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Magazin Mitbestimmung

: Frauen in Aufsichtsräten

Ausgabe 10/2005

Frauen sind auf der Anteilseignerseite in Aufsichtsräten der deutschen DAX- und MDAX-Unternehmen äußerst selten zu finden. Allein der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat ist es zu verdanken, wenn Deutschland im europäischen Vergleich nicht ganz schlecht abschneidet.

Von Birgit K. Mielke
Die Autorin ist Ökonomin und leitet ein Referat Wirtschaft in der Hans-Böckler-Stiftung. Ihre Doktorarbeit "Defizite in der Unternehmenskontrolle durch den Aufsichtsrat und Ansätze zur ihrer Bewältigung" ist gerade erschienen.
birgit-peters@boeckler.de

In Deutschland leisten es sich die Kapitalgeber der großen Unternehmen, in den Aufsichtsräten so gut wie ohne Frauen auszukommen. Dies belegt eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die die DAX- und MDAX-Unternehmen wie auch die im TecDAX untersucht hat. Danach liegt der Frauenanteil auf der Anteilseignerseite bei gerade einmal drei Prozent, während er auf der Arbeitnehmerseite immerhin mehr als 20 Prozent beträgt.

Wenn also in Deutschland im Schnitt der Frauenanteil bei elf Prozent liegt, - und damit im europäischen Mittelfeld - dann ist das allein der Unternehmensmitbestimmung zu verdanken. Von den insgesamt 129 in unserer Erhebung identifizierten Aufsichtsrätinnen wurden 110 von der Arbeitnehmerseite gewählt, und nur 19 kommen von der Anteilseignerseite. "Mitbestimmung erhöht Frauenquote" titelte auch das Handelsblatt und verweist seinerseits auf eine weitere Studie der Unternehmensberatung Towers Perrin.

Warum ist der Frauenanteil so gering? Ist es schwieriger, Frauen für ein Aufsichtsratsmandat zu gewinnen, da sie eher Bedenken haben, ob sie diese Positionen ausfüllen könnten, während Männer sich nicht scheuen, mehrere Mandate zu übernehmen? - Das zumindest legt die Initiative "Frauen in die Aufsichtsräte" nahe.

Datenbank sammelt geeignete Kandidatinnen

Mit diesem Slogan wirbt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin für die Erhöhung des Frauenanteils in deutschen Aufsichtsräten. Auf deren Homepage (http://www.aufsichtsraetinnen.de/) können sich Frauen, die bereit sind, ein Aufsichtsratsmandat anzunehmen, in eine Datenbank eintragen. Aufsichtsratsposten in der Berliner Wirtschaft seien nach wie vor fest in Männerhand, heißt es zur Begründung der Initiative. Zwar hätten die Fraktionen von SPD und PDS einem Antrag "Frauen in die Aufsichtsräte" zugestimmt, aber an der Umsetzung hapere es. Es stünde keine qualifizierte Frau zur Verfügung, begründete der Senat seine Entscheidung und besetzte die Aufsichtsräte in den Berliner Landesunternehmen weitgehend mit Männern.

Diese Praxis ist in der deutschen Wirtschaft gang und gäbe. Nun bietet die neue Datenbank unter http://www.aufsichtsraetinnen.de/ Unternehmen die Möglichkeit, qualifizierte Frauen für Aufsichtsräte zu finden. Sie soll auch einen Anreiz zum "Networking" unter den Teilnehmerinnen schaffen. Inzwischen sind bereits 100 Frauen in dieser Datenbank registriert - darunter beispielsweise Prof. Dr. Brigitte Clemens-Ziegler (Fachhochschule für Wirtschaft und Technik, Berlin), Anke Domscheidt (Managerin Accenture Berlin und Vorstandssprecherin des European Women's Management Development Network Berlin Brandenburg) und Viola Klein (Vorstand Saxonia Systems AG, Dresden).

Angeregt wird die Initiative aus Norwegen. Dort hatte eine Datenbank mit 4000 qualifizierten und kompetenten Frauen das Argument entkräftet, es gäbe keine Frauen, die Positionen in Aufsichtsräten übernehmen wollten und könnten.

Das Land zählt mit seinen Gleichstellungsbemühungen zur Spitze im internationalen Umfeld. So haben beispielsweise im norwegischen Parlament oder in staatlich dominierten Unternehmen mehr als 40 Prozent der Frauen einen Sitz. Weil eine freiwillige Quote ihr Ziel nicht erreicht hat, schreibt nun seit September 2005 ein Gesetz den 474 börsennotierten Aktiengesellschaften vor, dass sie künftig 40 Prozent der Sitze im Aufsichtsrat mit Frauen besetzen müssen.

