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Jens Brandenburg, FDP-Bundestagsabgeordneter Magazin Mitbestimmung

Pro & Contra: Wäre ein völlig elternunabhängiges BAföG besser?

Ausgabe 06/2021

Ja - sagt Jens Brandenburg, FDP-Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Studium, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen. Nein - sagt Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks.

Jens Brandenburg, FDP-Bundestagsabgeordneter und Sprecher für Studium, berufliche Bildung und lebenslanges Lernen:
Ja. Die Bildungschancen junger Menschen dürfen nicht von der Unterstützungskraft und auch nicht vom Unterstützungswillen der Eltern abhängen. Es wäre am besten, wenn die Studienfinanzierung völlig unabhängig vom Einkommen der Eltern erfolgen würde. Mit realistischen Haushaltsmitteln wäre es möglich, jeder und jedem eine praktikable Finanzierung des Studiums zu eröffnen. Die FDP-Bundestagsfraktion hat 2019 einen Vorschlag vorgelegt, der aus aktuellen Haushaltsmitteln finanzierbar gewesen wäre.

Die Ampelkoalition hat nun in ihrem Koalitionsvertrag einen ersten Reformschritt zu einer elternunabhängigeren Studien­förderung vereinbart. Das bisherige Kindergeld soll künftig direkt an Volljährige in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden und nicht mehr, wie bisher, an die Eltern. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch die vereinbarte deutliche Erhöhung der Freibeträge ist ein wichtiges Signal.

Das BAföG war einst das Bildungsaufstiegsgesetz Nummer eins, doch seit Jahren geht die Zahl der BAföG-Empfänger zurück. Das liegt auch an sehr realitätsfremden Bemessungsgrenzen. Viele Eltern verdienen für den Lebensunterhalt der studierenden Kinder zu wenig, aber für den BAföG-Förderanspruch auf dem Papier zu viel. Das muss sich ändern. Das Geld ist da: Das Bundesbildungsministerium musste jedes Jahr mehrere Hundert Millionen Euro nicht verausgabte BAföG-Mittel an den Finanzminister zurücküberweisen. Zum 50. Jubiläum braucht das BAföG nun eine strukturelle Reform.

 

Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks:
Nein. Ein völlig elternunabhängiges BAföG für alle Studierenden ist eine politische Vision, die seit den 60er Jahren diskutiert wird. Hört sich erst mal gut an. Doch sobald man etwas tiefer bohrt, wird klar: Ein solches BAföG wäre kaum finanzierbar. Und es wäre sozial ungerecht, profitierten davon doch vor allem Studierende aus wohlsituierten Familien.

Wenn die derzeit rund drei Millionen Studierenden allesamt eine elternunabhängige, voraussetzungslose Förderung in Höhe des aktuellen BAföG-Höchstsatzes von 900 Euro im Monat erhielten, wären das im Jahr mehr als 32 Milliarden Euro – und damit fast das 15-Fache dessen, was die Bundesregierung heute ausgibt: 2,2 Milliarden Euro. Woher sollen diese Steuermittel kommen?

Die Ampelkoalitionäre haben diesen Irrweg zum Glück nicht beschritten. Die Kindergrundsicherung, früher hieß es Kindergeld, soll künftig direkt an die Studierenden ausgezahlt werden. Das ist richtig. Gleiches gilt für die „deutliche Erhöhung der Freibeträge“. Außerdem werden die Bedarfssätze erhöht – das hilft den wirklich Bedürftigen.

Die Coronakrise hat die Studierenden hart getroffen, psychisch und finanziell. Die Koalition hat ein starkes Reformpaket geschnürt. Wichtig ist nun, dass diese Reform kräftig ausfinanziert und vor allem sehr rasch auf den Weg gebracht wird. Da ist noch einiges zu klären. Für Luftschlösser wie ein komplett elternunabhängiges BAföG ist dagegen kein Platz.

  • Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks
    Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks

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