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Sozial-ökologische Transformation: "Wer frühzeitig dabei ist, erschließt riesige Technologiemärkte"

Auch wenn Corona den Klimaschutz vorübergehend in den Hintergrund gedrängt hat: Der sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft bleibt die wohl größte Herausforderung unserer Zeit. Wie er gelingen kann, wurde beim IMK-Forum diskutiert.

Von Joachim F. Tornau

Um was es geht, brachte Umweltministerin Svenja Schulze griffig auf den Punkt. „Bis zur Mitte des Jahrhunderts müssen wir klimaneutral leben und wirtschaften“, sagte die SPD-Politikerin in ihrer Rede. „Das ist eine ökologische, aber auch eine ökonomische Notwendigkeit geworden.“ Zugleich weiß die Ministerin, dass das auch eine Herausforderung für die soziale Gerechtigkeit im Land bedeutet: So wichtig es sei, dass der Ausstoß von Kohlendioxid vom kommenden Jahr an in Deutschland besteuert wird, so klar müsse sein, dass ein CO2-Preis nicht das Allheilmittel sein könne: „Wenn die Leute keine Alternative haben, wenn einfach nur alles teurer wird, dann wird man nur eines erreichen: dass die politische Akzeptanz verloren geht.“

Wie kann die nötige sozial-ökologische Transformation gelingen? Wie lassen sich Klimaschutz, makroökonomische Stabilität und sozialer Ausgleich vereinbaren? Und geht das überhaupt? Darüber wurde beim IMK-Forum am 3. Dezember 2020 in Berlin intensiv diskutiert. Wegen Corona konnte zwar kein Publikum im Saal sitzen, doch das Interesse minderte das nicht: Durchschnittlich 500 Zuschauerinnen und Zuschauer folgten den vier Impulsvorträgen und der abschließenden Podiumsdiskussion im Livestream und konnten sich per Chat mit ihren Fragen einmischen.  

Das Ergebnis der Debatten lässt sich als durchaus optimistisch zusammenfassen: Die Lage ist kompliziert, aber alles andere als hoffnungslos. Und obwohl der Klimaschutz derzeit wegen Covid-19 eine kleinere Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung spielt, können die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen auch klimapolitisch Mut machen. „Wenn die Politik etwas möchte, ist der Spielraum viel größer, als man gemeinhin denkt“, sagte IMK-Direktor Sebastian Dullien. „Wo ist das Problem, jetzt auch 300 oder 400 Milliarden Euro für die Klimawende in die Hand zu nehmen?“

  • Svenja Schulze IMK Forum
    Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) war zu Gast beim IMK-Forum 2020.

Auf fast zwölf Billionen US-Dollar summieren sich die weltweit aufgelegten Konjunkturprogramme, berichtete Andreas Burger, Referatsleiter beim Umweltbundesamt. Der Haken: „Die Mehrzahl der Länder hat eher umweltschädliche Maßnahmen beschlossen.“ Deutschland stehe dabei im Vergleich zwar noch recht gut da, doch auch hierzulande flössen Jahr für Jahr etliche Milliarden an Subventionen in Bereiche mit klimaschädlicher Wirkung.

Dieses Geld in die Förderung von Dekarbonisierungstechnologien umzulenken, könnte ein Teil des staatlichen „Instrumentenmixes“ sein, der nach einhelliger Überzeugung aller Referentinnen und Referenten nötig ist, um die sozial-ökologische Transformation voranzubringen. Es brauche, natürlich, mehr erneuerbare Energien. Es brauche aber auch Maßnahmen, die Unternehmen vor internationalen Wettbewerbsnachteilen durch die CO2-Bepreisung schützen, Zölle auf nicht-grünen Importstahl zum Beispiel. Einfach nur immer neue Ausnahmen und Kompensationen für Unternehmen zu schaffen, sei dagegen der falsche Weg, sagte Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. „Dann haben wir eine Schutzglocke über den Unternehmen, die keinerlei Innovation ermöglicht.“

Anders als in der Finanzkrise sollten nicht nur Förderkosten und Verluste sozialisiert werden, sondern auch die Erträge.

Kajsa Borgnäs, Stiftung Arbeit und Umwelt der IB BCE

Für soziale Balance soll auch die von IMK-Forscherin Ulrike Stein vorgestellte Idee einer Pro-Kopf-Klimaprämie sorgen, die niedrige Einkommen beim CO2-Preis entlasten könnte. Und es braucht staatliche Investitionen, nicht nur durch öffentliche Beschaffung, sondern – dafür plädierte Kajsa Borgnäs von der Stiftung Arbeit und Umwelt der IG BCE – auch ganz direkt als Beteiligung an innovativen Unternehmen. „Anders als in der Finanzkrise sollen nicht nur Förderkosten und Verluste sozialisiert werden, sondern auch die Erträge“, sagte Borgnäs. Und: Wenn der Staat Geld in die Hand nehme, um neue Technologien zu fördern, dann müsse das immer an die Einhaltung sozialer Standards geknüpft sein.

Das alles ist mühsam, kostet Geld – aber am Ende, davon zeigte Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, sich überzeugt, wird es sich auch wirtschaftlich lohnen. Grüne Kunststoff- oder Stahlproduktion, sagte Fischedick, werde schließlich nicht nur in Deutschland benötigt. „Wer da frühzeitig dabei ist, erschließt sich riesige Technologiemärkte.“

[04.12.2020]

Podcast: Den Klimaschutz sozial gestalten - aber wie?

Das Klima schützen, ohne den Industriestandort und die politische Stabilität zu gefährden – ist das überhaupt möglich und wenn ja - wie? In unserem Podcast Systemrelevant berichtet Sebastian Dullien vom IMK-Forum zur sozial-ökologischen Transformation.

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