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HBS Böckler Impuls

Bildung: Zwischen Hörsaal und Betrieb

Ausgabe 15/2018

Ein berufsbegleitendes oder duales Studium kann viele Vorteile haben. Allerdings ist die Belastung für die Absolventen hoch. Und im Betrieb haben es Studierende oft schwerer als andere Beschäftigte.

Studium mit Ausbildung oder Beruf verbinden – dieses Modell erfreut sich wachsender Beliebtheit. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ist die Nachfrage nach dualen und berufsbegleitenden Studiengängen stark gestiegen. Warum sich mehr Menschen dafür entscheiden, das Studium an der Hochschule mit der Arbeit im Betrieb zu verbinden, und wie ihnen das gelingt, haben Sigrun Nickel und Nicole Schulz vom CHE Centrum für Hochschulentwicklung sowie Vitus Püttmann von der Universität Hannover erforscht. Ihre von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie basiert zum einen auf einer Befragung von Studierenden, zum anderen auf einer genauen Analyse einzelner Studiengänge.

Einen „regelrechten Boom“ habe es bei den dualen Studiengängen gegeben, schreiben die Wissenschaftler. Während sich im Jahr 2005 weniger als ein Prozent aller Studienanfänger für ein solches Studium entschieden, waren es 2014 bereits fast fünf Prozent. Die Forscher gehen davon aus, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Das liegt auch daran, dass die Studiengänge von  Hochschulen und ihren Kooperationsunternehmen teilweise stark beworben werden. Ein duales Studium richtet sich in erster Linie an Schulabgänger, die ein Hochschulstudium mit der praktischen Arbeit im Betrieb kombinieren wollen. Hochschulen und Unternehmen stimmen sich bei Gestaltung der Studiengänge ab. Sofern Studiengebühren anfallen, übernehmen die Arbeitgeber häufig die Kosten.

Dagegen richtet sich das berufsbegleitende Studium an Personen, die bereits im Beruf stehen und sich weiterqualifizieren wollen. Auch in diesem Bereich stieg die Nachfrage, allerdings in geringerem Maße. Hier wirkten sich die Gebührenpflicht oder fehlende Unterstützung durch Arbeitgeber hemmend aus, schreiben die Forscher. Die meisten berufsbegleitenden und dualen Studiengänge gibt es an privaten Fachhochschulen. Universitäten sind in beiden Bereichen weniger aktiv.

Wer ein berufsbegleitendes oder ein duales Studium aufnimmt, verbindet damit bestimmte Erwartungen: Die Befragten schätzen die Verzahnung von Theorie und Praxis, erhoffen sich bessere Einstiegs- oder Aufstiegsmöglichkeiten. Nicht selten erweist sich die Doppelbelastung jedoch als stressig. Das gilt vor allem für diejenigen, die berufsbegleitend studieren. Häufig bleibt ihnen kaum Freizeit, erst recht wenn sie zusätzlich noch Kinder betreuen. Auch das Vorbereiten von Prüfungen empfinden sie als belastend. Dies habe vermutlich damit zu tun, dass berufsbegleitend Studierende stärker auf sich allein gestellt sind, während dual Studierende durch ihr Präsenzstudium intensiver in ihrer Hochschule eingebunden sind, schreiben Nickel, Schulz und Püttmann.

Viele fühlen sich erschöpft

Allerdings sagen auch die dual Studierenden, dass sie ihre Freizeitaktivitäten deutlich einschränken müssen, weil das Vor- und Nachbereiten von Studieninhalten und der Besuch von Präsenzveranstaltungen neben der Ausbildung im Betrieb so viel Zeit in Anspruch nimmt. Ein Teil der Befragten führt das auch auf Lücken bei der Abstimmung zwischen der Theorie an der Hochschule und der Praxis im Betrieb zurück. Ein Gefühl der Erschöpfung ist in beiden Gruppen weit verbreitet. Immerhin: Die Quote derjenigen, die ihre Hochschulausbildung vorzeitig abbrechen, ist weder im berufsbegleitenden noch im dualen Studium höher als bei anderen Studierenden.

