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HANS 20/2022 Editorial Sebastian Dullien Service aktuell

Haushaltsentlastung: Endlich kommt die Gaspreisbremse!

Bei der Gaspreisbremse gibt es Nachbesserungsbedarf, damit keine soziale Schieflage durch sie entsteht - dies liegt nun jedoch in der Verantwortung der Politik, schreibt IMK-Direktor Sebastian Dullien.

[17.10.2022]

Die Gaspreisbremse für Deutschland kommt. Vergangene Woche hat die sogenannte „Gaskommission“ Vorschläge vorgelegt, wie Haushalte und Unternehmen angesichts der enorm gestiegenen Gaspreise entlastet werden können. Im Dezember soll eine monatliche Abschlagszahlung für Haushalte mit Gasheizung vom Staat übernommen werden. Ab März oder April bekommen die Haushalte auf Staatskosten dann einen Rabatt gutgeschrieben, der für 80 Prozent des geschätzten Verbrauchs den faktischen Preis für Erdgas auf 12 Cent pro Kilowattstunde (kWh) deckelt.

Für die Hans-Böckler-Stiftung und die Gewerkschaften ist das ein schöner Erfolg: In verschiedenen Varianten hatten der DGB und Einzelgewerkschaften in den vergangenen Monaten immer wieder einen solchen Markteingriff gefordert. Bereits im Februar hatten die Ökonomin Isabella Weber und ich einen ersten Vorschlag eines Gaspreisdeckels ausformuliert, der – wie der Kommissionsvorschlag jetzt – einen subventionierten Grundverbrauch an Erdgas vorsah, um so Haushalte zu entlasten und die Inflation zu dämpfen.

Wird der Kommissionsvorschlag so umgesetzt, übernimmt der Staat durch die Gaspreisbremse im Schnitt etwas mehr als 40 Prozent der Heizrechnung bei Haushalten mit Gasheizung. Dies ist ein großer Beitrag, um über den Winter Zahlungsausfälle und finanzielle Not bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein zu verhindern.

Es ist auch gesamtwirtschaftlich ein wichtiger Beitrag: Die Kaufkraft wird um 35 Milliarden Euro gestützt, was ein Prozent BIP-Wachstum ausmachen könnte, die Inflationsrate dürfte zwei Prozentpunkte niedriger ausfallen.

Zugegeben: Die Gaspreisbremse ist nicht perfekt. Die prozentuale Entlastung ist unabhängig vom Gasverbrauch und Einkommen, und gilt damit für Menschen in einer 60-Quadratmeter-Wohnung genauso wie für jene mit einem alten, schlecht isolierten Haus auf dem Land oder jenem mit einer großen Villa und deutlich höherem Verbrauch.

Die prozentuale Übernahme der Heizkosten basierend auf dem Vorjahresverbrauch durch den Staat bedeutet auch, dass Haushalte mit hohem Verbrauch in Euro gerechnet stärker entlastet werden als Haushalte mit niedrigem Verbrauch. Und während es auch bei Geringverdienern Haushalte mit hohem Gasverbrauch gibt, kommen solche Haushalte in den oberen Einkommensdezilen häufiger vor. Deshalb werden im Durchschnitt Haushalte mit hohen Einkommen in Euro gerechnet stärker entlastet als jene mit geringen Einkommen.

Dieses Problem zu lösen ist nicht einfach, weil die Versorger nicht wissen, ob hinter einem Anschluss eine Villa mit Privatschwimmbad oder ein Mehrfamilienhaus mit 10 Mietsparteien steckt.

Die Gaskommission hat diese Problematik erkannt und deshalb einen deutlichen Prüfauftrag an die Bundesregierung gegeben, wie man die Entlastung zumindest bei Haushalten mit extremem Energieverbrauch begrenzen kann. Eine im Kommissionsbericht genannte Möglichkeit wäre eine Höchstzahl an Kilowattstunden, die als Grundkontingent gutgeschrieben werden.

Die Regierung darf den Prüfauftrag zu Fördergrenzen für Wohlhabende mit sehr hohem Energieverbrauch jetzt nicht ignorieren, sonst droht am Ende eine soziale Schieflage der Entlastungen und Skandalisierungspotenzial durch Populisten. Hier ist jetzt die Regierung mit ihren Ministerialapparaten gefragt, bis zur Verabschiedung eines Gesetzes eine praktikable Lösung zu erarbeiten. Gelingt das nicht, wäre das ein Versagen der Regierung – nicht der Kommission.

Sebastian Dullien ist der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.

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