Bildungsarbeit: Neues Werkzeug für die Bildung
Der Weg zur sozialökologischen Wende führt über ein Redemanuskript. Doch das schlummert fest verschlossen in einem Safe. Wird das Team ihn öffnen können? Im Escape-Room der IGBCE lernen Gewerkschafter spielerisch, das Klima und die Arbeitswelt in Einklang zu bringen. Von Joachim F. Tornau
Ein Escape-Room ist ein Spiel, der Klimawandel und die sozialökologische Transformation sind Ernst. Die Herausforderung aber ist im Kern die gleiche: Menschen müssen aus einer schwierigen Lage in begrenzter Zeit einen Ausweg finden. Und das klappt nur, wenn sie gemeinsam nachdenken und handeln. Im Adolf-Schmidt-Tagungszentrum in Haltern am See kommt jetzt beides zusammen: Mit Unterstützung durch die Förderlinie Transformation der Hans-Böckler-Stiftung wurde in dem Haus, das seit 2024 vom IGBCE-Bildungsdienstleister BWS betrieben wird, ein Escape-Room zur sozialökologischen Transformation eingerichtet.
Detlef Lüke ist langjähriger Leiter des Zentrums und seit 2024 Fachsekretär im Kompetenzzentrum Bildung der IGBCE. Er kennt die Hemmschwellen vieler bei dem Thema: „Wir merken in unserer Bildungsarbeit immer wieder, dass der Begriff der Transformation als sperrig und bedrohlich wahrgenommen wird und sich viele Kolleginnen und Kollegen damit nicht so recht auseinandersetzen wollen.“ Der Escape-Room soll als neuartiges Bildungsangebot gegensteuern. „Es soll deutlich machen: Das Thema hat unmittelbar mit dir zu tun – als Gewerkschafter, als Vertrauensfrau, als Betriebsrat, als Mensch“, sagt Lüke.
Im Dachgeschoss des Tagungszentrums steht Torsten Schulz vor einem Schreibtisch. Er ist Experte bei der Technologieberatungsstelle NRW des DGB und Leiter des Projekts. Hier sieht es aus, als sei gerade noch gearbeitet worden, benutzte Kaffeetasse inklusive. Über dem Stuhl hängt eine Streikweste, in der Ecke hat jemand ein Gewerkschaftsbanner abgestellt, im Bücherregal stapelt sich so allerhand. „Ein halbwegs realistisches Szenario ist wichtig, um sich auf das Spiel einzulassen“, sagt Schulz.
Wir wollten ein Bildungsformat schaffen, das junge Leute und gestandene Aktive gleichermaßen anspricht.“
Vier solcher vermeintlichen (und verlassenen) Büros gibt es in dem mit schwarzen Tüchern aufgeteilten Escape-Room, jedes mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Sie gehören vier fiktiven Charakteren, die alle ein eigenes Interesse an der Transformation haben: einem altgedienten Betriebsrat mit Bergbauerfahrung, einem jungen Auszubildenden, einer Klimaforscherin und einer Gewerkschaftssekretärin. Sie soll beim Gewerkschaftstag eine wichtige Rede über die sozialökologische Transformation halten, aber sie ist verschwunden. Die Aufgabe der Teilnehmenden lautet darum, den Safe zu knacken, in dem die Rede eingeschlossen ist.
Rund 20 Rätsel müssen sie dafür lösen, binnen einer Stunde, die Hinweise sind überall in den Büros versteckt. Vielleicht in dem Pixi-Buch über Betriebsratsarbeit? Vielleicht im E-Piano der Klimaforscherin? Ganz bestimmt aber in den Klimafakten, die die Wissenschaftlerin der Gewerkschafterin geliefert hat, und in dem Nachhaltigkeitspodcast des Auszubildenden, der der Frage nachgeht, wie Klimawandel und Industriearbeitsplätze vereinbar sind.
„Wir wollten ein Bildungsformat schaffen, das junge Leute und gestandene Aktive gleichermaßen anspricht“, sagt Schulz. Eine zehnköpfige Gruppe hat das Konzept entwickelt. Zu ihr gehörten Betriebsräte, Vertrauensleute, hauptamtliche Gewerkschafter, Bildungsarbeiter und Auszubildende. Zudem steuerte der Verein Niedersächsischer Bildungsinitiativen seine Expertise bei, der Escape-Games bereits seit 2018 in der politischen Bildung einsetzt. „Ein spannender Prozess“, erzählt Projektleiter Schulz. „In Rätselstrukturen zu denken und zugleich inhaltlich etwas rüberzubringen, das war für mich völlig neu.“
Für die Herausforderungen der Transformation soll jedoch nicht nur beim eigentlichen Rätselraten sensibilisiert werden: Zum Spiel gehört immer auch die Nachbereitung. Die Rede der Gewerkschaftssekretärin sollten die Teilnehmenden am Ende hoffentlich gefunden haben. Das Skript leitet dabei die Diskussion ein.
In vielen Seminaren des Adolf-Schmidt-Tagungszentrums soll der Escape-Room künftig fester Bestandteil werden. Projektleiter Torsten Schulz aber denkt schon weiter: „Wir bauen hier den Prototyp“, erklärt er. In einem weiteren Projekt möchte er eine mobile Version schaffen. Damit die spielerische Suche nach Lösungen für die sozialökologische Transformation auch an vielen anderen Orten stattfinden kann.
Das Ziel der Förderlinie Transformation ist, mit kurzformatigen Projekten dem hohen Veränderungsdruck in der Arbeitswelt Rechnung zu tragen. Klimawandel, digitale Transformation und demografischer Wandel sind aktuelle Treiber für tiefgreifende Prozesse der Veränderung. Demokratie und Mitbestimmung in der Arbeitswelt sind etablierte Ansätze, um gute Lösungen gemeinsam zu finden. Wir bringen praktisches Erfahrungswissen und akademisches Wissen gewinnbringend und pragmatisch in Projekten zusammen.
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