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Magazin Mitbestimmung

Von HANS JüRGEN ARLT: Erfolgreiche Kampagnen

Ausgabe 02/2018

Rezension Eine Dissertation vergleicht drei erfolgreiche gewerkschafliche Kampagnen miteinander. Sie gibt Hinweise, wie Gewerkschaften in die Offensive kommen können.

Von HANS JüRGEN ARLT

Über Erfolge schreibt man leichter. Sascha Kristin Fuths Forschungsarbeit über die „Strategische Kommunikation von Gewerkschaften“ an den Beispielen der Kampagnen „Samstags gehört Vati mir“, „35-Stunden-Woche“ und „Mindestlohn“ beschäftigt mit sich drei erfolgreichen gewerkschaftlichen Kampagnen. Die Frage muss gestellt werden, ob sich über die gewerkschaftliche Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit die gleichen Befunde ergeben hätten, wären Ladenöffnungszeiten, betriebliche Bündnisse für Arbeit und die Hartz-IV-Reformen die Untersuchungsobjekte gewesen.

Aber damit hat es sich schon mit den kritischen Nachfragen zu Sascha Fuths Forschungsarbeit. Die Studie, entstanden als Dissertation an der Universität Kassel am Lehrstuhl von Wolfgang Schroeder, hat die Qualität eines Standardwerks, an dem auf lange Zeit keine Auseinandersetzung mit Gewerkschaftskommunikation vorbeikommen wird. Methodische Reflexion, empirische Akribie und ein hoher Forschungsaufwand haben ein nützliches Stück wissenschaftlicher Handwerkskunst entstehen lassen an den Schnittstellen von Zeitgeschichte, Politologie und Kommunikationsstrategie.

Der Analysehorizont wird weit gespannt. Auf rund hundert Seiten beschreibt Futh „Strukturveränderungen gewerkschaftlicher Interessenvertretung“, den Forschungsstand der „Verbandskommunikation“ und die „Entwicklung der gewerkschaftlichen Kommunikationsarbeit“.  Die drei Kampagnen werden dann nach einem gemeinsamen Muster aufbereitet, das die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen ebenso berücksichtigt wie die strategische Führung,  die Funktionstüchtigkeit des Apparats und die operative Umsetzung. Ein Zwischenfazit hält jeweils Erfolgsfaktoren und Hemmschwellen fest.

Für die Mindestlohn-Kampagne wird zum Beispiel erläutert, dass es nach einem langwierigen und schwierigen Prozess zwischen 2002 und 2007 gelungen sei, Einigkeit unter den DGB-Mitgliedsgewerkschaften herzustellen; der Kampagne habe jedoch ein emotionales Symbol gefehlt, das – wie das Sonnen-Logo der Kampagne 35-Stunden-Woche – zur Identifikation eingeladen hätte. „Die historische Betrachtung zeigt zwar einerseits, dass ein Kampagnen-Boom bei den Gewerkschaften ab den 1990er Jahren festzustellen ist, andererseits wurden Kampagnen schon immer genutzt, um fehlende Machtressourcen auszugleichen“, resümiert Futh.

Entscheidend sei, „strategisch Ziele und deren Umsetzung zu planen sowie die Zielerreichung lange vorzubereiten“. Die Mindestlohn-Kampagne, die „nicht nur auf Großaktionen ausgerichtet, sondern auch regional und im Internet verankert“ war, habe gezeigt, dass die DGB-Gewerkschaften auch unter den Bedingungen des globalen und digitalen Kapitalismus nicht nur Gegenwehr leisten, sondern auch politische Offensive initiieren können. Das habe sich positiv auf die Stabilität der Organisation und die Mitgliederentwicklung ausgewirkt.  Die Autorin arbeitet seit April 2017 in der Vorstandsverwaltung der IG Metall in Frankfurt.

Foto: Karsten Schöne

Sascha Kristin Futh: Strategische Kommunikation von Gewerkschaften. Die Kampagnen Samstags gehört Vati mir, 35-Stunden-Woche und Mindestlohn, Springer VS 2018. 388 Seiten, 49, 99 Euro, als E-Book 39, 99 Euro.

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