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Magazin Mitbestimmung

: INTERVIEW 'Viele Stressquellen kann man beseitigen'

Ausgabe 04/2009

Architektin Silke Stadler über Tücken der Büroplanung, die Probleme von Großraumbüros und den Zusammenhang von Status und Arbeitsplatz

Das Gespräch führte MICHAEL SCHWEIZER, Journalist in München.

Frau Stadler, in was für einem Büro arbeiten Sie?
Als Freiberuflerin, die sich von Projekt zu Projekt mit geschätzten Kollegen zusammentut, sitze ich in einem kleineren Büro, in dem ich mich sehr gut konzentrieren kann. Das häufigste Büro in Deutschland ist übrigens nach wie vor das Zellenbüro mit einem oder wenigen Arbeitsplätzen.

Viele Unternehmen setzen auf Großraumbüros. Warum?
Zum einen wollen sie sparen. In Großraumbüros kann man auf gleicher Fläche mehr Mitarbeiter unterbringen. Das senkt Bau-, Miet- und Heizkosten in einem Ausmaß, das für große Unternehmen interessant ist. Wenn die Arbeitsplätze im Großraumbüro alle gleich geschnitten sind, kann man außerdem die Einrichtung besser standardisieren als in unterschiedlich großen Zellenbüros.

Versprechen sich die Firmen auch mehr Effizienz?
Wer auf Großraumbüros setzt, hofft tatsächlich, dass Mitarbeiter häufiger und schneller zusammenarbeiten, wenn sie im gleichen Raum untergebracht sind. Großfirmen nehmen Um- und Neubauten zum Anlass, solche Konzepte einzuführen oder auszubauen.

Erfüllt sich diese Hoffnung?
Nicht automatisch. Ich habe einige Computerunternehmen untersucht, in denen die Mehrzahl der Mitarbeiter in Großraumbüros mit 12 bis 40 Kollegen untergebracht ist. Teilweise hatten sie vorher in kleinen Büros gearbeitet, teilweise kamen sie aus anderen Großraumbüros. Zum Zeitpunkt meiner Studie lag der Wechsel in die neuen Büros für die einzelnen Beschäftigten zwei bis 36 Monate zurück. Etwa 75 bis 81 Prozent der Mitarbeiter waren der Ansicht, die Arbeitseffizienz sei seit dem Umzug gleich geblieben oder sogar schlechter geworden. Gleiches gilt für die Arbeitsabläufe. Eine große Mehrheit - 69 und 80 Prozent - hielt sie für unverändert oder sogar für schlechter als vorher.

Was ist die Ursache für diese ernüchternden Zahlen?
Die Planer tun oft nicht genug, Stressquellen zu beseitigen. In den Großraumbüros, die ich untersucht habe, klagen mehr als drei Viertel der Beschäftigten über Lärm und Ablenkungen, zum Beispiel durch telefonierende oder umhergehende Kollegen. Die Ergebnisse aus den verschiedenen Unternehmen liegen so nahe beieinander, dass sie wohl den Normalzustand in Großraumbüros widerspiegeln.

Kann man solche Belastungen vermeiden?
Ja. Viele Störungsquellen hätte man durch bessere Planung verhindern oder reduzieren können. Zugluft, schlechtes Licht und unzureichend schallgedämmte Besprechungsräume müssen nicht sein. Auch die Anordnung der Arbeitsplätze ist wichtig.

Können Sie ein Beispiel nennen?
In einem Unternehmen, das ich besucht habe, liegen einige Arbeitsplätze direkt auf dem Weg zu den Toiletten. Wer da sitzt, wird ständig von höflichen Kollegen gegrüßt und muss den ganzen Tag zurückgrüßen. Mehr als in einem kleineren Büro muss man im Großraumbüro darauf achten, welche Wege man einschlägt und wo man reden darf. In den Unternehmen, die ich untersucht habe, wurden die Mitarbeiter darauf nicht vorbereitet.

Empfinden Mitarbeiter es als Statusverlust, in ein Großraumbüro zu ziehen?
In deutsch geprägten Unternehmenskulturen werden Statuskämpfe tatsächlich manchmal über das Zimmer ausgetragen. Mit einem Aufstieg verbindet man hierzulande oft den Wechsel vom Großraum- zum Einzelbüro. Bei amerikanisch geprägten Unternehmen ist das zum Teil anders. Da gibt es auch den Fall, dass die amerikanische Konzernzentrale vorschreibt, dass die Vorgesetzten mit im Großraumbüro sitzen.

Vielleicht auch, damit sich die Mitarbeiter gegenseitig kontrollieren?
Darüber hat sich bei meinen Untersuchungen kein einziger Mitarbeiter beklagt. In einem Fall aber äußerten Betriebsräte den Verdacht, die Geschäftsführung habe Großraumbüros mit eher schlechten Arbeitsbedingungen eingeführt, weil sie Mitarbeiter loswerden wolle.

Wie unterscheiden sich neue, intelligente Planungen von älteren Konzepten?
Die Unternehmen versuchen, aus früheren Fehlern zu lernen. Sie statten die neuen Büros mit Denkerzellen, Meeting-Räumen und Kaffee-Ecken aus. Das Wort Großraumbüro ist übrigens offiziell längst tabu. Man spricht jetzt von Open Space.

Was ist mit dem Trend zum Desk-sharing, bei dem es keine festen Arbeitsplätze mehr gibt?
Diesen Trend gibt es vor allem in der Literatur. In den meisten Großunternehmen, die ich kenne, sind 80 oder 90 Prozent der Arbeitsplätze fest zugeordnet. Eine Firma, die tatsächlich radikales Desk sharing praktiziert, ist der Softwarehersteller Sun Microsystems. Dort hat niemand, auch nicht die Manager, einen festen Schreibtisch. Alle müssen ihren Arbeitsplatz nach Bedarf buchen.

Was sagt denn der Betriebsrat dazu?
Er berichtet, dass die Mitarbeiter damit sehr zufrieden sind. Sehr skeptisch beurteilen die Betriebsräte allerdings Suns Konzept für mehr Heimarbeit. Ein Programm namens iWork zielt darauf ab, dass Mitarbeiter viel mehr als jetzt an einem Arbeitsplatz tätig sind, den ihnen Sun zu Hause einrichtet. Der Betriebsrat befürchtet, dass die Leute dann am Wohnzimmertisch arbeiten statt in der Firma, wo die Arbeitsstättenverordnung greift. Auch der Support bei Computerproblemen könnte sich bei der Heimarbeit schwieriger gestalten.

Ist es die Regel, dass der Betriebsrat einbezogen wird?
Nein. In vielen Unternehmen wird er nicht in die Büroplanung einbezogen. Aber die Arbeitnehmer sollten sich im eigenen Interesse einmischen. Man kann lange darüber streiten, ob Großraumbüros sinnvoll sind. Aber dass es bessere und schlechtere gibt, ist ganz sicher.

Sind die Betriebsräte darauf vorbereitet?
Manche konnten den Sachverstand noch nicht aufbauen, weil sie viele andere Sorgen hatten. Oder sie halten das Problem nicht für so dringlich, weil Bürojobs als eher angenehm gelten, verglichen mit der Produktion.

 

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