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Martin Albers, Gesamtbetriebsratsvorsitzender und Thomas Wessel, Personalvorstand, Evonik Magazin Mitbestimmung

Betriebsrätepreis: Die Pandemie als Katalysator

Ausgabe 06/2022

Die Entwicklung lässt sich nicht mehr zurückdrehen: Mobile Arbeit nimmt seit der Pandemie zu, muss aber möglichst schnell in einen Rahmen gegossen werden. Das Chemieunternehmen Evonik reagierte in kurzer Zeit, für den Betriebsrat gab es dafür beim Betriebsrätepreis 2022 einen Sonderpreis in der Kategorie „Mobiles Arbeiten“. Von Maren Knödl

Homeoffice und Mobile Arbeit galten in vielen Diskussionen um neue Arbeitsformen eher als Modethemen. Dann kam die Coronapandemie. Und viele Unternehmen wurden durch ihre Folgen gezwungen, diese These zu überdenken. Ein Viertel aller Erwerbstätigen arbeitete 2021 im Homeoffice, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt. Bei dem Chemieunternehmen Evonik waren es zeitweise 50 Prozent. Die Entwicklung macht neue Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer notwendig. Diese schafft Evonik in seiner Gesamtbetriebsratsvereinbarung (GBV) #SmartWork, die der Gesamtbetriebsrat (GBR) mit dem Unternehmen abgeschlossen hat.

Denn gesetzlich ist die Mobile Arbeit in Deutschland bisher nicht einheitlich geregelt. Arbeitsminister Hubertus Heil hat Anfang des Jahres einen überarbeiteten Entwurf für ein Mobile-Arbeit-Gesetz vorgelegt. Beschlossen ist bisher aber nichts. Also müssen Unternehmen ihre eigenen Regelungen festlegen, um Dinge wie Arbeitszeiterfassung oder den Arbeitsschutz zu regeln. Evonik geht mit seiner GBV mit gutem Beispiel voran. Der GBR sieht hier eine wichtige Möglichkeit, die Mitbestimmung im Kontext der „Industrie 4.0“ voranzutreiben. So sieht es Martin Albers, Gesamtbetriebsratsvorsitzender bei Evonik. „Uns war es wichtig, gute Rahmenbedingungen für Mobiles Arbeiten zu schaffen, die Pandemie wirkte daher vor allem in unserer Branche wie ein Katalysator“, sagt er. 

Besonders ein Teil Führungskräfte hätte sich zu Beginn schwergetan, die Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern in einen virtuellen Raum zu verlegen. „Sie fürchteten die Erreichbarkeit und auch die Überprüfbarkeit der Arbeitsergebnisse könnte darunter leiden“, erzählt Martin Albers von einigen der ersten Reaktionen auf die Arbeit im Homeoffice, die bei Evonik auch schon vor der Pandemie ein Thema war. 

Evonik verschaffte sich zunächst in einer Pilotstudie einen Überblick über die Erfahrungen der Beschäftigten: Rund 2000 Menschen aus 13 verschiedenen Arbeitsteams weltweit berichteten über virtuelle und mobile Zusammenarbeit im beruflichen Alltag. „Sowohl befragte Vorgesetzte als auch Beschäftigte weltweit bewerteten die Produktivität der Teams als gleich oder sogar höher. Basierend auf unserer Pilotstudie haben wir gesehen, dass die meisten Beschäftigten in Deutschland die maximal möglichen 50 Prozent an mobiler Arbeitszeit nutzen wollen“, sagt Thomas Wessel, Personalvorstand und Arbeitsdirektor bei Evonik und verantwortlich für die Ergebnisse des Arbeitskreises aus GBR und Unternehmensvertretern, der die Vereinbarung entwickelt hat. 

Die gemeinsame Absprache zwischen Vorgesetztem und Beschäftigtem sei der erste Schritt für die praktische Ausgestaltung der Vereinbarung gewesen. Beide Seiten hatten bei den Verhandlungen der GBV #SmartWork zudem neben dem Gesundheitsschutz auch die Unterstützung der Belegschaft in puncto ergonomische und technische Ausstattung des heimischen Arbeitsplatzes im Blick.

Und auch möglichen Vorbehalten und Konflikten soll die Vereinbarung entgegenwirken. „Vor allem setzen wir weiterhin auf die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmern in den Teams.“ Sollte es zu Konflikten kommen, die nicht eigenständig gelöst werden können, ist für die Beteiligten ein sogenanntes „Eskalationsgremium“ vorgesehen. Dort werden sie dann bei einer sachlichen Analyse und Lösung unterstützt. Das Gremium besteht paritätisch aus Vertretern der Mitbestimmung und des Unternehmens des jeweiligen Standorts. 

Schnell und effektiv

Das Spezialchemieunternehmen und sein Gesamtbetriebsrat haben mit ihrer GBV relativ schnell auf die notwendigen Entwicklungen in ihrer Arbeitsweise reagiert. „Durch die Pandemie waren diese Veränderungen alternativlos“, sagt Martin Albers. „So haben wir auch kulturell im Unternehmen neue Erfahrungen gemacht. Ohne viel Vorlaufzeit mussten wir aus der direkten Erfahrung einen kollektiven Rahmen und das Vorgehen ableiten.“ 

Die Arbeit zwischen Gesamtbetriebsrat und Unternehmensvertretung sei dabei sehr harmonisch und effektiv gewesen, beteuern beide Seiten. „Unsere Beschäftigten schätzen die Möglichkeit der hybriden Arbeit sehr“, so Thomas Wessel. „Die digitalen Arbeitswelten bei uns haben sich in vielen Bereichen merklich entwickelt, und es gibt auch deutlich weniger Aufwand für Berufspendler und durch Dienstreisen.“ 
 

Weitere Informationen:

Auf unserer Übersichtseite Deutscher Betriebsrätetag

Der Deutsche Betriebsräte-Preis ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ des Bund-Verlags. Die Hans-Böckler-Stiftung ist Kooperationspartnerin. Mit dem Preis werden seit 2009 alljährlich Praxis-Beispiele vorbildlicher Betriebsratsarbeit ausgezeichnet. In diesem Jahr wurde der Preis am 10. November auf dem Deutschen Betriebsräte-Tag in Bonn verliehen. Von mehr als 60 Bewerbungen waren 12 Projekte nominiert worden. 

www.deutscher-betriebsraete-preis.de

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