Bestehende Aktiengesellschaften müssen diese Frauenquote bis Mitte 2007 erreicht haben, neue Aktiengesellschaften werden ab 2006 nur noch unter dieser Bedingung an der Börse zugelassen. Derzeit liegt der Frauenanteil in den norwegischen Boards insgesamt bei 15,7 Prozent. Eine länderübergreifende Studie kommt zu einem prozentualen Anteil von 22 Prozent, weil sie nur die größten europäischen Unternehmen in die Untersuchung einbezogen hat (siehe Grafik).

Warum ist in Deutschland der Frauenanteil so verschwindend gering, vor allem bei den Shareholdern? "Aufsichtsratsmitglieder werden vor allem aus der ersten Führungsebene rekrutiert; leider sind Frauen auf dieser Ebene nur schwach vertreten, so dass sie gar nicht erst in die Auswahl kommen", gibt die Geschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) Jella Benner-Heinacher zu bedenken. Geeignete Frauen seien wohl eher auf der zweiten und dritten Führungsebene zu finden, meint Benner-Heinacher, die ein Aufsichtsratsmandat bei der TUI AG hat.

Zu wenige erfolgreiche Unternehmerinnen?

Hilmar Kopper, Aufsichtsratsvorsitzender der DaimlerChrysler AG, konstatiert ähnliche Mangelerscheinungen: "Vielleicht liegt es für die Anteilseignerseite daran, dass wir relativ wenig ausgewiesene und erfolgreiche Unternehmerinnen (selbstständig und unselbstständig) in Deutschland haben." Von einer Quotierung hält Kopper nichts, um den Anteil von Frauen zu erhöhen, müsse man "immer wieder drüber reden und sich wirklich anstrengen", so Hilmar Kopper.

Tatsache ist: Das Reden und die Anstrengungen des Old-Boys-Network der traditionellen Deutschland AG haben bisher wenig gebracht. Als die großen Finanzunternehmen in den 90er Jahren ihre Beteiligungen an den Industrieunternehmen verkauften, rückten auf der Anteilseignerseite vor allem ehemalige Vorstände in frei gewordene Aufsichtsratsposten vor - das heißt, die personelle Erneuerung und Modernisierung der Aufsichtsräte - mit mehr Frauen und mehr ausländischen Board-Mitgliedern - blieb aus, wie Martin Höpner vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln gezeigt hat. "Die gängige Praxis, nach der sich Manager Aufsichtsratsposten zuschieben, ist besorgniserregend", äußerte in diesem Kontext ein OECD-Experte.

In Deutschland spielen für die Besetzung von Aufsichtsratsmandaten "große Namen" und "gute Kontakte" eine wichtige Rolle - diese Erfahrung hat eine Personalberatungsgesellschaft gemacht, die Aufsichtsräte an Unternehmen vermittelt. Während Konzerne - aus Imagegründen - gerne zumindest eine Frau für Aufsichtsrats- und Vorstandsposten hätten, sieht das bei mittelständischen Unternehmen anders aus. "Keine Frauen", lautet die meistgeäußerte Anforderung an ein Kandidatenprofil für ihre Aufsichtsräte.

Ein Blick auf die Vorstände deutscher Aktiengesellschaften zeigt kein anderes Bild: "Männlich, deutsch und um die 60" urteilte das Handelsblatt. Weibliche Unternehmensvorstände kann man in Deutschland an einer Hand abzählen: Gabriele Stopka bei Douglas-Drogerien, Angelika Marr beim Puppenhersteller Zapf und Iris Löw-Friedrich bei Schwarz Pharma. Erst kürzlich kamen noch zwei Vorstandsfrauen hinzu: Christine Licci bei der HypoVereinsbank und Karin Dorrepaal bei Schering.

Wobei insgesamt 51 Aktiengesellschaften mit insgesamt 250 Vorstandsmitgliedern von der Personalberatung Spencer Stuart untersucht wurden. Davon sind fünf Frauen, das entspricht einem Anteil von mageren zwei Prozent.

Douglas: sie kennen die Vorlieben der Kundinnen

Entlang unserer Hans-Böckler-Studie sind in den Aufsichtsräten von fünf DAX-30- und 20 MDAX-Unternehmen gar keine Frauen vertreten. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass es sich um männerdominierte Branchen handelt, wie beispielsweise ThyssenKrupp, DaimlerChryler oder den Reifenhersteller Continental. Im Gegensatz dazu liegt die Frauenquote im Aufsichtsgremium des Life-Style-Unternehmens Douglas bei 50 Prozent - wobei die Arbeitnehmerseite sich bemerkenswerterweise ganz aus Frauen rekrutiert.

