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Porträtbild von Helene Langbein, Referentin für Arbeitsrecht des Hugo Sinzheimer Instituts Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: „Weniger Bürokratie darf nicht zulasten von Menschenrechten gehen“

Ausgabe 04/2025

Helene Langbein kritisiert die geplante Streichung des Lieferkettengesetzes.

Das Lieferkettengesetz stand von Beginn an in der Kritik. Menschenrechtsorganisationen geht das Gesetz nicht weit genug. Aus ihrer Sicht bietet es keinen effektiven Schutz vor Menschenrechtsverletzungen. Arbeitgeber kritisierten das Gesetz als zu große Belastung der Unternehmen und unnötige Bürokratie. Nach dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 mit mehr als 1200 Toten und dem Brand ebenfalls in einer Textilfabrik in Karatschi 2012 waren die Rufe nach Verantwortung der Unternehmen für ihre Lieferketten lauter geworden. Nachdem sich ein freiwilliger Ansatz zur Überprüfung der Lieferketten als wirkungslos erwiesen hatte, führte Deutschland 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG, ein. Die Europäische Union griff in der 2024 verabschiedeten europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) die Pflichten aus dem LkSG auf und baute sie weiter aus. So wurde die Haftung deutlich erweitert und die Durchsetzung effektiver gestaltet.

Seitdem stand das Lieferkettengesetz aus nahezu allen politischen Richtungen noch stärker unter Beschuss. Für die Wirtschaft sei es wichtig, den Unternehmen Bürokratie abzunehmen, statt sie noch weiter mit Sorgfalts- und Berichtspflichten zu überhäufen, hieß es von allen Seiten. Der Koalitionsvertrag sieht nun vor, das LkSG abzuschaffen und die Richtlinie nur auf minimalem Niveau umzusetzen. Im Februar schlug die Europäische Kommission außerdem ein Omnibus-Paket zum Bürokratieabbau vor, das die CSDDD stark verwässern und jeglichen Fortschritt im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz eliminieren würde.

Bürokratieabbau ist wünschenswert und sollte grundsätzlich auch unterstützt werden. Tatsächlich sind verschiedene Arten von Berichtspflichten, wie es sie auch in der Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung gibt, für Unternehmen unübersichtlich und umständlich. Teilweise muss ein und dasselbe Thema in verschiedenen Berichten gleichzeitig bearbeitet werden. Es ist daher durchaus sinnvoll, verschiedene Berichtspflichten zusammenzulegen, wie es das Omnibus-Paket vorschlägt.

Die Rückkehr zur im Hinblick auf den Schutz von Menschenrechten unbefriedigenden Situation vor 2023 ist nicht nachvollziehbar. Zumal die Unternehmen bereits in die Umsetzung der Sorgfaltspflichten, unter anderem in Monitoring-Programme und Schulungen der Beschäftigten, investiert haben. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund kontraproduktiv, dass die europäische Lieferkettenrichtlinie in absehbarer Zeit den Unternehmen wieder grundsätzlich die gleichen Pflichten auferlegen wird. Mitbestimmungsakteuren geben LkSG und CSDDD Möglichkeiten, die Lieferkette ihrer Unternehmen zu verstehen und Einfluss auf Nachhaltigkeitsaspekte zu nehmen.

Reingard Zimmer, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, betrachtet die Lieferkettengesetzgebung aus der Mitbestimmungspraxis und hat dazu ein zweites Gutachten verfasst, das in der HSI-Schriftenreihe erschienen ist. (PDF zum kostenlosen Download). Darin hat sie die geplanten Änderungen durch die europäische Richtlinie einbezogen und die bisherige Umsetzung des LkSG ausgewertet.

Ihre Bilanz: Das deutsche Gesetz löst nicht jedes Problem der Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten. Es ist aber ein wirksames Werkzeug, um Verletzungen der Menschenrechte zu überwachen und Risiken zu minimieren. Schlankere Berichtspflichten dürfen nicht zulasten der Einhaltung der Menschenrechte in Lieferketten gehen.


HELENE LANGBEIN arbeitet am Hugo Sinzheimer Institut als wissenschaftliche Referentin für Arbeitsrecht.

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