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Anderson Paak Cover 'Lockdown' Magazin Mitbestimmung

Politisches Lied: Fürs Töten ist immer Zeit

Ausgabe 06/2020

Anderson Paak schreibt mit seinem Song "Lockdown" den Soundtrack zu den Black Lives Matter Protesten.

You should’ve been downtown 
The people are risin’
We thought it was a lockdown
They opened the fire
Them bullets was flyin’
Who said it was a lockdown Goddamn lie!

Am 25. Mai 2020 nehmen vier Polizeibeamte in Minneapolis den 46-jährigen Afroamerikaner George Floyd fest. Der Kassierer eines Ladens hat die Polizei gerufen und angegeben, Floyd habe mit einem falschen 20-Dollar-Schein einkaufen wollen. Einer der Beamten kniet acht Minuten lang auf Floyds Hals und drückt ihm die Luft ab. Eine Passantin hat seinen Todeskampf dokumentiert: sein Flehen, den gleichgültigen Blick des Polizisten, die Bitten der Zeugen, er solle von dem Mann ablassen. Über 20 Mal presst Floyd hervor: „I can’t breathe“­ – ich kriege keine Luft. Der Mann stirbt am gleichen Abend im Krankenhaus.

In Minneapolis und im ganzen Land ziehen Menschen, vor allem Schwarze, auf die Straße, um gegen die Polizeigewalt zu protestieren. Eine über viele Jahre aufgestaute Wut entlädt sich, in manchen Fällen auch in Ausschreitungen. „I can’t breathe“­ steht auf den Plakaten und „Black Lives Matter“ – die Leben von Schwarzen zählen. Rund um den Globus finden aus Solidarität Demonstrationen statt.

Die Proteste fallen mitten in die Zeit der Covid-19-Pandemie. Die USA haben längst Italien als das Land mit der höchsten Infektionszahl abgelöst. Rund 1,7 Millionen Infi­zierte und über 100 000 Tote zählen die USA Ende Mai. Afroamerikaner sind überproportional betroffen. US-Präsident Donald Trump betreibt eine irrlichternde Politik und droht Gouverneuren, die Maßnahmen zum Schutz ihrer Bürger verordnen.

Der aus einer afroamerikanisch-koreanischen Familie stammende Sänger, Rapper und Schlagzeuger Anderson Paak schließt sich den Protestmärschen an. Der Künstler, der zwischen den Genres R&B, Hiphop und Soul, arbeitet, sitzt gerade an einem neuen Song, der schon fast fertig ist, als er innehält und einen neuen Text schreibt: „Time heals all/but you’re out of time now“ – die Zeit heilt alle Wunden, doch die Zeit läuft nun ab.

„Ich habe gemerkt, dass das Problembewusstsein zunimmt“, erklärt er in einem Interview. „Die Leute lassen sich nicht mehr vormachen, alles sei okay. Es ist einfach so offensichtlich. Sie haben genug!“ Den Song „Lockdown“ veröffentlicht Paak dreieinhalb Wochen nach George Floyds gewaltsamem Tod. Paak singt über die Proteste und über Covid, über Arbeitslosigkeit und die Polizei, die mit Gummigeschossen und Tränengas gegen die Demonstranten vorgeht. Während die große Mehrheit friedlich demonstriert, nehmen Ausschreitungen und Plünderungen in der Berichterstattung einen großen Raum ein. Paak zeigt, wie bequem und einseitig das ist: „Stayin’ quiet when they killin’ niggas, but you speak loud/When we riot, got opinions from a place of privilege“. – Du bleibst stumm, wenn Schwarze ermordet werden, doch du erhebst deine Stimme/wenn wir randalieren. Deine Meinung zeigt, wie gut du es hast. 

Aus dem Song „Lockdown“ spricht die Hoffnung, dass nun endlich über den Rassismus und die Brutalität gesprochen wird, unter denen Afroamerikaner seit Langem leiden. Der Refrain, den Anderson Paak textet, gibt wie in einem Brennglas die ganze Zerrissenheit der Lage wieder: „Du hättest in der Stadt sein müssen/die Menschen lehnen sich auf/wir dachten, es wäre Lockdown/sie haben auf uns geschossen“. Für das Töten, so Paaks Botschaft, ist in den USA immer noch Zeit, trotz Lockdown. 

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