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Magazin Mitbestimmung

Betriebsrats-Mobbing: Die Kündigungshelfer

Ausgabe 06/2012

Ein Fall aus dem Schwäbischen: Als Mitarbeiter getarnte Privatdetektive belauschen Gespräche, um Material gegen einen Betriebsratsvorsitzenden zu sammeln. Der kämpft. Von Andreas Kraft

Erdal Savas lässt sich nicht einschüchtern. Der Betriebsratsvorsitzende der Plattenhardt KG, eines Automobilzulieferers im schwäbischen Hattenhofen, hat sich auch keine Angst einjagen lassen, als sein Arbeitgeber ihn vor gut einem Jahr fristlos entlassen wollte. Die Vorwürfe der Geschäftsführung muteten absurd an: Er habe einen Kollegen aufgefordert, das Büro des Personalleiters mit einer selbst gebauten Bombe in die Luft zu sprengen. „Ich habe da nur gelacht“, sagt er heute. Seine Familie aber habe sich große Sorgen um die Zukunft gemacht. „Ich musste sie immer wieder beruhigen.“

Die Plattenhardt KG zog vor Gericht, um die Kündigung zu erzwingen. Den entsprechenden Antrag formulierte der Düsseldorfer Anwalt Helmut Naujoks. Auf seiner Homepage wirbt der Jurist offensiv mit seinen Dienstleistungen. Darunter: das Kündigen von Unkündbaren. Doch Naujoks ist nicht der Einzige, der sich auf dieses spezielle Feld des Arbeitsrechts spezialisiert hat. Wie sich aus dem Geschäftsmodell mittlerweile eine ganze Branche entwickelt hat, zeigen Christian Esser und Alena Schröder in ihrem kürzlich erschienenen Buch „Die Vollstrecker“. Viele Fälle folgten dem gleichen Muster: Die Betriebsräte sollen mürbe gemacht werden und schließlich von allein dem Unternehmen den Rücken kehren. „In der Firma isoliert, vom privaten Umfeld für einen Spinner gehalten, konfrontiert mit immer neuen Gerichtsprozessen und bedroht vom finanziellen Ruin, knicken auch die härtesten Arbeitnehmervertreter irgendwann ein“, beschreiben Esser und Schröder die Logik hinter dem Mobbing.

Auch Beschäftigte, die im Unternehmen einen Betriebsrat gründen wollen, werden bisweilen Opfer der Branche. Das Pappe verarbeitende Unternehmen P-Well beispielsweise kündigte im März sechs Beschäftigten fristlos. Laut ver.di wollten sie im Werk Bad Bentheim einen Betriebrats gründen und hatten sich kritisch über die Arbeitsbedingungen geäußert. „Jeder, der sich aus der Deckung wagte, wurde dort sofort entlassen“, sagt Siegfried Heim, Tarifsekretär für Verlage, Druck und Papier bei ver.di. Die Strategie ist für ihn klar: „Den Arbeitnehmern soll deutlich gemacht werden, dass jeder, der sich für seine Rechte engagiert, seinen Arbeitsplatz riskiert.“ Die Gerichtsprozesse laufen noch.

Bei Erdal Savas hatte die Methode keinen Erfolg. „Ich habe das knallhart durchgezogen“, sagt er heute. „Sie haben mir auch eine Abfindung angeboten. Die habe ich abgelehnt.“ Am Betriebsrat vorbei hatte das Management der Plattenhardt KG im Januar 2011 Privatdetektive in den Betrieb eingeschleust. Angeblich um dem Verdacht nachzugehen, dass bestimmte Beschäftigte während der Arbeit Marihuana rauchen. Doch Hans-Martin Wischnath vom DGB Rechtsschutz, der Erdal Savas auch vor Gericht vertreten hat, zweifelt das an. Von Anfang an hätten die Detektive etwa auch die Pausenzeiten der Betriebsräte festgehalten: „Warum sollten sie das tun, wenn sie dafür gar keinen Auftrag hatten?“ Er kann sich daher vorstellen, dass die Detektive speziell auf den Betriebsrat angesetzt wurden.

Es wäre nicht der erste Fall. Immer mal wieder fühlen sich Betriebsräte an Stasi-Methoden erinnert: Detektive beschatten Arbeitnehmervertreter wochenlang, hören Telefone ab, befestigen Peilsender an Autos. Im schwäbischen Hattenhofen notierten als Mitarbeiter getarnte Detektive Gespräche der Betriebsräte. Doch ob ihre Protokolle Tatsachen spiegeln, ist mehr als zweifelhaft. In dem entsprechenden Kündigungsantrag werden die Schnüffler nicht einmal namentlich als Zeugen benannt. Von ihrer Glaubwürdigkeit konnte sich also niemand überzeugen. Zudem gelten für den Einsatz von Detektiven im Betrieb enge Grenzen, wie DGB-Rechtsschutz-Mann Wischnath erklärt. Zum einen müsse der Betriebsrat bei einem entsprechenden Verdacht einbezogen werden, zum anderen müssen sich die Detektive klar auf ihren Auftrag beschränken. Was sie darüber hinaus mitbekommen, darf vor Gericht eigentlich nicht verwendet werden.

Erdal Savas nahm all seinen Mut zusammen. „Das wollte ich mir einfach nicht bieten lassen“, sagt er. Er habe sich daher immer wieder selbst gut zugeredet, dass er schon eine andere Arbeit finden würde, sollte er den Prozess doch verlieren. Nur kampflos aufgeben, das wollte er auf keinen Fall. Am Ende hat er sich mithilfe der Gewerkschaft durchgesetzt, Rechtsanwalt Naujoks zog den Kürzeren: Im Februar 2012 nahm die Firma die Kündigung zurück, nachdem eine neue Unternehmensführung eingesetzt worden war. Erdal Savas ist bis heute der Betriebsratsvorsitzende der Plattenhardt KG.

Text: Andreas Kraft, Redakteur des Magazins Mitbestimmung / Foto: Cira Moro

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