zurück
Systemrelevant Podcast 154 zu Migration und Ankunftsarbeit Service aktuell

Systemrelevant Podcast: Migration: Was sind Arbeitsfelder der Ankunft?

Juliane Dieterich und Christina Schildmann erläutern eine Studie zu Arbeitsfeldern der Ankunft, bei der Migration und sogenannte Ankunftsarbeit – wie etwa migrantisch geprägte Erwerbstätigkeiten – untersucht und deren Schwierigkeiten und Besonderheiten erforscht werden.

[27.07.2023]

Nicht die Arbeitsfelder der Zukunft sondern die der Ankunft sind Thema und Titel dieser Systemrelevant-Folge und einer Studie, die final im Herbst erscheinen wird. Die Berufspädagogin Dr. Juliane Dieterich von der Universität Kassel, die dort das Fachgebiet Berufspädagogik der Pflege- und Gesundheitsberufe leitet, kam auf diesen Begriff durch die Lektüre des Buchs „Die neue Völkerwanderung – Arrival City“ von Doug Saunders, bei dem es um die Entwicklung von großen Städten in China, Indien oder Südamerika unter den Bedingungen großer Migrationsbewegungen geht.

Ein Teilaspekt dabei ist die Entstehung von Berufen oder vielmehr Erwerbstätigkeiten, die es sonst eigentlich nicht gibt. Diese sogenannte Ankunftsarbeit diente dabei erst mal als ein neuer Arbeitsbegriff, aus dem im Anschluss die „Arbeitsfelder der Ankunft“ hervorgingen. Diesen Aspekt nahm das Team um Juliane Dieterich, die auch zur Qualifikation und Integration von Pflegefachkräften in Deutschland forscht, auf und stellte die Überlegung ihren Forschungen voran, ob es dieses Phänomen auch in Deutschland gibt.

Betrachtet werden bei der Studie drei Felder: Gastronomie, Reinigung und Pflege. Riesige Branchen, mit Millionen von Beschäftigten, die aber sehr schlecht erforscht sind und sich bisher eher im Schatten der Wissenschaft befunden haben. Interessant ist dabei beispielsweise, dass in der Pflegebranche seit etlichen Jahren viel über den Fachkräftemangel gesprochen wird und aus welchen Ländern Menschen angeworben werden könnten, aber wenig über Bleibestrategien. „Alle gucken auf die Anwerbung als großes Thema. Aber die Frage, wie kann man das Bleiben fördern, sollte auch viel stärker ins Zentrum gestellt werden“, beschreibt Christina Schildmann, die Leiterin unserer Forschungsförderung, ein großes Problem aus ihrer Sicht.

In der Folge geht es weiterhin darum, wo im Kontext Migration und Ankunftsarbeit der Unterschied zwischen Beruf und Erwerbstätigkeit besteht, die Perspektive der Migrant:innen (wieso etwa einige von ihnen beispielsweise denken, dass Qualifikation und Ausbildung nur was für Deutsche wäre), was es mit „Subjektiver Gewerkschaftsferne“ und informellen Arbeitsmärkten auf sich hat oder auch, wie ausgeprägt die Diskriminierungserfahrungen von migrierten Pflegekräften sind.

Dr. Irene Becker hat in ihrer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie ein angemessen hohes soziokulturelles Existenzminimum berechnet und festgestellt, dass das Niveau der Kindergrundsicherung je nach Alter der Kinder um 6 bis 30 Prozent höher sein müsste als nach der gesetzlichen Bedarfsermittlung.

Beckers Reformvorschlag sieht vor, die Konsumausgaben der gesellschaftlichen Mitte als Bezugspunkt zu nehmen. So wäre es nach Analyse der Armutsexpertin etwa plausibel, soziokulturelle Teilhabe als gerade noch gegeben zu definieren, wenn Haushalte bei den Ausgaben für Grundbedürfnisse wie Ernährung, Bekleidung und Wohnen nicht mehr als 25 Prozent und bei sonstigen Bedürfnissen nicht mehr als 40 Prozent von der Mitte nach unten abweichen. Damit lebt die Referenzgruppe zwar deutlich unter der gesellschaftlichen Mitte, hätte aber noch mehr Teilhabemöglichkeiten als bei der bisherigen Berechnung, die den Kindern und damit letztlich der gesamten Gesellschaft schadet.

Moderation: Marco Herack

Weitere Informationen

Teilstudie zur Reinigungsbranche aus dem Projekt „Arbeitsfelder der Ankunft“

Forschungsverbund: Migration, Partizipation, Integration in der Arbeitswelt. Mehr zur gesamten Studie dann hier.

Alle Informationen zum Podcast

In Systemrelevant analysieren führende Wissenschaftler:innen der Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit Moderator Marco Herack, was Politik und Wirtschaft bewegt: makroökonomische Zusammenhänge, ökologische und soziale Herausforderungen und die Bedingungen einer gerechten und mitbestimmten Arbeitswelt – klar verständlich und immer am Puls der politischen Debatten.

Alle Folgen in der Übersicht

Systemrelevant hören / abonnieren:

Sebastian Dullien auf X
Johanna Wenckebach auf X
Bettina Kohlrausch auf X
Daniel Hay / I.M.U. auf X
Christina Schildmann

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen