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HBS Böckler Impuls

Weltwirtschaft: Handelskrieg gefährdet deutsche Wirtschaft

Ausgabe 17/2019

Sollten sich die Streitigkeiten mit den USA zuspitzen, droht Deutschland eine Rezession. Die Schuldenbremse beschränkt die Möglichkeiten zum Gegensteuern.

Ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU würde beiden Seiten schaden – die deutsche Wirtschaft könnte eine lang andauernde Auseinandersetzung jedoch besonders schwer treffen. Aufgrund der Schuldenbremse hätte der deutsche Staat aktuell wenig Möglichkeiten, stabilisierend dagegenzuhalten. Im schlimmsten Fall droht eine Rezession. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von Sebastian Dullien, Sabine Stephan und Thomas Theobald vom IMK.

Was könnte der Auslöser für einen Handelskonflikt sein? US-Präsident Donald Trump hat bereits mehrfach damit gedroht, Importzölle auf Autos aus der EU zu erhöhen. Indem er die Einfuhren der ausländischen Konkurrenz verteuert, will er der US-Autoindustrie einen Vorteil verschaffen. Der Einfuhrzoll auf Kraftfahrzeuge soll wahrscheinlich bei 25 Prozent liegen. Er würde die deutsche Wirtschaft an einem empfindlichen Punkt treffen, erklären die IMK-Forscher. Im vergangenen Jahr exportierten VW, BMW und Daimler insgesamt fast eine Million Fahrzeuge in die USA, knapp die Hälfte davon aus deutscher Produktion. Autos und Kfz-Teile machen circa 20 Prozent aller deutschen Exporte in die USA aus. Hinzu kommt, dass mittelbar auch der Maschinenbau und die Chemieindustrie betroffen wären, die von Aufträgen der Automobilindustrie abhängen. Eine Antwort auf Einfuhrbeschränkungen der USA würde sehr wahrscheinlich nicht lange auf sich warten lassen. Die EU würde ihrerseits Zölle auf US-Produkte anordnen, was dann wieder von der US-Seite erwidert würde – die Spirale der Eskalation wäre in Gang gesetzt.


Wie sich ein eskalierender Handelskonflikt auf die Wirtschaft in Deutschland und den USA auswirken könnte, haben die IMK-Forscher anhand von Simulationen untersucht. Insgesamt haben sie zwölf verschiedene Szenarien mit unterschiedlicher Dauer und Intensität berechnet: von einem kurzen Konflikt, der sich über eineinhalb Jahre erstreckt und auf Autozölle beschränkt bleibt, bis hin zu einem langen Handelskrieg, der sich über die nächsten fünf Jahre zieht und für große Unsicherheit sorgt. Außerdem haben die Wissenschaftler analysiert, welchen Effekt staatliche Ausgleichsmaßnahmen hätten, wie zum Beispiel konjunkturstützende Investitionen.


Aus den Berechnungen wird deutlich: Ein Zoll, der allein auf Autos und Kfz-Teile beschränkt bleibt und keine weitere Unsicherheit erzeugt, wäre für die deutsche Wirtschaft verkraftbar, insbesondere, wenn der Konflikt auf kurze Zeit beschränkt bleibt. Die Unternehmen könnten Importzölle ausgleichen, indem sie ihre Margen kurzzeitig senken. Sie würden also weniger Gewinn machen, aber ihre Marktanteile halten können. „Dieses Szenario ist allerdings nicht wahrscheinlich“, schreiben die Wissenschaftler. Nur wenn Trump bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr abgewählt werden sollte, bestehe die Aussicht, den Handelskonflikt schnell zu beenden. Ein Ende der Streitigkeiten unter einem Präsidenten Trump erscheine unrealistisch. Die Handelsfrage sei ein Kernelement seiner Politik. Trump sei der Meinung, die Amerikaner seien die großen Verlierer im Freihandel, weil sie „seit Jahrzehnten von ihren Handelspartnern über den Tisch gezogen“ würden.


