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Johanna Wenckebach zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz Service aktuell

Reform des Betriebsverfassungsgesetzes: Eine echte Modernisierung steht weiterhin aus

Ein Betriebsrätemodernisierungsgesetz geht zentrale Handlungsfelder an - allerdings viel zu zaghaft. Von Johanna Wenckebach

[14.05.2021]

Am kommenden Montag steht im Ausschuss für Arbeit und Soziales des deutschen Bundestages das Betriebsrätemodernisierungsgesetz auf der Agenda. Nachdem der Entwurf von Hubertus Heil mehrere Monate auf Eis lag, schreitet nun das Gesetzgebungsverfahren voran – mit einer abgeschwächten Version als Kabinettsentwurf. Mit der betrieblichen Mitbestimmung geht es um ein Herzstück des Arbeitsrechts und der Rechte Arbeitnehmender.

Ursprünglich sah die im Dezember 2020 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vorgelegte Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vor, Betriebsräte zu stärken – so, wie es der Titel „Betriebsrätestärkungsgesetz“ auch vermuten ließ. Leider ist nicht nur der Titel geändert worden, sondern es entfielen bei den Verhandlungen im Kabinett auch wesentliche Aspekte des noch im Koalitionsvertrag benannten Ziels, „die Gründung und Wahl von Betriebsräten [zu] erleichtern“.

Betriebliche Mitbestimmung ist gelebte Demokratie in der Wirtschafts- und Arbeitswelt. Aus der arbeitsrechtlichen Perspektive ist sie unerlässlich, um individuelle Beschäftigtenrechte durchzusetzen, Arbeitsplätze zu sichern und die Transformation in den Betrieben im Interesse der Beschäftigten zu gestalten. Mitsprache auf Augenhöhe ist gerade jetzt essenziell.

Der Regierungsentwurf erkennt an, dass das Betriebsverfassungsgesetz angepasst werden muss, wenn Betriebsräte zur Mitgestaltung der digitalisierten Arbeitswelt ermächtigt werden sollen. Mit Verbesserung der Mitbestimmung bei Qualifizierung und Weiterbildung, bei mobiler Arbeit sowie beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz geht die Reform auch tatsächlich zentrale Handlungsfelder an. Allerdings viel zu zaghaft. Bei den Machtfragen der Digitalisierung muss Mitbestimmung erzwingbar sein, sie muss prozedurale Rechte für Betriebsräte vorsehen, auch in Fragen der Personalplanung. Das wäre eine echte Modernisierung der Betriebsverfassung, aber die steht weiterhin aus.

Unter Verweis auf Studien der Hans-Böckler-Stiftung zu schwindender Interessenvertretung und Bekämpfung von Betriebsratsgründungen hat der Gesetzesentwurf das richtige und wichtige Ziel, Betriebsratswahlen zu erleichtern. Nur noch 9 Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe verfügten 2019 über einen Betriebsrat, nur 40 Prozent der Arbeitnehmenden in Deutschland haben eine betriebliche Interessenvertretung an ihrer Seite. Es ist also überfällig und gut, dass das Wahlverfahren nun vereinfacht und der Schutz von Akteur:innen in Betrieben verbessert werden soll, wie der Koalitionsvertrag es vorsieht. Doch insbesondere der Schutz von Initiator:innen von Betriebsratswahlen gegen eine Kündigung wurde im Kabinett abgeschwächt – ein schlechter Kompromiss angesichts des wichtigen Ziels der Reform.  

Wer wirklich die Bedeutung der Mitbestimmung verstanden hat und sich für Betriebsräte im Land einsetzt, wird sich nicht erst im Wahlkampf zeigen – sondern schon in diesem Gesetzgebungsverfahren. Darüber werde ich auch Ende der kommenden Woche in der nächsten Folge unseres Podcasts Systemrelevant berichten.

Dr. Johanna Wenckebach ist Wissenschaftliche Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht.

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