Schuldenbremse: Nach der Reform ist vor der Reform
Mehr Spielraum für Investitionen? Eine Kommission aus 12 Expertinnen und Experten soll konkrete Vorschläge zur Reform und Modernisierung der Schuldenregel im Grundgesetz erarbeiten. IMK-Direktor Sebastian Dullien ist Teil dieses Gremiums.
[15.09.2025]
Am 11. September hat die Expertenkommission zur Reform der Schuldenbremse ihre Arbeit aufgenommen. Ich freue mich, dass Bundesfinanzminister Lars Klingbeil mich zum Mitglied dieser Kommission benannt hat und ich nun mit 11 anderen Expertinnen und Experten einen Vorschlag für eine Reform der Schuldenbremse erarbeiten darf.
Man könnte sich fragen: Warum schon wieder eine Reform der Schuldenbremse? Wurden nicht gerade erst im März die entsprechenden Regeln im Grundgesetz geändert?
Tatsächlich wurde im März unmittelbar vor Wahl der neuen Bundesregierung unter anderem eine so genannte Bereichsausnahme für die Verteidigung geschaffen, nach der die Bundesregierung Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Zukunft kreditfinanzieren darf. Außerdem wurde ein Sondervermögen mit Kreditermächtigungen in Höhe von 500 Milliarden Euro eingerichtet, mit denen Investitionen und Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden dürfen.
Diese Änderungen waren eine schnelle Reaktion auf die verschobene Sicherheitslage Deutschlands nach der erneuten Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und dem anhaltenden Krieg in der Ukraine, ebenso wie auf die lange gereifte Erkenntnis, dass Deutschland eine enorme Investitionslücke hat, die man wegen der bisherigen Schuldenbremse nicht schnell schließen konnte.
Allerdings ist das Ergebnis der Ad-Hoc-Reformen nichts, was langfristig für die deutsche Wirtschaft sinnvoll und gut wäre. Zum einen erlaubt die Bereichsausnahme für die Verteidigungsausgaben eine Kreditaufnahme, die die deutsche Schuldenquote perspektivisch auf über 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen lassen würde. Gleichzeitig sind kreditfinanzierte Investitionen nach dem Ausschöpfen des Sondervermögens erneut nur in geringem Maß möglich.
Wie wichtig öffentliche Investitionen für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland sind, zeigen dabei nicht nur gängige Konjunkturprognosen, sondern immer wieder auch Simulationen des IMK. Die aktuellen Konjunkturprognosen nicht nur des IMK, sondern auch von anderen Instituten, rechnen dank der aus dem Sondervermögen finanzierten öffentlichen Investitionen 2026 und 2027 wieder mit Wachstumsraten von spürbar mehr als einem Prozent. Eine Simulation aus dem IMK zeigt, dass ein kreditfinanziertes Investitionspaket im Umfang von 600 Milliarden Euro das Bruttoinlandsprodukt bis Mitte der 2040er Jahre um drei bis sechs Prozent erhöhen würde. Die Schuldenquote würde nur vorübergehend steigen und dann wegen der positiven Wachstumseffekte und steigenden Steuereinnahmen wieder fallen.
Besser wäre für das Land deshalb ein Regelwerk, das auf der einen Seite weniger großzügige Schulden für Verteidigungsausgaben erlaubt, zugleich aber dauerhaft Spielräume für Investitionen schafft. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Kommission auf einen solchen Kompromiss einigen kann.
Prof. Dr. Sebastian Dullien ist der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.
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Kommission zur Modernisierung der Schuldenregel nimmt Arbeit auf
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