Ehrenamt: „Der Wahrheit und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet“
Ernesto Klengel, Direktor des Hugo Sinzheimer Instituts, wurde zum ehrenamtlichen Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG) ernannt. Das Interview führte Fabienne Melzer.
Kam die Ernennung zum ehrenamtlichen Richter am Bundesarbeitsgericht überraschend?
Erfahren habe ich davon bereits, als ich von Seiten der Gewerkschaften für diese Richterstelle vorgeschlagen wurde. Die Anfrage und die Ernennung kamen allerdings überraschend schnell.
Welche Rolle spielen die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter an den Gerichten?
Sie bringen eine andere Perspektive ein, als sie Berufsrichter haben. Es ist die Perspektive aus dem Arbeitsleben. An jedem Gericht sitzen zwei ehrenamtliche Richter, einer auf Vorschlag der Arbeitnehmer- und einer auf Vorschlag der Arbeitgeberseite. Und alle Richter – ob ehrenamtlich oder hauptberuflich – haben das gleiche Stimmrecht.
Sie sind derzeit ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht in Frankfurt. Gibt es da oft unterschiedliche Ansichten zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter?
Es kommt schon häufiger vor, dass man einen Fall unterschiedlich bewertet. Aber als ehrenamtlicher Richter bin ich unabhängig und nicht Anwalt einer Seite. Wir sind der Wahrheit und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet.
Mit welchem Teil des Arbeitsrechts werden Sie sich am BAG befassen?
Das hängt davon ab, welchem Senat ich zugeordnet werde. Innerhalb des Senats wird man nach einer feststehenden Reihenfolge hinzugezogen. Damit stellt man sicher, dass kein Richter danach ausgesucht wird, wie er oder sie zu einer bestimmten Rechtsfrage steht. Die Liste der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter ist relativ lang. Damit soll auch die Belastung nicht ausufern. Es ist schließlich ein Ehrenamt.
Welche Verfahren kommen zum Bundesarbeitsgericht?
Das sind Verfahren mit ungeklärten Rechtsfragen, oder wenn das BAG von seiner bisherigen Rechtsprechung abweichen möchte.
Geht es da eher um grundsätzliche Fragen?
Sie müssen – vereinfacht gesagt – verallgemeinerungsfähig sein.
Wie wichtig ist diese Aufgabe für Ihre Arbeit am Hugo Sinzheimer Institut?
Unsere Forschung sollte Relevanz für die juristische Praxis haben. Dafür erhoffe ich mir interessante Einblicke.
Bringt die Praxis auch neue Ideen für die Forschung?
Das gibt es immer wieder. Wir beobachten die Rechtsprechung engmaschig und schließen eigene Studien an, um zu verstehen, was Urteile für die Arbeitswelt bedeuten.
Bevor Sie zum BAG berufen wurden, waren Sie ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht in Frankfurt am Main. Welche Aufgabe ist spannender?
Die Rechtsfragen am Bundesarbeitsgericht sind möglicherweise spannender. Am Arbeitsgericht ist wahrscheinlich die Sachnähe größer. In der ersten Instanz müssen die Gerichte zunächst den Sachverhalt aufklären. Da geht es manchmal sehr spontan zu und es gibt auch schon mal eine Beweiserhebung. Die Arbeit am BAG ist sicher wissenschaftlicher. Deshalb schlagen Gewerkschaften meist ausgebildete Juristen als ehrenamtliche Richter vor. Bei den Arbeits- und Sozialgerichten erster Instanz ist es üblich, dass Kolleginnen und Kollegen mit einem betrieblichen Hintergrund teilnehmen können. Die Idee ist, Erkenntnisse aus der Arbeitswelt ins Verfahren einzubringen.
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Auf interessante Rechtsfragen und Diskussionen auf hohem Niveau.