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HBS Böckler Impuls

Vereinbarkeit: Sechs Punkte für eine familienfreundliche Arbeitszeitkultur

Ausgabe 14/2008

Eltern sind häufig unzufrieden mit ihren Arbeitszeiten: Viele Mütter möchten länger arbeiten, viele Väter kürzer. Ein modernes Arbeitszeitkonzept zeigt Wege aus dem Dilemma.

Müttern wie Vätern fällt es schwer, Beruf und Familie auszubalancieren. Besonders Mütter müssen sich oft noch entscheiden: Geben sie der Karriere den Vorzug, kommt die Familie zu kurz. Nehmen sie Rücksicht auf die Bedürfnisse ihrer Familie, verzichten sie auf ihr berufliches Fortkommen. Das muss nicht sein, schreiben Christina Klenner vom WSI und Svenja Pfahl vom Institut für sozialwissenschaftlichen Transfer (Sowitra). Die beiden Forscherinnen haben auf der Basis von Datenanalysen und guter betrieblicher Praxis Eckpunkte für ein familien- und gleichstellungsorientiertes Arbeitszeitkonzept entwickelt. Die wichtigsten sind:

1. Abschied vom "sorgelosen Arbeiter". Betriebe müssen lernen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich in beide Sphären eingebunden sein können: in die der betrieblichen, bezahlten und in die der familiären, unbezahlten Arbeit. Der Betrieb kann nicht mehr hinter allen ­Beschäftigten eine Person vermuten, die ihnen die Fürsorge­arbeit abnimmt, so die Autorinnen. Menschen mit Fürsorgeaufgaben sollten auch nicht als weniger leistungsfähig oder geringer motiviert herabgesetzt werden.

2. Neuer Arbeitszeitstandard und Recht auf Fürsorge. Die Betreuung und Erziehung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen kann arbeits- und sozialrechtlich anders behandelt werden als andere Lebensabschnitte. "Die lebenslange, immer gleich lange Vollzeit würde ersetzt durch ein Menü unterschiedlich langer Vollzeitstandards für bestimmte Lebensphasen", schreiben Klenner und Pfahl. Tarifvertragsparteien könnten hier differenzierte Lösungen vereinbaren.

3. Garantierte Teilzeitarbeit an jedem Arbeitsplatz. Teilzeitarbeit ist trotz gesetzlicher Regelungen keine betriebliche Selbstverständlichkeit. Besonders anspruchsvolle Tätigkeiten gelten weiterhin als unteilbar. An allen Arbeitsplätzen sollte jedoch das individuell gewünschte Arbeitszeitvolumen möglich sein. Teilzeitbeschäftigten dürfte der berufliche Aufstieg nicht verwehrt werden.

4. Überwindung des Dogmas der Vollzeitkultur. Viele Betriebe organisieren Arbeit immer noch entlang der Arbeitszeitdauer eines Normalarbeitstages. Stattdessen würden Konzepte für eine bewegliche Arbeitsorganisation gebraucht, die verschieden lange Teilzeitarbeit und Vollzeitarbeit kombiniert.

5. Zurückdrängen der Kultur der überlangen Arbeitszeiten. Hier ist das Management dazu aufgerufen, (über)lange Arbeitszeiten nicht mehr als Ausweis der Loyalität und Konkurrenzvorteil zu werten. Führungskräfte sollten auch daran gemessen werden, ob Beschäftigte ihre Leistungen ohne überlange Arbeitszeiten erbringen.

6. Anreize für eine stärker egalitäre Arbeitszeitverteilung zwischen den Geschlechtern. Das Ehegattensplitting belohnt einen großen Einkommensunterschied zwischen den Geschlechtern - und damit auch unterschiedlich lange Arbeitszeiten. Eine Abschaffung würde in Richtung einer stärker egalitären Arbeitszeitverteilung wirken.  

  • Weiterhin gilt: Mehr Mütter als Väter treten wegen der Familie beruflich kürzer. Zur Grafik

Christina Klenner, Svenja Pfahl: Jenseits von Zeitnot und Karriereverzicht. Wege aus dem Arbeitszeitdilemma - Arbeitszeiten von Müttern, Vätern und Pflegenden (pdf), WSI-Diskussionspapier Nr. 158, Januar 2008

Christina Klenner: Gleichstellung und familienfreundliche Arbeitsbedingungen, in: WSI-Mitteilungen 6/2008

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