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Interview PH HERO Böckler Impuls

Weltwirtschaft: Warum ein Lieferkettengesetz wichtig ist

Ausgabe 02/2021

Ein Lieferkettengesetz, das deutsche Konzerne für die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards bei Zulieferern in die Pflicht nimmt, lässt weiter auf sich warten. Die Expertin Barbara Fulda von der Hans-Böckler-Stiftung erklärt, was auf dem Spiel steht.

Warum ist ein Lieferkettengesetz dringend nötig?

Der gesellschaftliche Wohlstand im globalen Süden erhöht sich nicht automatisch durch Integration in den Welthandel. Zwar können diese Länder wirtschaftlich profitieren, doch das heißt noch lange nicht, dass die Menschen unter guten oder zumindest akzeptablen Bedingungen arbeiten können oder die ganze Gesellschaft gleichmäßig profitiert. 

Der Streit in der Bundesregierung zieht sich hin. Was sind die strittigen Punkte?

Bei der Umsetzung sind sich Entwicklungs- und Arbeitsministerium auf der einen Seite und Wirtschaftsministerium auf der anderen Seite uneins. Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, inwiefern deutsche Unternehmen für Missstände entlang der globalen Wertschöpfungskette zivilrechtlich haften. Vor allem Bundeswirtschaftsminister Altmaier und die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft blockieren das, weil sie fürchten, dass Firmen nicht ihre gesamte Lieferkette kontrollieren können. Zudem warnen sie vor dem bürokratischen Aufwand. Eine strafrechtliche Verfolgung von Verstößen gegen die unternehmerische Sorgfaltspflicht ist bereits vom Tisch. 

Wie müsste ein Gesetz aussehen, das Missstände wirksam bekämpft?

Zunächst sorgt ein Gesetz dafür, dass deutsche Unternehmen Verantwortung für Verstöße gegen ihre Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette übernehmen. Lieferanten- beziehungsweise Risikomanagement wird bereits heute durchgeführt, zusätzlich könnte beispielsweise die Prüfung von Menschenrechtsverstößen vorgeschrieben werden. Die Beweislast für Geschädigte von Sorgfaltspflichtverletzungen müsste erleichtert werden – damit das Gesetz überhaupt einen Effekt hat.

In verschiedenen mitbestimmten Großunternehmen gibt es sogenannte Globale Rahmenvereinbarungen (GRV). Würden die mit einem Lieferkettengesetz überflüssig?

Ganz und gar nicht. Bei GRV geht es um soziale Standards innerhalb eines multinationalen Unternehmens, beim Lieferkettengesetz um globale Wertschöpfungsnetzwerke – unabhängig davon, ob die Wertschöpfung unternehmensintern stattfindet. Zudem enthalten GRV auch Regelungen zur grenzüberschreitenden Mitbestimmung innerhalb des Unternehmens. Damit etablieren die GRV ein höheres Niveau an Mitbestimmung und Arbeitsstandards, als es das Lieferkettengesetz tut. Beide Regelwerke ergänzen sich sehr gut.

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