zurück
Magazin Mitbestimmung

Von MICHAELA NAMUTH: Interessante Analyse der globalen Produktion

Ausgabe 12/2017

Rezension Werke deutscher Hersteller in Osteuropa und China sind längst nicht mehr nur verlängerte Werkbänke. Sie schließen auf zur Qualitätsproduktion und spielen eine Rolle bei der Markterschließung, wie ein Buch zeigt, das auf einem internationalen Forschungsprojekt der Hans-Böckler-Stiftung basiert.

Von MICHAELA NAMUTH

Billigproduktion und Lohndumping – das sind gängige Begriffe, um die Ziele der Auslagerung deutscher Unternehmen ins Ausland zu beschreiben. So war es zumindest bis jetzt. Nun sollten wir umdenken, vor allem wenn es um die Länder Mittelosteuropas und um China geht.

Seit einigen Jahren ist ein Netz globaler Qualitätsproduktion im Entstehen, in dem die ausländischen Betriebe nicht mehr automatisch am Ende der Herstellungskette stehen. Sie werden Teil eines Prozesses, der zum Ziel hat, bestimmte Produkte an neue Märkte anzupassen. Die Konsequenzen für die deutschen Betriebe und ihre Belegschaften sind einschneidend, aber nicht zwingend negativ, wenn es Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern gelingt, die neue Lage zu erkennen und zu nutzen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie zur “Globalen Qualitätsproduktion”, die in diesem Buch zusammengefasst wurde und auf einem Forschungsprojekt basiert, das die Hans-Böckler-Stiftung gefördert hat. Projektleiter waren der Politikwissenschaftler Gary Herrigel, Professor an der University of Chicago und Volker Wittke, 2012 verstorbener Direktor des SOFI Göttingen und Ulrich Voßkamp, wissenschaftler Mitarbeiter am SOFI.

Die Studie basiert auf Recherchen entlang der Wertschöpfungskette von acht deutschen Maschinenbauunternehmen und sieben Autozulieferern. Die Autoren sprachen mit Managern, Betriebsräten, Technikern und Experten in Deutschland, Polen, Ungarn, der Tschechischen Republik und China. Das Ergebnis ist eine interessante Analyse der Produktion im globalisierten Kapitalismus.

Mittelosteuropa schließt bei Qualitätsproduktion auf

Aufgrund der Recherchen in Mittelosteuropa kommen die Autoren zu dem Ergebnis, “dass östliche Standorte zunehmend die subalterne Rolle in den Wertschöpfungsketten deutscher Unternehmen abstreifen”. Mehr und mehr nutzen die Hersteller die Standorte zu Qualitätsproduktion für anspruchsvolle europäische Märkte oder für den Export in andere Hochlohnländer. Technische Ausstattung und Qualifizierung der Beschäftigten schließen häufig zu westlichen Standards auf.

Im Vergleich zu dieser eher linearen Entwicklung stellt sich die Lage in China komplexer dar. Das Land gilt nach wie vor als “Werkbank der Welt” und absolutes Niedriglohnland. Andererseits gewinnt die Qualitätsproduktion auch in den chinesischen Fabriken an Boden. Für deutsche Hersteller sind ihre Niederlassungen ein Brückenkopf zur Eroberung des chinesischen Wachstumsmarktes. Dieser chinesische Markt will aber mit spezifischen Produkten versorgt werden, was, so die Studie, nur im Wechselverhältnis eines globalen Produktionsnetzes gelingt. Hier müsse, wie auch bei den mittelosteuropäischen Standorten, eine neue Balance zwischen dem deutschen Hauptwerk und den ausländischen Niederlassungen gefunden werden, und zwar durch einen wechselseitigen Austausch von Kompetenzen.

Kann Mitbestimmung den globalen Produktionsprozess mitgestalten?

Genau an diesem Punkt verorten die Autoren die Chance für eine neue gewerkschaftliche Betriebspolitik. Wenn es um eine Neupositionierung der Standorte und den Transfer von Kompetenzen geht, können die deutschen Gewerkschaften mit traditionellen Instrumenten Einfluss auf Arbeitsgestaltung, Beschäftigung und Qualifikation nehmen. Durch die Mitbestimmung haben sie im internationalen Vergleich eine starke Position bezüglich der Informationen über Unternehmensstrategien.

Allerdings benötigen die Gewerkschaften auch eine stärkere Verankerung bei jenen Beschäftigungsgruppen, die an diesen globalen Wandlungsprozessen und Produktionsnetzwerken vor allem beteiligt sind: Angestellte und Techniker. Und hier liege, so das Fazit, eine der großen Herausforderungen für die Gewerkschaften, um in Zukunft an der Gestaltung von globalen Produktionsnetzwerken beteiligt zu sein.

Gary Herrigel, Ulrich Voskamp, Volker Wittke: Globale Qualitätsproduktion: Transnationale Produktionssysteme in der Automobilzulieferindustrie und im Maschinenbau. Frankfurt a. M./New York, Campus Verlag 2017. 250 Seiten, 39,95 Euro.

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen