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Mona Haydar: „Hijabi (Wrap my Hijab)“ (2017) Me and my hijabi ladies We was born in the eighties So pretty like the Euphrates and party like some Kuwaitis Deeper than some diplomas Current like some hot yoga Takin‘ back the misnomers and Teleportin‘ through trauma (…) Magazin Mitbestimmung

Von MARTIN KALUZA: Das coolste Kopftuch der Stadt

Ausgabe 11/2017

Das politische Lied Mona Haydar will Vorurteile gegenüber Muslimen abbauen. 2015 startete die Amerikanerin, zusammen mit ihrem Ehemann, die Aktion „Ask a muslim“, und kam so mit Passanten auf der Straße ins Gespräch; jetzt veröffentlichte sie den Song „Hijabi (Wrap my Hijab)“ – und ist selbst in aller Munde.

Von MARTIN KALUZA

„Ihr habt unsere Leute umgebracht!“, raunt ein unbekannter Mann einer jungen Frau mit Kopftuch ins Ohr, als sie an einem Flughafen in einer Schlange steht, um einen Frozen Yoghurt zu kaufen. Die Frau heißt Mona Haydar, sie ist muslimische Amerikanerin, ihre Eltern sind in den Sechzigerjahren aus Syrien eingewandert.

Es sind erst einige Tage vergangen, seit ein aus Pakistan stammendes Ehepaar 2015 bei einem Anschlag auf ein Sozialzentrum im kalifornischen San Bernardino 14 Menschen getötet und 21 verletzt hat. Seitdem schwappt eine Welle der Islamfeindlichkeit durch die USA. Der Vorfall vom Flughafen geht Haydar nicht mehr aus dem Kopf. Sie denkt sich: Wenn der Mann mich kennen würde, hätte er so etwas nicht gesagt.

Haydar und ihr Ehemann Sebastian Robins möchten dem Hass etwas entgegensetzen. Ihr Gedanke: Hass speist sich aus Angst, und die beruht oft genug auf Unwissen. Also beschließen sie, ihren Mitbürgern zu zeigen, was der Otto Normalmuslim denkt und wie er so lebt. Sie besorgen Donuts und Kaffee und bauen vor der öffentlichen Bibliothek in Cambridge/Massachusetts einen kleinen Stand auf. Sie malen ein Schild: „Ask a muslim!“ – „Frag einen Muslim!“

Einmal pro Woche laden sie Passanten ein, suchen das Gespräch, erzählen offen und geduldig. „Das ist eine großartige Erfahrung. Die Leute finden das anregend, und die Muslime fühlen sich unterstützt“, sagt Haydar dem People Magazine.

Was ihr allerdings auffällt: Wenn sie nicht an ihrem Stand bei Kaffee und Donuts plaudert, nehmen manche Menschen Anstoß an ihrem Kopftuch. Wie diesen üblichen Vorurteilen etwas entgegensetzen? Sie hat eine Idee und produziert den Song „Hijabi (Wrap my Hijab)“, in dem sie rappt: „Wie sieht dein Haar eigentlich aus? / Ich wette, dein Haar sieht gut aus / Schwitzt man darunter nicht? / Sitzt das nicht zu stramm?“

Im Video tanzen unterschiedlichste Frauen mit Kopftuch; zur Choreographie gehört eine lässige Wickelbewegung in drei Schritten. Haydar selbst tätschelt sich den Schwangerschaftsbauch und singt: „Even if you hate it – I still wrap my hijab!“ Ein Wortspiel, das „Ich wickel mein Kopftuch“ heißen kann, aber auch „Ich rappe über mein Kopftuch“. An ihre Mädels gerichtet: „Keep swaggin‘ my hijabis!“ Swag – das steht im Rap-Jargon für alles, was modisch auf der Höhe ist und womit man ein bisschen angeben kann. Song und Video strotzen vor weiblichem Selbstbewusstsein.

Dass Haydar ein wichtiges Thema am Wickel hat, sieht man in den Kommentarspalten unter ihren Videos. Neben viel Zustimmung ist dort auch nachzulesen, dass sich zwei sehr unterschiedliche Gruppen provoziert fühlen: Die einen ereifern sich und legen Haydar boshaft nahe, sie solle nach Saudi Arabien gehen oder sich beschneiden lassen. Die anderen werfen ihr vor, es sei unsittlich, mit Kopftuch zu tanzen, und überhaupt verhöhne sie ein religiöses Symbol. Islamisten ist sie genauso ein Dorn im Auge wie Islamophoben. Das Erfrischende an Haydars Video: Es spricht aus der Perspektive der Frauen, über deren Köpfe hinweg sonst so gerne gesprochen wird in den politischen und juristischen Debatten.

Der Song zeigt auch: Es muss kein Widerspruch sein, dass die Kopftuchpflicht in autoritären Staaten wie Saudi-Arabien oder dem Iran ein Zeichen der Unterdrückung von Frauen ist und dass manche muslimische Frauen in offenen Gesellschaften es trotzdem freiwillig tragen möchten. Haydar nimmt den Vorwurf vorweg, Kopftuch tragende Frauen seien grundsätzlich unterdrückt. Sie singt: „Make a feminist planet / Women haters get banished / Covered up or not / Don’t ever take us for granted.” Auf Deutsch heißt das etwa: „Wir schaffen einen feministischen Planeten / Frauenfeinde werden verbannt / Ob verhüllt oder unverhüllt / Denkt nicht, dass wir nach eurer Pfeife tanzen.”

Aufmacherfoto: Mona Haydar/YouTube

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