zurück
SAP Magazin Mitbestimmung

Unternehmensrecht: Ein Etappensieg

Ausgabe 05/2020

Der Streit um das Vorschlagsrecht bei SAP landet jetzt beim Europäischen Gerichtshof. Von Andreas Molitor

Daniel Hays Einschätzung lässt wenig Spielraum für Interpretationen. „Das war ein guter Tag für die Unternehmensmitbestimmung“, urteilt der Direktor des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Rede ist von der jüngsten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Streit um Mitbestimmungsrechte bei Europas größtem Softwarehersteller SAP. Strittig war, ob Gewerkschaften ihr exklusives Vorschlagsrecht für Aufsichtsratssitze auch dann behalten, wenn ein deutsches Unternehmen sich in eine Europäische Gesellschaft (SE) umwandelt. Das Bundesarbeitsgericht fällte keine grundsätzliche Entscheidung, bestätigte aber die Auffassung der Gewerkschaften, dass „ein gesondertes Auswahlverfahren für von Gewerkschaften vorgeschlagene Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer zu gewährleisten ist“. Damit sehe das Gericht, so Daniel Hay, „Vertreter von Gewerkschaften zu Recht als ein prägendes Element der deutschen Unternehmensmitbestimmung“; durch seine Entscheidung habe es „die ordnungspolitische Bedeutung von Gewerkschaften gestärkt“. Zur endgültigen Klärung gaben die Richter am höchsten deutschen Arbeitsgericht den Fall an den Europäischen Gerichtshof.

Die Vorgeschichte klingt kompliziert. Das im baden-württembergischen Walldorf beheimatete Unternehmen, bis dato eine AG nach deutschem Recht, gab sich 2014 die Rechtsform der SE. Von den 18 Aufsichtsratssitzen sind neun für Arbeitnehmervertreter reserviert. Davon dürfen die Gewerkschaften zwei Sitze besetzen. Seit der Umwandlung in eine SE gilt für die Aufsichtsratsbesetzung allerdings nicht mehr das deutsche Mitbestimmungsgesetz, sondern das SE-Beteiligungsgesetz. Auf dessen Basis können Management und ein von den Beschäftigten gewähltes Besonderes Verhandlungsgremium eine sogenannte Beteiligungsvereinbarung zur Ausgestaltung der Mitbestimmung abschließen. Im Fall SAP sieht eine solche Vereinbarung vor, dass die Zahl der Aufsichtsratsmandate auf zwölf reduziert werden kann. Davon stünden zwar nach wie vor die Hälfte der Arbeitnehmerseite zur Verfügung, die festen Sitze für die Gewerkschaftsvertreter allerdings würden entfallen.

Dagegen klagten IG Metall und Verdi. Sie mutmaßen, Unternehmen könnten die Flucht in die SE antreten, um den gewerkschaftlichen Einfluss in der Mitbestimmung zu schwächen. Der Wegfall des exklusiven Vorschlagsrechts, so ihre Argumentation, sei ein Verstoß gegen das SE-Beteiligungsgesetz, wonach das nach der Umwandlung in eine SE bestehende Ausmaß der Mitbestimmung dem vorherigen Zustand zu AG-Zeiten „in Bezug auf alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung“ zumindest zu entsprechen habe.

Die Gewerkschaften werten die Entscheidung des BAG als Etappensieg. „Der Versuch, die deutsche Mitbestimmung bei der Umwandlung in eine SE auszuhebeln, ist zu Recht als europarechtlich relevant eingestuft worden“, so Christoph Meister, Mitglied des Verdi-Bundesvorstands. Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, sieht deutsche und europäische Gesetzgeber nunmehr gefordert, vorhandene Gesetzeslücken zu schließen, „um weiteren Raubbau an der Mitbestimmung zu unterbinden“. Der Urteilsspruch aus Luxemburg wird mit Spannung erwartet. Schließlich haben sich bereits Hunderte deutscher Unternehmen, darunter auch Konzernschwergewichte wie Allianz, BASF, E.ON und Springer, in den vergangenen Jahren für den Weg in die SE entschieden.

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen