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Szene aus dem neuen Film Berlin Alexanderplatz Service aktuell

Filmkritik: Wie sieht der Kapitalismus von unten aus?

Der Film Berlin Alexanderplatz folgt einem jungen Flüchtling über das Mittelmeer in die Schattenwelt der modernen Wirtschaft. Von Jürgen Kiontke

Es ist die Baustelle der U5 in Berlin-Mitte, wo Francis aufschlägt, als Mitglied einer halblegalen Bautruppe in Subunternehmerverwaltung. Der junge Flüchtling, der es über das Mittelmeer von Guinea-Bissau bis ins Zentrum Europas geschafft hat, wurde aus dem Asylbewerberheim irgendwo in Brandenburg fürs Eisenschleppen rekrutiert.

Die Arbeitswelt in Burhan Qurbanis Adaption des weltberühmten Romans „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin ist eine mit vielen dunklen Gängen ohne Tarifvertrag und Stundenbegrenzung; die, die sie ausüben, sind Flüchtlinge, Illegale, sans papiers. Dass der junge Regisseur sein 183 Minuten langes, den Zuschauer recht forderndes Kinowerk an einer Prestigeadresse beginnen lässt, die er als Pfuhl illegaler Beschäftigung illustriert, ist nicht das einzige Statement dieses bildgewaltigen Films. Wie das ganze Überleben in jener Schattenwelt funktioniert, das hat Qurbani an dem Stoff interessiert. Es seien die drogendealenden Männer vor seiner Wohnung im Berliner Park Hasenheide gewesen, die ihn inspiriert hätten. Wie leben sie, welche Rechte haben sie – oder vielmehr: Welche haben sie nicht?

Mieze, die Frau, die Francis schließlich kennenlernt, verbindet als Erzählerin aus dem Off das Geschehen, erklärt und erläutert, wie der Kapitalismus von unten aussieht. Als Person, die ihren Körper fürs Einkommen verkaufen muss, steht sie modellhaft für die ökonomischen Verhältnisse ein.

Abrutschen ist leicht, wenn man noch nicht weit nach oben gekommen ist: Qurbanis Francis steht mit mehr als einem Bein im kriminellen Sumpf, und wie bei Döblins Franz Biberkopf ist der Arm bald ab, es drohen noch mehr Gewalt und das Gefängnis. Kann aus Francis ein guter Mensch werden, wie er es sich vorgenommen hat - oder ist das Luxus?

Fragt nicht nur uns die Mieze. Bei der Reise, die Francis durch die Berliner Nächte mit Nachtclubs, Drogen und hochinteressantem Personal zu sich selbst unternimmt, wird aus ihm ein geschickter Arbeitskraft-Businessman werden. Helfershelfer anzuwerben, geht ihm bald leichter von der Hand als seinem schmierigen Unterwelt-Chef Reinhold.

Macht hat, wer allein stark ist - Qurbani skizziert den Aufstieg im geschlossenen System Kapitalismus als mythisches Märchen.

Freikarten zu gewinnen

Wir verlosen insgesamt fünf mal zwei Karten für Burhan Qurbanis Neuverfilmung des weltberühmten Romans „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin.

Teilnehmen kannst Du, indem Du bis Montag um 15 Uhr den Post zu diesem Artikel auf Facebook oder Instagram likst und unseren Newsletter „Hans. Böckler News“ abonnierst.

Weitere Informationen

„Berlin Alexanderplatz“. D/NL 2020. Regie: Burhan Qurbani, Darsteller: Welket Bungué, Jella Haase u. a. Kinostart: 16. Juli 2020

Dieser Artikel ist ein Vorabbericht aus dem Magazin Mitbestimmung. Die nächste Ausgabe erscheint Mitte August.

  • Das Magazin Mitbestimmung

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