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Langsame Annäherung Böckler Impuls

Löhne in Ost und West: Die Lücke wird kleiner

Ausgabe 16/2025

Es gibt weiterhin ein Lohngefälle zwischen West und Ost. Der Mindestlohn hat den Angleichungsprozess in den vergangenen Jahren jedoch beschleunigt.

Auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung besteht bei den Löhnen noch eine beträchtliche Ost-West-Lücke. Im Jahr 2024 verdienten Vollzeitbeschäftigte in Westdeutschland durchschnittlich 4810 Euro brutto pro Monat, während es in Ostdeutschland nur 3973 Euro waren. Das ist ein Unterschied von 17,4 Prozent. In den vergangenen Jahren gab es insgesamt aber einige Fortschritte: Seit 2014 ist die Lohnlücke um sieben Prozentpunkte kleiner geworden, während sich die Löhne in Ostdeutschland in den Jahren davor nur sehr langsam dem Westniveau angenähert hatten. So schrumpfte die Differenz von 1999 bis 2014 lediglich um 1,6 Prozentpunkte. Dies geht aus einer Auswertung des WSI auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes hervor.

Eine wesentliche Ursache für die Fortschritte sehen die Forschenden im Mindestlohn, der 2015 deutschlandweit eingeführt wurde. „Beschäftigte in den ostdeutschen Bundesländern haben vom Mindestlohn überdurchschnittlich häufig profitiert – und zwar einfach, weil sich hier in den Jahren nach der Wende ein besonders großer Niedriglohnsektor ausgebreitet hatte“, so Malte Lübker, Entgeltexperte am WSI. „Die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro im Oktober 2022 hat die Lohnentwicklung in Ostdeutschland noch einmal zusätzlich unterstützt.“ 

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Infografik: Im Jahr 2024 verdienten Vollzeitbeschäftigte in Ostdeutschland im Durchschnitt 17,4 Prozent weniger als Kolleginnen und Kollegen in Westdeutschland. In den vergangenen Jahren gab es jedoch einige Fortschritte: Seit 2014 ist die Lohnlücke um sieben Prozentpunkte kleiner geworden, während sich die Löhne in Ostdeutschland zuvor nur sehr langsam dem Westniveau angenähert hatten.
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Am unteren Ende der Lohnverteilung gibt es inzwischen kaum noch Unterschiede zwischen Ost und West: Die Stundenlöhne im ersten Dezil, das das untere Zehntel der Lohnverteilung abgrenzt, lagen im April 2024 in Ostdeutschland bei 12,87 Euro und damit nur ein Prozent unter dem Westniveau von 13 Euro. Im Jahr 2014, also vor Einführung des Mindestlohns, betrug der Abstand zwischen Ost und West im ersten Dezil noch 17,5 Prozent. Die bereits beschlossene Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro ab 2026 und auf 14,60 Euro ab 2027 dürfte die Angleichung der Löhne weiter voranbringen.

Für die breite Mehrheit der Beschäftigten, deren Entgelt­niveau über dem Mindestlohn liegt, sind Tarifverträge der Weg zu besseren Löhnen. „Mit Tarifvertrag sind die Löhne in vergleichbaren Betrieben etwa zehn Prozent höher als ohne Tarifvertrag“, so Lübker. Bei der Höhe der Tariflöhne ist der innerdeutsche Angleichungsprozess inzwischen weitgehend abgeschlossen. Viele Tarifverträge, etwa im Bankgewerbe, bei der Bahn oder der Telekom, gelten einheitlich im gesamten Bundesgebiet. In anderen Branchen wie dem Einzelhandel oder der Metall- und Elektroindustrie wird hingegen regio­nal verhandelt, sodass es Unterschiede zwischen Ost und West oder auch zwischen Süd und Nord gibt. Diese sind allerdings eher gering: Insgesamt liegt das Tarifniveau in Ostdeutschland derzeit bei 98,5 Prozent des Westniveaus.

Nachteilig für die ostdeutschen Beschäftigten ist jedoch, dass die Tarifbindung in Ostdeutschland mit 41,7 Prozent deutlich unter dem westdeutschen Wert von 50 Prozent liegt. Gleichzeitig unterbieten viele tariflose Arbeitgeber im Osten die Tarifstandards besonders deutlich.

Aufgrund von strukturellen Unterschieden gibt es zwischen den einzelnen Bundesländern teilweise deutliche Lohnunterschiede. So liegen die Stundenlöhne in Schleswig-Holstein mit 22,15 Euro derzeit 17,6 Prozent unter denen des westdeutschen Spitzenreiters Hamburg mit 26,88 Euro. Dies entspricht in etwa auch dem Lohngefälle von West- und Ostdeutschland. „In Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, bleibt eine wichtige Aufgabe“, sagt Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI. „Die Gewerkschaften haben hier Pionierarbeit geleistet und eine Angleichung der Tariflöhne zwischen Ost und West weitgehend durchgesetzt. Die Tarifbindung zu stärken, auch durch politische Maßnahmen wie wirksame Tariftreuegesetze, ist ein Beitrag zur inneren Einheit und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

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