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Magazin Mitbestimmung

Körperschaftssteuer: Schluss mit dem Steuer-Wettbewerb in Europa!

Ausgabe 06/2013

Brigitte Unger, Direktorin des WSI, über eine Reform der Körperschaftssteuer, Offshore-Leaks und die globale Steuervermeidungs-Industrie.

Wenn man über Körperschaftssteuern spricht, muss eins klar sein: Kapitalgesellschaften, dazu gehören vor allem Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, unterliegen der Körperschaftssteuer. Sie will einen Ausgleich schaffen dafür, dass Kapitalgesellschaften nur beschränkt haften, während die Öffentlichkeit den Rest eventueller Schäden – etwa bei einer Insolvenz – voll tragen muss. Wie diese Steuer nun genau wirkt, ist in der Finanzwissenschaft umstritten. Die Lehrbücher quälen sich richtig, um eine Legitimation für ihre Senkung oder gar Abschaffung zu finden: Die Körperschaftssteuer sei eine Steuer auf Kapital und verzerre daher das Verhältnis der Kosten von Kapital zu Arbeit, diese Zusatzlast solle man vermeiden. Auf der anderen Seite zeigt Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, dass die Körperschaftssteuer nicht eine Steuer auf Kapital, sondern eine Steuer auf die Gewinne von Unternehmen ist und daher weder Investitionen noch Wachstum beeinträchtigt. Trotzdem sind die Körperschaftssteuersätze in den vergangenen Jahren dramatisch gesenkt worden: im EU-Schnitt von rund 45 Prozent im Jahr 1987 auf rund 23 Prozent im Jahr 2012 und in Deutschland von 56 Prozent auf rund 30 Prozent.

Umso dreister erscheint es, dass selbst diese niedrigen Steuern kaum mehr bezahlt werden. „Offshore-Leaks“, die Affäre um Journalisten zugespielte Daten aus Steueroasen, hat gezeigt: Unternehmen entziehen sich der Besteuerung im großen Stil, indem sie ihre Gewinne in Steueroasen verschieben, sodass letztendlich keine Körperschaftssteuer mehr zu zahlen ist. Die Konstruktionen, die gewählt werden, bedürfen schon einiger Spitzfindigkeit wenn nicht gar krimineller Energie. Wenn beispielsweise Google USA eine Steuerlücke im irischen Steuergesetz entdeckt, die Unternehmen mit ausländischem Management von der Besteuerung ausnimmt, ist im Nu eine irische Google-Tochter mit ausländischem Management gegründet, und die US-Gewinne werden nach Irland verschoben.

Diese steuerfreien Gewinne können dann bequem in die karibische Steueroase weitergeschickt werden, in der das Management der Tochter sitzt. Alles legal. Unternehmen haben so viele Möglichkeiten der Steuervermeidung, dass sie Steuern gar nicht hinterziehen müssen. Für die europäischen Gewinne kann Google dann nämlich eine zweite irische Tochter gründen, die die Gewinne über die Niederlande extrem steuerverringernd an die erste irische Tochter schiebt, und schon ist das „Double-Irish Dutch Sandwich“ geboren, leider weniger appetitlich als es klingt: Zwei irische Tochtergesellschaften und als Sandwichbelag einmal Holland, und schon fallen keine Körperschaftssteuern für den Internet-Giganten mehr an.

Offshore-Leaks gibt nun immer mehr ähnliche Fälle preis. In einer weltweiten Kooperation mit anderen Medienunternehmen hat auch die „Süddeutsche Zeitung“ hierfür Millionen Datenbankeinträge, Verträge, Urkunden und E-Mails aus dem Innenleben etlicher Steueroasen ausgewertet. Die systematische Analyse hat inzwischen ergeben: Auf der von einem Whistleblower zugespielten Festplatte stecken Unterlagen zu mehr als 122 000 Briefkastenfirmen und Trusts auf den Britischen Jungferninseln, den Cook-Inseln, Samoa, Hongkong, Singapur, den Kaimaninseln, Mauritius, der Insel Labuan vor Malaysia und den Seychellen. Die Daten von rund 130 000 Menschen sind darauf gespeichert, mit Adressen aus 170 Ländern.

Dass auch deutsche Kapitalgesellschaften plötzlich ein Flugzeug auf den Cayman Islands besitzen, obwohl dort weder produziert wird noch dieses Flugzeug jemals dort war, stimmt nachdenklich. Auch dass 12 000 Vermittler solcher Konstrukte in den Unterlagen von Offshore Leaks aufscheinen. Das heißt: Ganze Berufsgruppen wie gut ausgebildete Buchhalter, Finanzdienstleister, Steuerberater, Anwälte und Notare arbeiten in diesen verfilzten Netzwerken. Ihre hohen Gehälter erhöhen angeblich die Produktivität der Wirtschaft. Wir fragen uns, was sie eigentlich produzieren, wenn ihr Beitrag zum Bruttosozialprodukt darin besteht, zu beraten, wie man Steuern nicht bezahlt.

Denn es kann nicht sein, dass die Allgemeinheit für die Schäden von Kapitalgesellschaften haftet und diese nur die Gewinne einstreichen und sich nicht mehr in einem angemessenen Umfang finanziell an dieser Allgemeinheit beteiligen. Um den immer absurder werdenden Auswüchsen der Steuervermeidung Herr zu werden, wäre es wichtig, öffentlich zu dokumentieren, wie viel Steuern Kapitalgesellschaften wo bezahlen. Dabei sollte die Politik aber nicht nur auf die üblichen Verdächtigen schauen, wenn es um Steueroasen geht. Innerhalb der EU gäbe es schon eine Menge zu tun. Steuerlücken für Unternehmen, vor allem in Irland und den Niederlanden, aber auch in anderen europäischen Ländern sind schleunigst zu schließen. Damit nicht immer wieder neue aufreißen, braucht Europa bei der Körperschaftssteuer dringend eine Kehrtwende. Die Länder der EU müssten sich endlich ernstlich mit dem Steuerwettbewerb innerhalb Europas auseinandersetzen. Und endlich damit aufhören, sich gegenseitig kaputt zu konkurrieren.

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