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HANS Editorial 08-2022 Johanna Wenckebach Service aktuell

Gemeinsamer Reformvorschlag : Mitbestimmung für das 21. Jahrhundert

HSI-Direktorin Johanna Wenckebach stellt den gemeinsamen Entwurf von Hans-Böckler-Stiftung und DGB für ein modernisiertes Betriebsverfassungsgesetz vor.

[11.4.2022]

Am 6. April haben der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Hans-Böckler-Stiftung, die IG Metall und ver.di einen Reformvorschlag für ein modernes Betriebsverfassungsgesetz vorgestellt. Der Gesetzesentwurf wurde auf Initiative des DGB von einer Gruppe aus Expertinnen und Experten erarbeitet und bringt die gewerkschaftliche Praxiserfahrung aller Branchen und wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Analyse des Betriebsverfassungsgesetzes, der Rechtsprechung und der Literatur zusammen.

„Es braucht einen Modernisierungsschub“ sagt der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann unter Verweis darauf, dass die bestehenden Mitbestimmungsrechte auf dem Stand von 1972 sind. Die Arbeitswelt hat sich seitdem massiv verändert. Die Reformvorschläge stellen sicher, dass die Betriebsverfassung auch in einer globalisierten, digitalen Arbeitswelt greift, wo sie nicht zuletzt durch Outsourcing, Umstrukturierung und neue Arbeitsformen unterlaufen wird.

Zugleich enthält der Entwurf zukunftsweisende Ansätze zur Bewältigung der Transformation in den Betrieben und der Sicherung von Beschäftigtenrechten durch Mitbestimmung. In aller Kürze lassen sich die sechs Schwerpunkte wie folgt zusammenfassen:

1. Neue Mitbestimmungsrechte für Umweltschutz und Gleichstellung im Betrieb.

2. Reformen, um mit mehr Mitbestimmung u.a. bei Weiterbildung und Personalplanung für sichere Beschäftigung in Zeiten von Digitalisierung, ökologischem Umbau der Wirtschaft und weiterer Globalisierung zu sorgen.

3. Mitbestimmung, um Persönlichkeits- und Datenschutz am Arbeitsplatz angesichts völlig neuer digitaler Kontrollpotenziale zu gewährleisten.

4. Regeln, die sicherstellen, dass betriebliche Mitbestimmung in zunehmend international und hochkomplex organisierten Unternehmen nicht faktisch ausgehebelt werden kann. Dazu kommt eine Reform des „Tendenzschutzes“, der bislang betriebliche Mitbestimmung u.a. in kirchlichen Einrichtungen und kirchennahen Unternehmen weitgehend ausschließt.

5. Reformen, die Beschäftigten über spezielle Zeitkontingente und bessere Absicherung individueller Rechte zur Meinungsäußerung auch mehr individuelle Mitsprache bei der Arbeit ermöglichen. Und: Gruppen wie Leiharbeitende oder arbeitnehmerähnliche Arbeitskräfte sollen besser als bisher in die betriebliche Mitbestimmung einbezogen werden.

6. Die überfälligen Reformen, um Betriebsratswahlen zu erleichtern, Arbeitgeberschikanen gegen Betriebsratsgründungen wirksam einen Riegel vorzuschieben und Betriebsräte zu stärken. Selbstverständlich sind die beiden im Koalitionsvertrag konkret geplanten Reformvorhaben – ein digitales Zugangsrecht und eine effektivere strafrechtliche Verfolgung der Bekämpfung von Mitbestimmung – im Vorschlag bereits umgesetzt.

Die Diskussion des Entwurfs mit politischen Entscheidungsträger:innen hat am vergangenen Donnerstag, auf dem Frühjahrsempfang der Stiftung, bereits begonnen. Wir freuen uns, die Debatte um den Reformvorschlag nun in den Betrieben, in wissenschaftlichen Debatten und im Dialog mit der Politik voranzubringen. Rückmeldungen sind herzlich willkommen!

Dr. Johanna Wenckebach ist die Wissenschaftliche Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung.

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