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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Zypern und die Bankenrettung

Ausgabe 05/2013

„Nun sind die Bankeinlagen dran. Die damit einhergehende Verunsicherung ist gesamtwirtschaftlich sehr teuer,“ sagt Andrew Watt, Abteilungsleiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung

Wer muss bluten, wenn ein Unternehmen Konkurs macht und die Aktiva nicht ausreichen, um alle ausstehenden Forderungen zu bedienen? Die Frage hat bis vor Kurzem nur Fachleute interessiert. Jede nationale Rechtsordnung hat eine in der Sache komplizierte, aber im Prinzip recht einfache Lösung: eine Hackordnung, nach der aus der Konkursmasse an die verschiedenen Gläubigergruppen ausbezahlt wird. Spätestens seit der „Rettung“ Zyperns und der damit verbundenen Abwicklung der zwei größten Banken der Insel ist das anders. Erste Meldungen, wonach alle Einlagen einen Haircut in Form einer Zwangsabgabe erleiden sollten, sorgten für Empörung. Nicht nur in Zypern selbst. In der schließlich gefundenen Lösung wurden Inhaber aller Konten mit mehr als 100.000 Euro – die Schwelle für die gesetzliche Einlagenversicherung – umso kräftiger zur Ader gelassen, wobei vermutlich rund die Hälfte ihrer Einlagen verloren ist. Erklärtes Ziel war es, die Belastung der inländischen und – über die Rettungspakete – europäischen Steuerzahler zu begrenzen.

Diese Lösung wurde weitgehend begrüßt. Inhaber von Sparkonten im sechsstelligen Bereich wurden als Spekulanten dargestellt, die das Risiko ihrer Investition eben tragen müssten. Hilfreich war die Behauptung, das in Zypern angelegte Geld stamme zum großen Teil aus dubiosen russischen Quellen oder sei nur deswegen auf der Mittelmeerinsel gelandet, um dort reingewaschen zu werden.

Nun denkt die EU darüber nach, das in Zypern gefundene Modell zur Regel zu machen. Was ist davon zu halten? In einer Marktwirtschaft sollen grundsätzlich Risiko und Ertrag von jedem Akteur abgewogen werden. Die sich verzockt haben, sollten nicht versuchen, die Verluste zu sozialisieren, nachdem sie jahrelang die Profite privatisiert haben. Aktionäre müssen mit dem Totalverlust rechnen. Dann sind die Gläubiger dran. Beim eventuell noch notwendigen Heranziehen von Steuerzahlern und (Bank-)Kunden ist die Sache aber komplizierter.

Seit dem 19. Jahrhundert ist bekannt, dass Banken und das Bankensystem als Ganzes grundsätzlich instabil sind, da sie aufgrund von rein „psychologischen“ Faktoren einen „Bank Run“ erleiden können. Das ist auch die Begründung für die staatliche Einlagensicherung, die naturgemäß eine willkürliche Obergrenze setzt. 100.000 Euro mögen viel für eine Privatperson sein. Aber viele Unternehmen, auch kleinere Firmen oder gesellschaftliche Organisationen, brauchen sechsstellige Summen, um laufende Transaktionen zu tätigen. Sie können leicht selbst in die Zahlungsunfähigkeit getrieben werden, wenn es der Zufall will, dass der Stichtag für die Zwangsabgabe kurz vor die monatliche Auszahlung der Löhne fällt. Ein Investor im eigentlichen Sinne des Wortes, der gerade einen Kredit für eine geplante, aber noch nicht getätigte Investition bekommen hat, soll nur 50 Prozent von dem Kredit behalten, den er zu 100 Prozent tilgen muss? Wie solche Beispiele zeigen, ist es sehr fraglich, Bankeinlagen als risikobehaftete Finanzinvestitionen zu werten.

Wegen ihrer Krisenanfälligkeit müssen Banken einer politischen Regulierung unterliegen: Das hat aber Konsequenzen für die Beurteilung des Moral Hazard. Wenn, wie im Falle Zyperns, die staatliche Regulierung versagt hat, dann ist es in der Tat nahe liegend, dass der Staat, und somit der Steuerzahler, die Zeche übernimmt. Zumindest ist das Argument sehr fraglich, die einzelnen Investoren, also die Privat- und Geschäftskunden, hätten wissen müssen, dass etwas mit dem Geschäftsmodell der Banken nicht stimmte, wenn dies der staatlichen Aufsicht unbekannt war oder, schlimmer noch, diese ihr Wissen für sich behalten hat. Auch ohne einen „Bank Run“ hat die Angst vor Verlusten ungewollte Konsequenzen. Der Schuldenschnitt für Griechenland hat schon ein Tabu gebrochen: Die Staatsanleihen hoch entwickelter Länder galten seit Jahrzehnten als sichere Anlage. Sie bildeten den „Zinsfuß“, auf dem andere, risikoreichere Papiere mit höheren Renditen aufgebaut wurden. Plötzlich bot aber der Zinsfuß keinen festen Stand mehr. Und nun sind die Bankeinlagen dran. Die damit einhergehende Verunsicherung ist gesamtwirtschaftlich sehr teuer. Ausweichmaßnahmen – vom Aufsplittern von Konten bis hin zu regelrechter Kapitalflucht – führen zu Ineffizienzen und erhöhen Kosten.

Mein Fazit: Jede Abwicklung einer finanziellen Institution ist komplex und schwierig. Die Vorstellung, man könne sauber zwischen verdienten und unverdienten Verlusten trennen, trügt. Vieles spricht daher dafür, dass es besser ist, den Weg einer Erhöhung des Anlegerschutzes und einer parallelen Verstärkung der Bankenregulierung zu gehen.

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