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Magazin Mitbestimmung

: Online mit Dr. Azubi

Ausgabe 04/2009

INTERNET Der DGB kombiniert die persönliche Ansprache junger Leute verstärkt mit Web-Angeboten. Da die Seiten selten gezielt aufgerufen werden, hängt viel vom Ranking bei Suchmaschinen ab.

Von RENE RUDOLF, Bereichsleiter Jugend beim DGB-Bundesvorstand

Die Zahl der Jugendlichen in den Gewerkschaften nimmt wieder zu. In den letzten beiden Jahren hat sich die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder, die jünger als 27 Jahre sind, in den acht DGB-Gewerkschaften um etwa 18 000 auf insgesamt 485 000 erhöht. Im Ergebnis konnten fast alle Gewerkschaften bei den Jugendlichen zulegen. Gemessen an der Gesamtmitgliedschaft erhöhte sich der Anteil der Mitglieder bis 27 Jahre auf 7,6 Prozent. Diese positive Entwicklung hat unter anderem mit einem gestiegenen Bewusstsein der politisch Verantwortlichen innerhalb der Gewerkschaftsjugend zu tun. Seit einigen Jahren hat sich die Mitgliedergewinnung zu einem zentralen politischen Aufgabenfeld entwickelt. Alle Aktivitäten werden immer auch unter der Fragestellung der Gewinnung von Mitgliedern entwickelt und umgesetzt.

Die Ansprachekonzepte für Jugendliche werden zunehmend auch an Analysen von Potenzialen, Zielgruppen und Erkenntnissen über Milieus und Anforderungen der Jugendlichen in ihrer individuellen aktuellen Lebenssituation ausgerichtet. Wie ticken Jugendliche heute, wie wollen sie sich engagieren, und welche Anforderungen haben sie an Gewerkschaften? Jugendliche haben ganz konkrete Vorstellungen über Aufgaben und Rolle von Gewerkschaften. Als wichtigstes Handlungsfeld sehen sie die Gestaltung und Verbesserung der Arbeits- und Ausbildungsbedingungen. Dagegen findet nur ein geringer Teil der Jugendlichen, dass die Gewerkschaftsjugend mit Problemen wie Globalisierung oder Umweltschutz etwas zu tun haben sollte. Sie erwarten keine Angebote, die innovativ scheinen, aber an ihren Interessen vorbeigehen. Sie fordern stattdessen die Fokussierung auf Ausbildung und Arbeit.

Die Chancen, auch zukünftig junge Leute anzusprechen, stehen gut. Wir wissen, dass die Altersgruppe der unter 25-Jährigen die Altersgruppe ist, die Gewerkschaften gegenüber sehr aufgeschlossen ist. Wir wissen aber auch, dass es bei den Jugendlichen große Wissensdefizite über die Arbeit und die konkreten Angebote von Gewerkschaften gibt. Dies scheint ein Hauptgrund dafür zu sein, dass Jugendliche sich kaum aus eigener Initiative mit der Frage einer Mitgliedschaft oder Mitarbeit auseinandersetzen. Hier setzt die Arbeit der DGB-Jugend an. Die Herausforderung besteht darin, Jugendliche so früh wie möglich mit Gewerkschaften und ihren Aufgaben und ihrer Rolle in Verbindung zu bringen.

Während sich die Jugendarbeit der Einzelgewerkschaften stark auf betriebliche Strukturen und Problemlagen ausrichtet, informiert die DGB-Jugend übergeordnet über Gewerkschaften allgemein. Schüler, Auszubildende und Studierende mit ihren unterschiedlichen Lebenssituationen und Anspracheorten sind für die Arbeit des DGB die wichtigsten Zielgruppen. Das Internet als Informations- und Recherchemedium nimmt dabei inzwischen eine besondere Bedeutung ein. Aus Untersuchungen zur Mediennutzung wissen wir, dass heute fast alle Jugendlichen einen Internetzugang haben. Fast die Hälfte davon nutzt das Internet für Recherchen rund um die Themen Schule und Beruf.

ERSTKONTAKT ÜBER ONLINE-FOREN_ Das seit fünf Jahren bestehende und ständig weiterentwickelte Internetforum "Dr. Azubi" der DGB-Jugend wird derzeit jährlich von etwa 5000 ratsuchenden Azubis genutzt. Finanziert und koordiniert wird das Online-Forum durch den Bereich Jugend im DGB-Bundesvorstand. Vier Berater bilden das Team von Dr. Azubi.