Nach Ansicht der Befragten könnte einiges getan werden, um die Belastung zu verringern. Vor allem wünschen sich die Betroffenen, dass die Hochschulen beruflich erworbene Kompetenzen stärker als bisher anerkennen. Dadurch könnte die Studienzeit insgesamt kürzer ausfallen. Nebenbei wären dann auch die Kosten im berufsbegleitenden Studium geringer, weil weniger gebührenpflichtige Module belegt werden müssten. „Hier besteht ein klarer Handlungsbedarf“, schreiben die Wissenschaftler. Denkbar sei außerdem die Einführung innovativer Prüfungsformen wie zum Beispiel die Simulation berufsnaher Situationen.

Problematisch ist oft  die rechtliche Absicherung von dual Studierenden: Im Rahmen von praxisintegrierenden Studiengängen erhalten die Studierenden häufig lediglich einen Vertrag als Praktikant oder Werkstudent. Damit sind sie schlechter gestellt als andere Beschäftigte oder Auszubildende, ihr Lohn fällt geringer aus, auch die Zahl der Urlaubstage. Und während sich Auszubildende bei Problemen an eigene Vertreter und den Betriebsrat wenden können, fehlt dual Studierenden aufgrund ihres rechtlichen Status oft diese Möglichkeit.

Hinzu kommt, dass sie sich mitunter nicht nur dazu verpflichten müssen, eine gewisse Zeit nach dem Studienabschluss im Unternehmen zu bleiben, sondern auch einwilligen, Studiengebühren und andere finanzielle Aufwendungen abzuarbeiten,  damit sich die Investition für den Arbeitgeber rentiert. Dadurch könne ein Abhängigkeitsverhältnis entstehen, schreiben die Wissenschaftler und empfehlen: Arbeitnehmervertreter sollten die Situation der Studierenden in ihrem Unternehmen „kritisch prüfen und bei Bedarf intervenieren“. Ähnliches kann auch im berufsbegleitenden Studium vorkommen – hier sei es aber deutlich schwieriger, sich einen Überblick zu verschaffen, weil ein berufsbegleitendes Studium oft ohne Wissen des Arbeitgebers durchgeführt wird.

  • Immer mehr Menschen verbinden ein Studium mit Ausbildung oder Beruf. Zur Grafik

Neben dem traditionellen Studium, das in Vollzeit an einer Hochschule absolviert wird, gibt es mittlerweile eine Reihe flexibler Studienformen:

  • Duales Studium: Enge Verzahnung von Theorie und Praxis. Die Studierenden wechseln zwischen Studienzeiten an der Hochschule und Arbeitszeiten im Betrieb. Dabei muss man unterscheiden zwischen ausbildungs- und praxisintegrierenden Studiengängen. Während im ersten Fall eine Berufsausbildung mit einem Studium kombiniert wird, handelt es sich im zweiten Fall um eine Kombination eines Studiums mit längeren Praxisphasen im Unternehmen. Die Nachfrage nach dieser Form des Studiums nimmt deutlich zu.
  • Berufsbegleitendes Studium: Wird von Personen aufgenommen, die bereits berufstätig sind und sich nebenher weiterqualifizieren wollen. Arbeitgeber wissen oft nichts davon, dass ihre Mitarbeiter berufsbegleitend studieren. Dementsprechend gibt es – anders als im dualen Studium – kaum formale oder strukturelle Verbindungen zwischen Hochschule und Arbeitsplatz.
  • Teilzeitstudium: Anforderungen wie bei einem Vollzeitstudium, aber ­ gestreckt auf eine längere Studienzeit – zum Beispiel um Familie und Studium besser vereinbaren zu können.
  • Fernstudium: Der größte Teil des Studiums findet abseits einer Hochschule im Fernunterricht statt, etwa mithilfe multimedialer Lehrmaterialien.
  • Akademische Weiterbildung: In das Konzept des lebenslangen Lernens eingebettete Qualifizierungsangebote, die an einen ersten Abschluss in der Berufsausbildung oder der Hochschulbildung anknüpfen.
  • Blended Learning: Eine Kombination verschiedener Möglichkeiten des Online-Studierens mit Präsenzphasen an der Hochschule.
  • Individueller Studienverlauf: Ein in Abhängigkeit von den individuellen ­Studienbedingungen ausgestalteter Studienablauf, der nach Beratung und Unterstützung vertraglich mit den Studierenden vereinbart wird.

Sigrun Nickel, Vitus Püttmann, Nicole Schulz: Trends im berufsbegleitenden und dualen Studium (pdf). Vergleichende Analysen zur Lernsituation von Studierenden und Studiengangsgestaltung, Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 396, September 2018 

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