Je länger sich ein Handelskonflikt hinzieht, desto größer ist laut IMK die Wahrscheinlichkeit, dass die deutschen Autohersteller und andere betroffene Unternehmen die Zölle nicht mehr durch niedrigere Margen kompensieren, sondern an die Endverbraucher weiterreichen. Die Folge wären sinkende Absatzzahlen und ein Rückgang der Exporte. Schädlicher noch als die Zölle selbst wäre die zunehmende Unsicherheit, weil sich die Unternehmen mit Investitionen zurückhalten – davon wären rasch auch andere Branchen betroffen. Das wiederum würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) belasten und die Arbeitslosigkeit erhöhen. Im schlechtesten Fall würde das BIP in Deutschland in der Spitze um 0,7 Prozent niedriger ausfallen. Da die deutsche Wirtschaft sich nach Prognose des IMK im kommenden Jahr ohnehin an der Stagnationsgrenze bewegt, wäre ein solcher Schlag gefährlich. „Eine Verschärfung des Konflikts hat das Potenzial, die deutsche Wirtschaft in eine echte Rezession zu stoßen“, schreiben die IMK-Ökonomen. Die negativen Effekte würden über die gesamte Dauer des Handelsstreits anhalten – in der Simulation der Forscher also bis 2025.


Was könnte die Bundesregierung – abgesehen von einer Lösung auf dem Verhandlungsweg – tun, um die Wirtschaft in einem Handelskrieg zu unterstützen? Naheliegend wären höhere öffentliche Investitionen, also eine Art Konjunkturpaket. Das würde die Exportpreise kaum beeinflussen und hätte aber einen stimulierenden Effekt auf die Binnenkonjunktur. Die schädlichen Effekte des Handelskonflikts auf das BIP könnten so etwas abgemildert werden, wie die Berechnungen des IMK zeigen. Allerdings sind die Voraussetzungen für eine solche Fiskalpolitik in den betroffenen Ländern sehr unterschiedlich: Erfahrungsgemäß tun sich die Amerikaner leichter damit, in Krisenzeiten Geld auszugeben, auch wenn dies durch Kredite finanziert wird. Im Falle einer lang andauernden Auseinandersetzung wäre der Bedarf dafür massiv, denn auch die amerikanische Wirtschaft würde unter Trumps Konfrontationskurs schwer leiden: Infolge von höheren Preisen, Exporteinbußen durch Gegenzölle und Investitionszurückhaltung würde das US-BIP um fast ein Prozent niedriger ausfallen als ohne den Konflikt.


Schuldenbremse verhindert Schadensbegrenzung


Dagegen hat Deutschland aufgrund der Schuldenbremse und der EU-Fiskalregeln wenig Spielraum. Sollten Deutschland und die EU in einem Handelskonflikt auf ein fiskalpolitisches Gegensteuern vollständig verzichten – etwa, weil die Politik an der „schwarzen Null“ festhalten möchte –, so „würden die Verluste in Deutschland spürbar höher ausfallen als in den USA“, schreiben die Wissenschaftler. Zwar wären auch bei einem solchen Szenario beide Regionen klare Verlierer eines Handelskriegs. Aber: „Die USA hätten die Möglichkeit, den Schaden aus dem Konflikt im eigenen Land zu begrenzen, während der Handelskonflikt in der EU voll durchschlägt.“


Das Fazit der Forscher: „Um die negativen Folgen eines Handelskonfliktes zu minimieren, kommt es nicht nur darauf an, den Anstieg von Zöllen zu begrenzen. Mindestens ebenso wichtig ist es, dass der Konflikt zeitlich begrenzt wird.“ Dafür solle alles versucht werden, auf dem Verhandlungsweg, den Konflikt zu deeskalieren. Bei einer länger andauernden Auseinandersetzung sei eine „aktive Fiskalpolitik“ unabdingbar. Dann wäre es wichtig, die Reaktionsmöglichkeit der Finanzpolitik zu verbessern. Abhilfe würde hier eine Lockerung der EU-Fiskalregeln und der Schuldenbremse bieten, etwa, indem eine Kreditfinanzierung von zusätzlichen Investitionen über die bisherigen Möglichkeiten der Schuldenregeln hinaus erlaubt werden.


Sebastian Dullien, Sabine Stephan, Thomas Theobald: Vom Zollscharmützel zum Handelskrieg. Wieviel transatlantische Eskalation verträgt die deutsche Wirtschaft? (pdf), IMK-Report Nr. 151, November 2019

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