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Das Bild zeigt Ernesto Klengel Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Soziale Dimension des ökologischen Umbaus scheitert nicht am Beihilferecht

Ausgabe 05/2025

Ernesto Klengel über den Vorschlag, Subventionen an gute Arbeitsbedingungen zu knüpfen

Die Summen stoßen in eine neue Dimension vor: Zwölf Milliarden Euro an Unterstützung bewilligte der deutsche Staat für den Bau der neuen Chipfabrik des Herstellers Intel. Auch wenn das Projekt kürzlich geplatzt ist, auch an Stahlwerke, Batteriefabriken und Werften gehen derzeit beträchtliche Förderungen. Im Zuge der Krisenbewältigung, der Förderung des Wirtschaftswachstums und von Transformationsvorhaben übernimmt der Staat wieder eine aktive Rolle. Das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen des Bundes dürfte diese E§ntwicklung weiter forcieren.

Doch wie wirken sich staatliche Beihilfen dieser Größenordnung auf die Arbeitsbedingungen aus? Darüber wurde bislang kaum öffentlich diskutiert. Windräder, Chipfabriken oder klimafreundliche Infrastruktur werden
nicht von Haushaltsmitteln gebaut, sondern von Menschen. Um es auf den Punkt zu bringen: Heute werden die Weichen dafür gestellt, ob auch in neuen Sektoren der Wirtschaft soziale Grundsätze gelten – etwa faire
Entlohnung, Tarifverträge und Mitbestimmung. Unternehmen wie Tesla sind bekannt für ihre Geringschätzung des Arbeitsrechts und umschiffen es, wo möglich.

Dabei ist klar: Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechte sind Ausdruck der Werte unserer Gesellschaft. Die Tarifautonomie ist ein Gut von überragendem öffentlichem Interesse. Staatliche Milliarden dürfen der Aushöhlung der sozialen Sicherheit am Arbeitsplatz keinen Vorschub leisten. Darüber ist sich die Gesellschaft einig. Dies bestätigen Umfragen. Erstaunlicherweise ist dennoch weitgehend ungeklärt, welche Rolle Arbeitsstandards und Arbeitnehmerrechte für die Gewährung staatlicher Beihilfen spielen sollen.

Einen ersten Schritt hat die EU gemacht. Anfang 2025 wurde die „soziale Konditionalität“ in der gemeinsamen Agrarpolitik eingeführt. Kurz gesagt bedeutet das: Landwirte, die EU-Zuschüsse erhalten, müssen gewisse
Mindestarbeitsstandards einhalten. Dazu zählen etwa der Arbeitsschutz und einige Transparenzvorschriften. Die Arbeitsbedingungen müssen dokumentiert werden. Der Arbeitsbeginn muss mit einer angemessenen Frist
angekündigt werden.

Wäre eine solche soziale Bindung von staatlichen Geldern auch für Transformationsbeihilfen denkbar? Als größtes Hindernis hierfür wurde bislang vor allem das Unionsrecht angesehen. Denn im Interesse eines
unverfälschten Wettbewerbs gilt hier noch immer als allgemeiner Grundsatz, dass staatliche Beihilfen für Unternehmen verboten sind. Wolfram Cremer, Professor an der Ruhr-Universität Bochum, hat daher im Auftrag des Hugo Sinzheimer Instituts das Beihilfenrecht danach untersucht, inwiefern soziale Standards in staatliche Förderpolitik einfließen können.

Die Studie ist in der HSI-Schriftenreihe erschienen. Sie zeigt, dass sich auch das EU-Recht verändert hat. Mit dem EU-Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2009 haben verstärkt soziale Grundsätze in die Grundlagenverträge Einzug gehalten. Im europäischen Beihilfenrecht finden sich laut Cremer verschiedene Hebel für soziale Kriterien wie Standortsicherung, eine gute Bezahlung oder Tarifbindung. Kriterien wie diese können Beihilfen sogar erst „genehmigungsfähig“ machen. Wenn es nach der Studie von Wolfram Cremer geht, wird die soziale Dimension des ökologischen Umbaus der Wirtschaft jedenfalls nicht am Beihilfenrecht  scheitern.


ERNESTO KLENGEL ist Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung.

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