Offenbar hat man bei Douglas erkannt, dass die Besetzung von Frauen in Aufsichtsräten ökonomisch Sinn macht, weil damit auch die Sichtweisen von Kundinnen und Verbraucherinnen repräsentiert sind. Sabine Bangert von der Initiative "Frauen im Aufsichtsrat" weist darauf hin, dass die männlich dominierte Wirtschaftselite auf Dauer auf das Potenzial hervorragend qualifizierter Frauen nicht verzichten könne - und dies gelte nicht nur für Aufsichtsräte.

"Brauchen wir auch eine Quotierung?", fragte das Magazin Mitbestimmung im Juni 2005 einige Experten. Der Wirtschaftsrechtler Roland Köstler ist der Ansicht, dass man mit der Frauenquote, die seit 2001 in der Betriebsverfassung festgeschrieben ist, doch erstmal Erfahrungen sammeln könne. Margret Mönig-Raane, Vizechefin von ver.di, spricht sich gegen eine fixe Quote aus und dafür, dass die Unternehmen über ihre Aktivitäten zur Erhöhung des Frauenanteils berichten sollten.

Man könnte ja auch die zweite Führungsebene der Unternehmen stärker als bisher in die Personalauswahl für die Aufsichtsräte einbeziehen, schlägt DSW-Geschäftsführerin Benner-Heinacher vor. "Außerdem sollte man nicht nur die Aufsichtsräte aus Aktiengesellschaften rekrutieren, sondern auch auf Geschäftsführerinnen aus größeren GmbHs zurückgreifen", meint Benner-Heinacher.

Weiterhin macht es Sinn, wenn amtierende Mitglieder des Aufsichtsrats mögliche Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in ihren Reihen thematisieren, sprich auf die Tagesordnung setzen. Dabei könnte man sich an der Praxis politischer Parteien orientieren. Während Bündnis 90/Die Grünen seit Jahren die paritätische Besetzung von Mandaten verinnerlicht haben, sieht die SPD einen prozentualen Frauenanteil vor. CDU/CSU und FDP begrüßen zwar Frauen in ihren Parteien, jedoch ohne einen Prozentsatz festzuschreiben. Die Ergebnisse sprechen für sich: Frauen stellen 58 Prozent der Bundestagsabgeordneten bei Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD sind es immerhin knapp 38 Prozent, während die Volksvertreterinnen bei der CDU/CSU 23 Prozent erreichen und 25 Prozent bei der FDP (Legislaturperiode 2002 bis 2005).

Eine Alternative zu gesetzlichen Regelungen wäre eine "Soll-Empfehlung" im Deutschen Corporate Governance Kodex, die zum Beispiel festlegt, dass ein Drittel der Aufsichtsratsposten mit Frauen zu besetzen sind. Damit wären zunächst alle börsennotierten Gesellschaften verpflichtet, in der jährlich abzugebenden Entsprechenserklärung zum Kodex eine Stellungnahme zur existierenden Frauenquote im Unternehmen abzugeben.

Das wäre immerhin ein erster Schritt der Unternehmen, den geringen Anteil von drei Prozent Frauen auf der Anteilseignerseite der Aufsichtsräte zu beenden. Diese personell zu modernisieren ist nicht nur ein Gebot der Chancengleichheit. Es zeugt auch von ökonomischer Kurzsichtigkeit, in der strategischen Positionierung der Unternehmen auf die Kompetenz von Managerinnen und Arbeitnehmerinnen und die Sichtweise von Kundinnen zu verzichten.

 

Die jüngste Aufsichtsrätin

Michaela Heizmann ist im August 25 Jahre alt geworden und damit die jüngste Aufsichtsrätin Deutschlands. Vor einem Jahr wurde sie auf der Liste der IG Metall in den Aufsichtsrat der Alcan Singen GmbH gewählt, einem Automobilzulieferer in Engen am Bodensee. Weil der Betriebsratsvorsitzende jungen Nachrückern eine Chance geben wollte, hat er seine Sekretärin zur Kandidatur bewogen: "Dass mir die Belegschaft ihr Vertrauen entgegen bringt, hat mich dann selbst am meisten überrascht", freut sich Michaela Heizmann. Und hat gleich ein Aufsichtsrats-Grundlagenseminar besucht.

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