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Marine Le Pen Magazin Mitbestimmung

Rechtspopulisten in Frankreich: Spalten und herrschen

Ausgabe 01/2021

In Frankreich präsentiert sich Nationalistenführerin Marine Le Pen als Anwältin der Arbeiter und Angestellten Von Eric Bonse

Die größte Gefahr für die politische Stabilität der Europäischen Union (EU) geht weiter von den Nationalisten in Frankreich aus. Der „Rassemblement National“ (RN), hervorgegangen aus dem rechtsextremen „Front National“ des mittlerweile 92-jährigen Jean-Marie Le Pen, ist europaweit die größte und am besten verankerte rechte Partei. Ihre Wurzeln lassen sich bis ins Vichy-Regime im Zweiten Weltkrieg zurückverfolgen, und ihr Einfluss reicht weit bis in die Arbeitermilieus und die Gewerkschaften hinein.

Geschickt versucht Parteiführerin Marine Le Pen, Tochter von Jean-Marie Le Pen, sich die Spaltung der französischen Gewerkschaftsbewegung zunutze zu machen – und sich selbst als Anwältin der Arbeiter und Angestellten zu präsentieren. Bei den Protesten gegen die Rentenreform im Januar 2020 gelang ihr dies weitgehend. Da die großen Gewerkschaftsbünde nicht gemeinsam gegen die von Präsident Emmanuel Macron durchgeboxte Reform vorgingen, konnte sich Le Pen als vermeintliche Alternative präsentieren.

Ein fast schon existenzielles Problem

Für die Gewerkschaften in Frankreich ist der mittlerweile RN ein fast schon existenzielles Problem. Vor allem die ehemals größte und radikalste Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT) sieht sich herausgefordert. Früher war sie kommunistisch, heute wählen sogar CGT-Funktionäre die Nationalisten.

Eine Anti-RN-Plattform innerhalb der CGT wehrt sich gegen den zunehmenden Einfluss der Rechtspopulisten. Le Pen wolle die Gewerkschaften gefügig machen, heißt es dort, nach einem Wahlsieg droht sogar die Zerschlagung. Die RN-Führerin fordere zwar die Rente mit 60 – aber nur für jene, die sie selbst bezahlen können, heißt es in der Bewegung, der sich viele CGT-Mitglieder angeschlossen haben. Auch die 32-Stunden-Woche sei eine Mogelpackung – denn der RN wolle sie, wenn überhaupt, nur ohne Lohnausgleich einführen.

Auch die lange Zeit sozialistisch orientierte und heute parteipolitisch ungebundene Confédération française démocratique du travail (CFDT) wehrt sich gegen die Sozialdemagogie der Nationalisten. Weniger klar ist der Kurs von „Force ouvrière“ (FO): Le Pen versucht, die traditionell unberechenbare „dritte Kraft“ der französischen Gewerkschaftsbewegung auf ihre Seite zu ziehen. CFDT-Chef Laurent Berger beschuldigt die FO sogar, sich zum „Komplizen“ der Nationalisten zu machen.

  • Philippe Martinez (Mitte) ist Vorsitzender der französischen Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT)
    Philippe Martinez (Mitte) ist Vorsitzender der französischen Gewerkschaft Confédération générale du travail (CGT)

Staatstragendes Image

Politisch gilt Marine Le Pen als ernstzunehmende Rivalin von Staatspräsident Macron. Bei der Präsidentschaftswahl 2017 hatte sie mit 33,9 zu 66,1 Prozent allerdings klar gegen Macron verloren, was vor allem ihrer scharfen antieuropäischen Rhetorik geschuldet war. Die streifte sie nach der Wahlniederlage ab, gab sich ein staatstragendes, bürgerliches Image und wird Macron 2022 erneut herausfordern.

Zwischen Macron und Le Pen gibt es keine „Mitte“ mehr, wie man sie in Deutschland kennt – der Graben erinnert an die tief gespaltene amerikanische Gesellschaft. Le Pen hat sich denn auch Donald Trump zum Vorbild erkoren; seine Amtszeit verlieh dem RN eine gewisse außenpolitische Legitimität. Allerdings hat sich dieser Vorteil nun in sein Gegenteil verkehrt. Le Pen verpasste nach der Präsidentschaftswahl in den USA den Absprung und rückte erst von Trump ab, als es nicht mehr anders ging: nach dem Sturm des aufgestachelten Mobs auf das Kapitol.

Plötzlich zeigte sie sich „äußerst schockiert über die Bilder der Gewalt“; sogar den Wahlsieg von Joe Biden hat Le Pen nun anerkannt. Glaubwürdig erscheint das nicht; schließlich hatte sie Bidens Wahlsieg genau wie Trump bis zuletzt geleugnet und die Gewalt der französischen „Gelbwesten“ in Paris immer wieder gutgeheißen. Letztlich befindet sich Le Pen in einem permanenten „Widerspruch zwischen staatstragender und antirepublikanischer Haltung“, so die Frankfurter Rundschau. Sie steht für „Law and Order“, heizt aber auch gern einen Aufstand an.

Ob ihr das bei Wahlen schadet, ist nicht ausgemacht. Bei der Europawahl 2019 lag der RN knapp vor Macrons La République en Marche. Neuerdings versucht Le Pen, aus dem Versagen der Regierung in der Coronakrise politisches Kapital zu schlagen. Wenn die Pandemie, wie prognostiziert, eine schwere Wirtschafts- und Sozialkrise in Frankreich auslöst, ist dies Wasser auf die Mühlen von Le Pen.

Bei der Präsidentschaftswahl 2022 wird die EU deshalb wohl erneut zittern müssen.

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