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Hildegard Müller, VDA Magazin Mitbestimmung

Pro & Contra: Brauchen wir ein zeitlich begrenztes Tempolimit?

Ausgabe 04/2022

Ja - sagt Stefan Heimlich, Vorsitzender des Auto Clubs Europa (ACE) e.V. Nein - sagt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobil­ industrie (VDA)

Stefan Heimlich, Vorsitzender des Auto Clubs Europa (ACE): Ja. Ein befristetes Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen lässt sich schnell umsetzen, um Energie zu sparen, den Geldfluss nach Russland zu reduzieren und so den Menschen in der Ukraine zu helfen. Aus dem Stand und unbürokratisch könnte so ein wichtiger Beitrag zur Drosselung des Ölverbrauchs geleistet werden. Geringere Nachfrage würde weniger Importe aus Russland bedeuten. Jeder nicht verbrauchte Liter Sprit leistet einen Beitrag, den Devisenfluss in Russlands Kriegskasse zu vermindern. 

Nach Angaben des Umweltbundesamtes lassen sich so, selbst wenn sich nicht jeder an das Tempolimit halten würde, rund 133 Millionen Liter fossilen Kraftstoffs pro Monat einsparen. Das entspricht rund drei Prozent des im Verkehrssektor verbrauchten Kraftstoffs. Wie klein ist dieses Opfer im Vergleich zu den Opfern, die die Menschen in der Ukraine gerade erbringen müssen? Ihnen gehört unsere ganze Solidarität. Das sieht auch die Mehrheit der Bevölkerung so, wie eine Befragung von infratest dimap zeigt.

Wenn kein russisches Öl mehr importiert wird, ist ein temporäres Tempolimit von 100 Stundenkilometern nicht mehr notwendig. Allerdings spricht sich der Auto Club Europa bereits seit 2019 als erster deutscher Autoclub für ein dauerhaftes Tempolimit von 130 Kilometern auf Autobahnen aus.

Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobil­ industrie (VDA): Nein. Die Debatte um ein Tempolimit wird meist emotional und wenig faktenbasiert geführt. Deutschland hat bereits auf mehr als 96 Prozent der Straßen ein Tempolimit. Es gilt auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen. Auf Autobahnen sind 30 Prozent des Netzes dauerhaft oder zeitweise tempobegrenzt. Autobahnen sind die sichersten Straßen. Sie sind sogar sicherer als solche in einigen Ländern mit generellem Tempolimit.  Rund 2,6 Millionen Tonnen CO2 würden laut Umweltbundesamt durch ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern eingespart – das sind gerade einmal 0,3 Prozent des deutschen Treibhausgasausstoßes. Umfragen zeigen, dass schon jetzt eigenverantwortlich langsamer gefahren wird. Der Effekt wäre also noch geringer.

Autobahnabschnitte mit erhöhtem Unfallrisiko, hohem Verkehrsaufkommen, Baustellen oder das Fahren bei schlechter Witterung sollten einem Tempolimit unterliegen. Wir brauchen aber kein generelles starres Tempolimit auf freien Strecken. Wir sollten stattdessen die Chancen der Digitalisierung nutzen. Eine situationsangepasste Geschwindigkeitsregulierung ist die Zukunft.  Digital statt analog. Eigenverantwortung statt Verbote. Nur so gibt es den gesellschaftlichen Rückhalt, der die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Transformationen ist. 

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