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Gemischte Gefühle Böckler Impuls

Gesellschaft: Gemischte Gefühle

Ausgabe 20/2022

Energiepreisbremse und 49 Euro-Ticket kommen gut an. Trotzdem sinkt das Vertrauen in die Regierung. Vor allem Menschen mit niedrigeren Einkommen fühlen sich stark belastet.

Das Vertrauen in die Bundesregierung sinkt weiter. Das zeigt die neueste Welle der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung: Ende November 2022 gaben nur noch 15 Prozent der über 4300 befragten Erwerbstätigen und Arbeitslosen an, sie hätten hohes oder sehr hohes Vertrauen in die Regierung. Im April 2022 betrug der Wert 17 Prozent, im November 2021 noch 22 Prozent. „Corona, Krieg, Ungewissheit: Für viele Menschen in Deutschland endet das dritte Krisenjahr in Folge mit sehr gemischten Gefühlen. Der befürchtete freie Fall ist meist ausgeblieben, und daran haben die staatlichen Entlastungspakete mit ihrem enormen finanziellen Aufwand einen erheblichen Anteil, ebenso der erhöhte Mindestlohn“, sagt Bettina Kohlrausch. „Aber das schlägt sich bislang nicht in höheren Zustimmungswerten nieder.“ Die wissenschaftliche Direktorin des WSI wertet die Erwerbspersonenbefragung zusammen mit den WSI-Forschern Andreas Hövermann und Helge Emmler aus.

Dabei finden vor allem zwei kürzlich beschlossene Maßnahmen durchaus Anklang: Jeweils gut die Hälfte der Befragten ist mit den Gas- und Strompreisbremsen oder dem 49-Euro-Ticket eher zufrieden oder sehr zufrieden, während die Ausweitungen beim Wohngeld bei gut einem Drittel auf Zustimmung treffen. Durch die bisherigen Hilfsmaßnahmen fühlen sich 26 Prozent etwas entlastet, weitere 42 Prozent stellen eine geringfügige Entlastung fest. Wobei es kaum Unterschiede zwischen den Einkommensklassen gibt – lediglich die Haushalte mit einem Äquivalenzeinkommen von weniger als 1500 Euro fühlen sich weniger entlastet als die anderen Einkommensgruppen und nehmen auch häufiger an, von den künftigen Maßnahmen „gar nicht entlastet“ zu werden.

Aktuell ist der Anteil der Befragten, die von hohen finanziellen Belastungen berichten, mit 27 Prozent auf einem Höchststand seit Beginn der Pandemie. Dabei sind vor allem die ärmsten Haushalte besonders häufig belastet: Während unter den Haushalten mit einem Einkommen unter 1500 Euro monatlich rund die Hälfte von starken und äußersten finanziellen Belastungen berichtet, sind es unter Befragten mit Einkommen zwischen 2000 und 3500 Euro rund ein Viertel und unter denen mit den Einkommen über 5000 Euro lediglich 8 Prozent.

„Das alarmierende Muster, das wir schon über die gesamte Zeit der Pandemie beobachtet haben, bleibt bestehen: Menschen, die bereits vor der Krise ein geringes Einkommen hatten, sind in der Krise besonders hohen Belastungen ausgesetzt. Und der Druck reicht bis weit in die Mittelschicht“, so WSI-Experte Hövermann. 

Gleichzeitig machen sich weiterhin relativ wenige Befragte Sorgen um ihren Arbeitsplatz – insgesamt betrifft das „nur“ 11 Prozent. „Hier scheint sich ein Mix aus staatlichen Maßnahmen, wie dem Kurzarbeitsgeld, und betrieblichen sowie tariflichen Instrumenten positiv auf das Sicherheitsgefühl der Beschäftigten auszuwirken“, sagt Kohlrausch.

Ein Problem hält sich hartnäckig: Mütter haben es in der Krise schwerer als der Rest der Bevölkerung. Sie berichten im Hinblick auf die familiäre, finanzielle und Arbeitssituation sowie die Gesamtsituation am häufigsten, äußerst oder stark belastet zu sein. Belastungen durch die finanzielle Situation und die Gesamtsituation sind bei Müttern zuletzt sogar noch einmal gestiegen, während sie für den Rest der Bevölkerung inklusive der Väter rückläufig waren. „Kitas und Schulen sind zwar seit langem wieder geöffnet. Aber offenbar sind die Betreuungsausfälle, etwa durch häufige Erkrankungen, so groß, dass die Erwerbstätigkeit mit Kind deutlich beeinträchtigt ist. Und weiterhin bleibt das Problem ganz überwiegend an den Müttern hängen“, erklärt Kohlrausch.

Die Homeoffice-Quote ist zwar weiterhin höher als vor Corona, zuletzt aber gesunken:  Im November gaben 11,5 Prozent der Befragten an, überwiegend oder ausschließlich zu Hause zu arbeiten – weniger als halb so viele wie auf dem Höhepunkt der Pandemie. „Der oft beschworene Paradigmenwechsel weg von der Präsenzkultur im Job lässt sich an diesen Zahlen aber nicht ablesen“, sagt WSI-Forscher Emmler.

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