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HBS Böckler Impuls

Aussenwirtschaft: Der Exportmeister profitiert von der Globalisierung

Ausgabe 03/2008

Deutschland ist ein Globalisierungsgewinner, zeigt ein Gutachten im Auftrag des IMK - und widerspricht damit Warnungen, Deutschland werde zur "Basarökonomie". Auch die Arbeitsplatzbilanz ist eindeutig positiv.

In der öffentlichen Debatte fällt immer wieder das Stichwort von Deutschland als "Basarökonomie": Hierzulande werde immer weniger produziert, zunehmend würden nur noch im Ausland hergestellte Produkte weiterverarbeitet und gehandelt. Diese Darstellung ist jedoch falsch, weil zu undifferenziert, legen Udo Ludwig und Hans-Ulrich Brautzsch vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle dar. Denn wer einfach nur alle Importe mit allen Exporten aufrechnet, vermischt völlig verschiedene Prozesse:

=> Einerseits den Import von Rohstoffen und Zwischenprodukten, die in deutsche Exportprodukte eingebaut werden oder auf andere Weise zu deren Produktion notwendig sind. Beispiele dafür sind Eisenerze oder Stahlveredler für die Metallindustrie, aber auch komplette Bauteile, die dann etwa in deutschen Autos verwendet werden.

=> Andererseits den Import von Produkten, die direkt wieder ins Ausland weiterverkauft werden, ohne dass sie in Deutschland bearbeitet werden. Beispiele für derartige "Re-Exporte" sind Güter, die über den Hamburger Hafen eingeführt und anschließend nach Mittel- und Osteuropa transportiert werden.
Wer diese Unterscheidung nicht macht, überschätzt zwangsläufig, wie viele ausländische Komponenten durchschnittlich in deutschen Exportprodukten stecken - und zwar deutlich. Denn der Import von Vorleistungen und die Re-Exporte waren unterschiedlich stark am Zuwachs des Importgehalts der Exporte beteiligt, zeigen die beiden Konjunkturexperten:

=> In den Jahren 1980 bis 2000 vervierfachten sich die Importe von Vorprodukten, also beispielsweise fertigen Kraftfahrzeugteilen für die Autoproduktion.

=> Im gleichen Zeitraum wuchsen die Re-Exporte auf das Zwölffache.

Die differenzierte Analyse der Ökonomen aus Halle macht deutlich, dass der Importgehalt der in Deutschland produzierten Exportgüter weitaus weniger stark gestiegen ist,  als dies Anhänger der Basar-These behaupten: Er verharrte von 1980 bis Mitte der 90er-Jahre bei rund 22 Prozent, stieg bis zum Jahr 2000 auf gut 28 Prozent und nahm dann wieder leicht ab. "Der tatsächliche Importgehalt der Exporte lag damit um etwa zehn Prozentpunkte unter der gewöhnlich genannten Quote von 38 Prozent", schreiben Ludwig und Brautzsch.

Trotzdem stimmt natürlich: Die internationale Verflechtung der Wirtschaft hat dazu geführt, dass vormals in Deutschland hergestellte Produkte jetzt aus dem Ausland eingeführt werden. Und damit auch Arbeitsplätze ans Ausland verloren gegangen sind. Im Jahr 2002 - dem jüngsten, für das detaillierte Daten vorliegen - machten die Exporte ohne Re-Exporte knapp 460 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung aus. Durch Importe reduzierte sich dieser Wert um gut 360 Milliarden Euro. Damit bleibt aber immerhin ein Überschuss von rund 100 Milliarden Euro, Tendenz steigend.

Unter dem Strich profitiert die deutsche Exportwirtschaft bislang also eindeutig von der verstärkten internationalen Arbeitsteilung. Ihre Untersuchung zeige, dass Deutschland im Zuge der Globalisierung seine Stellung als Standort für Produktion und Beschäftigung behaupten konnte, schreiben Ludwig und Brautzsch.

Auch die Beschäftigungsbilanz sei im Vergleich zum Anfang der 90er-Jahre positiv, rechnen die Wissenschaftler vor: Im Jahr 2002 waren rund 8,2 Millionen Erwerbstätige direkt und - über die Vorleistungsverflechtung - indirekt für den Export tätig. Dem stehen knapp 6,6 Millionen Jobs gegenüber, die nötig gewesen wären, wenn alle importierten Güter im Inland hergestellt worden wären. Insgesamt bleibt ein Zugewinn von 1,6 Millionen Arbeitsplätzen. "Die Ausweitung der Beschäftigung infolge des starken Anstiegs der Exporte hat die Verluste mehr als kompensiert", resümieren die Hallenser Forscher. Der Exportüberschuss hob den Beschäftigungsstand um mehr als vier Prozent an.

Udo Ludwig, Hans-Ulrich Brautzsch: Globalisierung und Beschäftigung - eine Untersuchung mit der Input-Output-Methode (pdf), Gutachten des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, IMK Studies Nr. 1/2008

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