Die Webseite verfügt über eine Fragefunktion, wo Auszubildende Fragen stellen können - egal ob Gewerkschaftsmitglied oder nicht. Jeder kann dort eine Frage stellen, die innerhalb von zwei Tagen beantwortet wird - die Frage und die Antwort werden öffentlich gepostet, mit Kontaktdaten bei der jeweils zuständigen Gewerkschaft.

Dr. Azubi richtet sich überwiegend an Nichtmitglieder - an Auszubildende, die in ihren Unternehmen keine gewerkschaftlichen Anlaufstellen wie Jugend- und Auszubildendenvertretungen oder Betriebsräte haben und denen oft nicht klar ist, an wen sie sich mit ihren Problemen wenden können. In den meisten Fällen werden sie zufällig auf das Angebot im Internet aufmerksam. Ein gutes Ranking in Suchmaschinen ist deshalb ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dies zu optimieren ist ein ständiger Prozess. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Schlüsselwörter, die von den Jugendlichen bei ihrer Problemrecherche benutzt werden. Je häufiger sich diese auch auf den Seiten der DGB-Jugend wiederfinden, desto besser werden die Angebote gefunden.

Die meisten Fragen der Auszubildenden drehen sich um Probleme wie ausbildungsfremde Tätigkeiten, Überstunden, Mobbing und Gewalt in der Ausbildung. Oft sind die Jugendlichen verzweifelt und überfordert. Das Beraterteam hat neben der formalen Beratungskompetenz auch einen sozialpädagogischen Hintergrund. Jeder Azubi erhält für die jeweilige individuelle Situation eine Orientierung für die spezielle Problemlage. Zur Beratung gehört auch, dass die Jugendlichen an Kontaktpersonen ihrer zuständigen Gewerkschaftsjugend vermittelt werden. Im optimalen Fall ist den Azubis mit der Beratung geholfen - und sie hatten einen positiven Erstkontakt mit der Gewerkschaft.

PERSÖNLICHER KONTAKT IN DER SCHULE_ Parallel zu unseren Angeboten im Netz versuchen wir, Schüler der Abgangsklassen, also in der Phase der Berufsorientierung, anzusprechen. Hier kann die DGB-Jugend die gewerkschaftliche Kompetenz für Ausbildung und Arbeit sehr gut platzieren. Insgesamt werden ca. 10 000 Schüler pro Jahr durch die Gewerkschaftsjugend erreicht. Einen wichtigen Platz nehmen dabei Planspiele zur Berufsorientierung und Beratungen rund um die Bewerbung ein. Die Jugendlichen erhalten konkrete Tipps und Anregungen bei der Suche nach einer geeigneten Ausbildungsmöglichkeit. Eine gute und kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Schulen bildet die Grundvoraussetzung für Zugang, Akzeptanz und Kontinuität.
Zu einem weiteren Schwerpunkt haben sich in den letzten Jahren die Berufsschulen entwickelt. Hier können Auszubildende angesprochen werden, die wir über die klassischen Strukturen im Betrieb nicht erreichen - zum Beispiel solche, die in kleinen Unternehmen lernen oder eine außerbetriebliche Ausbildung absolvieren. Bei einer Befragung unter 1000 Berufsschülern gaben 67 Prozent an, noch keinen Kontakt zu einer Gewerkschaft gehabt zu haben. Aber 38 Prozent konnten sich vorstellen, Gewerkschaftsmitglied zu werden. Daher haben wir unsere Arbeit an den Berufsschulen im vergangenen Jahr neu ausgerichtet und deutlich verstärkt.

Eines unserer Angebote ist ein Projekttag, der an einem ganzen Schultag einen tiefen Einblick in die Arbeit von Gewerkschaften bietet. Es gibt aber auch kürzere Unterrichtseinheiten, die das Wichtigste in 45 bis 90 Minuten zusammenfassen. Das Material bieten wir im Netz zum Download an. Zugleich referieren Mitglieder der DGB-Jugend selbst auf Berufsschultouren - zusätzlich zum Unterricht - über Tarifverträge, Mitbestimmung und Interessenvertretung. Wer will, kann sich direkt auf dem Schulhof beraten lassen und Mitglied werden.

