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Magazin Mitbestimmung

Porträt: Von Abschiebung bedroht

Ausgabe 01/2016

Zwei Pakistaner machen bei dem Dresdner Druckmaschinenhersteller KBA Radebeul eine Ausbildung zum Mechatroniker. Obwohl sie im Betrieb und in der Gewerkschaft integriert sind, kam ein Abschiebungsbescheid. Dagegen will die Firma Einspruch einlegen, die IG Metall stellt Anwälte. Von Gunnar Hinck

"Alles ist gut", sagt Saad Malik schnell, als er zu seiner Ausbildung gefragt wird. Der 26-jährige Pakistani macht seit August 2015 eine Ausbildung zum Mechatroniker beim Druckmaschinen-Hersteller Koenig & Bauer (KBA) in Radebeul bei Dresden. Das Traditionsunternehmen aus Würzburg, weltweit die Nummer zwei in der Branche, zahlt Tariflohn und ist ein gefragter Arbeitgeber in Sachsen. Im vergangenen Sommer stellte KBA neben Saad Malik einen weiteren Pakistaner, den ein paar Jahre älteren Bilal Ahmad, ein. Beide lebten in einem Asylbewerberheim in der Nähe des KBA-Werks. Der Verein „Buntes Radebeul“, der sich um die Asylbewerber im Ort kümmert, nahm die beiden kurzerhand mit zu einem Tag der offenen Tür des Unternehmens – der erste Schritt zum Ausbildungsvertrag war getan. Dabei half die internationale Ausrichtung des Unternehmens. „In der kontrovers geführten Diskussion um das Flüchtlingsthema ist es für ein international tätiges Unternehmen Pflicht, einen konkreten Beitrag zur Integration zu leisten. Dieser Aufgabe müssen wir alle uns stellen“, sagt KBA-Geschäftsführer Ralf Sammeck.

2012 hatte Saad Malik sein Land auf abenteuerlichem Weg über den Iran und die Türkei verlassen, Bilal Ahmad kam ein Jahr später nach Deutschland. Beide gehören der islamischen Gemeinschaft der Ahmadiyya an, die in Pakistan vielfach zur gut ausgebildeten Mittelschicht gehört. Die Ahmadiyya halten Mohammed nicht für den einzig möglichen Propheten, was in dem islamischen Staat ein Freibrief für Unterdrückung ist und ein Freibrief für Verfolgung durch Islamisten. 

Beim Treffen im IG-Metall-Bildungszentrum in Berlin-Pichelssee wirkt Saad Malik – er ist wie Bilal Ahmad Gewerkschaftsmitglied – nervös und angespannt. Gerade hat er von der Ausländerbehörde des Landkreises Meißen die Nachricht bekommen, dass sein Asylantrag abgelehnt worden ist. Die Behörde schrieb ihm, er habe nicht ausreichend darlegen können, dass er politisch Verfolgter sei. Auch Bilal Ahmad, der sich Hoffnung auf ein Bleiberecht machte, bekam kürzlich einen negativen Bescheid, der gleichzeitig auch ein Ausweisungsbescheid ist. Er hofft sehr, sagt er am Telefon, dass er in Deutschland bleiben kann.

Absurdität der deutschen Asylpolitik

Auch ein Ausbildungsvertrag schützt nach aktuellem Recht nicht vor Ausweisung, wenn der Betroffene älter als 21 Jahre alt ist – eine Praxis, die Gewerkschaften und Arbeitgebervertreter einhellig kritisieren. Die beiden Pakistaner haben jeweils nur „Aufenthaltsgestattungen“ bekommen. Es zeigt sich die Absurdität und Widersprüchlichkeit der deutschen Asyl- und Einwanderungspolitik: Da ist ein Unternehmen, das zwei Flüchtlingen Arbeit mit Tariflohn gibt. Diese gehören in ihrem Herkunftsland einer benachteiligten und von Islamisten verfolgten Minderheit an, sie sind engagiert, können von ihrem Gehalt leben und wollen sich in Deutschland ein neues Leben aufbauen. Und sollen doch nicht bleiben können. 

Saad Malik und Bilal Ahmad wollen gegen ihre Bescheide Widerspruch einlegen. Die IG Metall hat einen Anwalt gestellt. „Wir werden damit argumentieren, dass die beiden selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen und finanziell niemandem zur Last fallen“, sagt Sebastian Müller, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Dresden. Ein Argument, das im Pegida-Geburtsland Sachsen nicht unwichtig ist.

Saad Malik und Bilal Ahmad haben in ihrem früheren Leben nicht in technischen Berufen gearbeitet. Ahmad war Polizist, Malik hat zwei Jahre Politikwissenschaft und Sozialarbeit studiert und danach als Pharmavertreter gearbeitet. Fachlich haben sie wenig Probleme, sich in ihrem neuen Beruf zurechtzufinden. Derzeit sind sie in der Werkstatt eingesetzt und mit Mechanik beschäftigt. Später kommen die Ausbildungspunkte Elektronik, Hydraulik und Pneumatik hinzu.

„Es ist nicht einfach, die technischen Fachbegriffe auf Deutsch zu verstehen“, sagt Saad Malik. Er spricht Deutsch schon ganz passabel, sein Kollege kämpft noch mit der Sprache. 

Wie die anderen Azubis gehen sie in Dresden auf die Berufsschule, daneben lernen sie in zusätzlichen Stunden die elektrotechnische Fachsprache. „Das Praktische ist einfach, aber die deutsche Sprache ist schwer“, sagt Bilal Ahmad, „aber es geht jede Woche besser, unsere Kollegen helfen uns dabei.“ 

Jochen Mann, Ausbildungsleiter im KBA-Werk in Radebeul, findet lobende Worte für die beiden pakistanischen Mitarbeiter: „Sie sind sehr motiviert. Die Schulbildung in Pakistan ist sicherlich nicht vergleichbar mit unserer. Aber ihr Wille, das Ausbildungsziel zu erreichen, und ihre Berufserfahrung helfen ihnen, die praktische Seite des Berufes zu verstehen.“ Jochen Mann nennt es einen „Frevel“, dass der Staat bereits integrierte Asylbewerber herausreißen und ausweisen will. „Wir haben damals den Status der beiden nicht genau geprüft. Die Arbeitserlaubnis haben wir als eine Art Bleiberecht interpretiert“, sagt der Ausbildungsleiter. Koenig & Bauer will zusammen mit den Anwälten erreichen, dass Bilal Ahmad und Saad Malik bleiben können. „Wir haben die beiden eingestellt, und wir ziehen das jetzt auch durch“, sagt Jochen Mann. Klare Worte, die man in Sachsen derzeit nicht allzu häufig hört.

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