der Frauen als gleichberechtigter Teil der Belegschaft gesehen werden – sowohl von den Frauen selbst als auch von den Männern. „Mit freiwilligen Frauenquoten machen Betriebe deutlich: Frauen sollen in Führung – und zwar jetzt. Das verändert die Kultur im Unternehmen und setzt ein starkes Zeichen für Gleichstellung“, so die Forscherinnen. Je alltäglicher weibliche Führung wird, desto weniger wirken alte Klischees. So entsteht mit der Zeit eine neue Normalität.
Die Ergebnisse für Mentoring-Programme sind weniger eindeutig. Dabei unterstützt eine erfahrene Mentorin oder ein erfahrener Mentor bei der persönlichen und beruflichen Entwicklung. Beschäftigte in Betrieben, die Mentoring einsetzen, unterscheiden sich in ihren geschlechtsspezifischen Einstellungen nicht von Beschäftigten in Betrieben ohne solche Programme. Ein leichter Zusammenhang zeigt sich lediglich, wenn die Maßnahmen seit mindestens fünf Jahren existieren. Dies könnte darauf hindeuten, dass sie länger brauchen, bis sie wirken. Darüber hinaus könnte die geringe Wirkung auch an der konkreten Umsetzung von Mentoring-Programmen liegen. Häufig geben Mentorinnen und Mentoren Karriereratschläge, die darauf hinauslaufen, sich an „maskulinisierte Normen“ anzupassen. Dadurch werden bestehende Geschlechterbilder gefestigt, statt sie zu hinterfragen. Mentoring sollte daher nicht nur auf individuelle Anpassung abzielen, so Peters und Abendroth, sondern in eine umfassende betriebliche Gleichstellungsstrategie eingebettet werden.
Gerade in Zeiten, in denen weltweit gegen Gleichstellungspolitik mobilisiert wird, sehen die Forscherinnen ihre Ergebnisse als starkes Argument: Betriebliche Maßnahmen wie freiwillige Frauenquoten können mehr als nur Strukturen verändern. Sie setzen Impulse für ein neues Denken und stärken egalitäre Rollenbilder in der Arbeitswelt.
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Eileen Peters, Anja-Kristin Abendroth: Gender Ideologies and Workplace Diversity Policies, Work, Employment and Society, Mai 2025