Dabei gibt es bei der Berufsschularbeit eine klare Aufgabenteilung zwischen der DGB-Jugend und den Einzelgewerkschaften. Die Koordination und der Unterricht werden durch die DGB-Jugend organisiert, wogegen die Gewerkschaften beraten und die Auszubildenden direkt auf dem Schulhof ansprechen. Nur so lässt sich die Gewinnung von Mitgliedern effektiv organisieren. Die Teams bestehen in der Regel aus haupt- und ehrenamtlichen Aktiven der Gewerkschaftsjugend. Besuche an Berufsschulen laufen nicht immer reibungslos. Nicht jede Schule ist sofort begeistert, wenn die Gewerkschaftsjugend auf dem Schulhof auftaucht. Aber die wachsende Zahl an besuchten Berufsschulen zeigt, dass professionelles Auftreten Vertrauen schafft und dass es durchaus möglich ist, dort direkt über Gewerkschaften zu informieren. Allerdings ist eine flächendeckende Berufsschularbeit vor dem Hintergrund der zur Verfügung stehenden Ressourcen unmöglich. Daher werden derzeit entsprechende Unterrichtsmaterialien entwickelt, die auf eine bessere Nutzung durch die Berufsschullehrer selbst ausgerichtet sind.

STUDENTS AT WORK_ Zwei von drei Studenten in Deutschland sind darauf angewiesen, neben dem Studium zu arbeiten. Das sind derzeit rund 1,3 Millionen. Studierende sind für die Gewerkschaften eine interessante Klientel, die nach Ende ihres Studiums oft in guten und einflussreichen Positionen beschäftigt ist. Gerade bei den Akademikern tun sich die Gewerkschaften aber seit 30 Jahren schwer.

Das Projekt "students at work" soll Studierende erreichen, indem es sich als Dienstleister für alle Fragen rund um den Nebenjob empfiehlt. Die Webseite informiert kompakt über Fragen rund um das Gehalt, den Urlaub, Kündigungen, den Arbeitsvertrag und die Sozialversicherung. Ähnlich wie "Dr. Azubi" ermöglicht auch dieses Angebot, Fragen über ein Forum zu stellen, die möglichst zeitnah und kompetent beantwortet werden. Beraten wird durch ein Team von gewerkschaftlich Aktiven, die selbst noch studieren.

Wer mehr wissen will, wird unter anderem auf Seminaren und in Print-Publikationen der DGB-Jugend informiert. In etwa 40 Hochschulinformationsbüros oder Campus-Offices betreibt die Gewerkschaftsjugend außerdem Anlaufstellen für Studierende an den Universitäten und Fachhochschulen. Oft werden diese Büros in Kooperation zwischen einzelnen Mitgliedsgewerkschaften und der DGB-Jugend unterhalten. Beraten werden die Studierenden durch gewerkschaftlich aktive Kommilitonen, die sich dafür in speziellen Trainings ausbilden lassen.

Gerade für jüngere Leute hat sich die Verbindung kompakter Internet-Angebote mit persönlicher Ansprache bewährt. Insbesondere für einen Erstkontakt und für eine erste Information über die Angebote der Gewerkschaften scheint das Web gut geeignet.

Allerdings hat das Grenzen. Das Gros der Jugendlichen heute verbindet mit Gewerkschaft nach wie vor greifbare Personen. Das sind nicht zwingend hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre, sondern Jugend- und Auszubildendenvertreter, Betriebs- und Personalräte, Vertrauensleute und gewerkschaftlich Aktive. Ohne sie ist gewerkschaftliche Aktivierung und Gewinnung neuer Mitglieder undenkbar.


Mehr Informationen

Das Internet-Portal der DGB-Jugend
www.dgb-jugend.de

Dr. Azubi - Glossar und Forum für Fragen rund
um die Ausbildung: www.dr-azubi.de

Students at work - Für alle, die zugleich studieren und
arbeiten, aber auch für Betriebsräte, die Kontakt zu Studenten
suchen und Betriebsbesichtigungen o.ä. anbieten wollen:
www.students-at-work.de (einfach "Vor Ort" anklicken)

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