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HBS Böckler Impuls

Mindestlohn: Jeder Dritte könnte leer ausgehen

Ausgabe 02/2014

Etwa 5 Millionen Beschäftigte verdienen weniger als 8,50 Euro pro Stunde. Würde die Bundesregierung den Forderungen nach Ausnahmen vom Mindestlohn nachgeben, gingen bis zu 2 Millionen dieser Niedriglöhner leer aus.

Nach den Plänen der Großen Koalition soll ab 2015 in Deutschland ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn gelten. Allerdings mehren sich Forderungen von Politikern und Arbeitgebern nach Ausnahmeregelungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen. Sollten sich diese Forderungen durchsetzen, würde der Mindestlohn nach einer Analyse des WSI zum „Schweizer Käse“: Berechnungen zufolge, die auf Daten des Sozio-oekonomischen Panels beruhen, lag 2012 der Stundenlohn von 5,25 Millionen Beschäftigten unter 8,50 Euro. Von Ausnahmen für Minijobber, Arbeitslose, Rentner, Schüler und Studenten mit einem Arbeitsverhältnis wären 2 Millionen oder 37 Prozent der Geringverdiener betroffen. Ohne Ausnahmen für geringfügig Beschäftigte wäre es immer noch fast ein Viertel. Damit würde der allgemeine Mindestlohn systematisch unterlaufen und ein neuer Niedriglohnsektor geschaffen, warnt Reinhard Bispinck, der Leiter des WSI.

Die Ausnahmen würden sich der WSI-Studie zufolge stark auf einige wenige Branchen konzentrieren: Knapp 56 Prozent aller Minijobber und 52 Prozent aller erwerbstätigen Rentner, Schüler und Studenten mit Stundenlöhnen unter 8,50 Euro arbeiten entweder im Gastgewerbe, dem Einzelhandel, den unternehmensnahen Dienstleistungen oder den „sonstigen Dienstleistungen“ wie beispielsweise Wäschereien oder dem Friseurgewerbe. In diesen vier Branchen sind von denjenigen, die weniger als den Mindestlohn verdienen, 35 bis 40 Prozent geringfügig beschäftigt. Zwischen 7 und 25 Prozent sind Rentner, Schüler oder Studenten.

Die Auswirkungen von gesetzlichen Lohnuntergrenzen seien mittlerweile gut erforscht, so Bispinck. Zahlreiche Studien hätten gezeigt, dass keine negativen Beschäftigungseffekte zu erwarten sind. Dagegen seien die Folgen weitgehender Ausnahmen für den Arbeitsmarkt nicht absehbar. Es bestehe die Gefahr, dass es zu erheblichen Verdrängungs- und Substitutionseffekten kommt, dass Unternehmen also Beschäftigte mit Mindestlohn durch solche ohne Mindestlohn ersetzen. Zudem würde die Ausgrenzung ganzer Arbeitnehmergruppen den eigentlichen Zweck der Regelung unterlaufen, nämlich den Schutz aller abhängig Beschäftigten. 

  • Würde die Bundesregierung den Forderungen nach Ausnahmen vom Mindestlohn nachgeben, gingen bis zu 2 Millionen Niedriglöhner leer aus. Zur Grafik

Marc Amlinger, Reinhard Bispinck, Thorsten Schulten: Niedriglohnsektor: Jeder Dritte ohne Mindestlohn? Ausnahmen vom geplanten Mindestlohn und ihre Konsequenzen (pdf), WSI Report 12, Januar 2014. 

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