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Magazin Mitbestimmung

: NRW-Personalräte gegen Rüttgers

Ausgabe 03/2007

Weniger Freistellungen, weniger Mitbestimmungsrechte - die CDU/FDP-Landesregierung will freiere Hand für ihre Personalpolitik - massiver Stellenabbau und Zwangsversetzungen sind geplant.



Von Christoph Mulitze
Der Autor arbeitet als freier Journalist in Düsseldorf.


Einige Medien vergleichen sie bereits mit der CSU-Rebellin Gabriele Pauli. Doch darüber kann Elke Hannack nur lachen. "Ich habe nicht vor, Jürgen Rüttgers zu stürzen", versichert die CDU-Frau aus Nordrhein-Westfalen. Obwohl sie über den Ministerpräsidenten zurzeit sehr verärgert ist und ihm Wortbruch vorwirft. Hannack: "Er redet anders, als er handelt." Auslöser ihres Zorns ist die von der Landesregierung geplante Änderung des Landespersonalvertretungsgesetzes (LPVG). "Das CDA-Mitglied Rüttgers hat uns zugesagt, dass die Gewerkschaften bei der Gesetzesreform einbezogen werden. Davon will er jetzt nichts mehr wissen", so Hannack - sie ist Landesvorstandsmitglied der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) und DGB-Vizevorsitzende in NRW.

Proteste im Kernland der Mitbestimmung

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ("der Vorsitzende der Arbeiterpartei in NRW bin ich") - und die schwarz-gelbe Regierung in Düsseldorf stoßen mit der Absicht, die Mitbestimmung in der öffentlichen Verwaltung einzuschränken, auf erheblichen Widerstand - bis weit in die Union hinein. Bei den Neujahrsempfängen von CDU und FDP Anfang Januar versammelten sich jeweils mehr als 1000 Beschäftigte, Personalräte und Gewerkschafter, um lautstark gegen das Vorhaben zu protestieren. Darunter auch viele CDA-Mitglieder. "Es ist sehr erfreulich, dass der traditionell starke Gewerkschaftsflügel in der CDU Nordrhein-Westfalens mobil macht", sagt der DGB-Bezirksvorsitzende Guntram Schneider und setzt darauf, dass die Kritik aus den eigenen Reihen Rüttgers zum Einlenken bewegt.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte das Kabinett einem Eckpunkte-Papier aus dem Innenministerium zur Änderung des Personalvertretungsgesetzes in NRW zugestimmt. Das Papier basiert auf Empfehlungen einer Expertenkommission, die von Ulrich Hartmann, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der E.ON AG, geleitet wurde und die im Auftrag der Landesregierung Vorschläge zur Haushaltssanierung ausarbeiten sollte. Dabei kam die Kommission auch zu dem Ergebnis, dass das LPVG und die dort geregelte Mitbestimmung der Personalräte einer modernen, effizienten Verwaltung im Wege stehe.

"Wir brauchen ein zeitgemäßes Personalvertretungsrecht, das die berechtigten Belange der Beschäftigten wahrt und zugleich den Interessen des Landes an einer effektiv und effizient arbeitenden Verwaltung dient", sagte Innenminister Ingo Wolf (FDP). "Die detailbezogene Mitbestimmung bei Technologieangelegenheiten in NRW ist historisch überholt und dauert zu lange. Es gibt sie in keinem anderen Bundesland." So müsse ein Personalrat mitbestimmen, wenn ein Mitarbeiter für seine Arbeit einen Laptop erhalte. Neue Technik dürfe aber nicht jahrelang diskutiert, sondern müsse zügig umgesetzt werden.

116 Ämter und Behörden sollen aufgelöst werden

Für die Gewerkschaften und die Arbeitnehmervertreter ist diese Kritik nicht nachzuvollziehen. "Personalräte haben sich einer Modernisierung noch nie verweigert", sagt Schneider. Wenn zum Beispiel die Polizei in NRW noch immer die veraltete analoge Funktechnik nutzt, so liege das an der Politik und nicht an den Personalräten, die schon seit Jahren die Umrüstung auf die digitale Technik forderten. "Unsere Polizei liegt bei der Funk-Ausstattung inzwischen sogar hinter Albanien", so Schneider.

Auch die Personalräte widersprechen dem Vorwurf, technische Neuerungen zu verschleppen oder gar zu verhindern. "Dies ist populistisch und hat mit der Realität nichts zu tun", sagt Klaus Krause, Personalrat im Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (LÖGD) in Bielefeld, einer nachgeordneten Behörde des Sozial- und Gesundheitsministeriums. Wenn beispielsweise ein Mitarbeiter einen Laptop erhalte, sei es für alle Beteiligten sinnvoll, die Nutzung zu regeln: "Ist der Laptop für einen Telearbeitsplatz zu Hause? Wer ist verantwortlich, wenn Daten verloren gehen? Es muss doch auch im Interesse des Dienstherrn sein, wenn Rechtssicherheit herrscht", so Krause.

Aber das sind Scheingefechte. Worum es wirklich geht, weiß Gregor Falkenhain, Fachbereichsleiter Bund/ Länder im ver.di-Landesbezirk NRW. "Ein massiver Stellenabbau und Zwangsversetzungen von Mitarbeitern sind geplant. Um das störungsfrei umsetzen zu können, soll das Direktionsrecht der Verwaltungschefs gestärkt und die Mitbestimmungsrechte der Personalräte beschnitten werden", sagt Falkenhain. Die Landesregierung will mittelfristig rund 34 000 der zurzeit 404 000 Stellen im öffentlichen Dienst streichen. Derzeit sind zirka 12 500 Stellen mit einem "k.w." (künftig wegfallend) vermerkt. Außerdem sollen 116 Ämter und Behörden aufgelöst werden.

Dem liberalen Innenminister die Kompetenz entzogen

Das Innenministerium könne sich zur geplanten Änderung des LPVG erst äußern, wenn ein Referentenentwurf ausgearbeitet sei, sagt Sprecher Ludger Harmeier dem Magazin Mitbestimmung. Doch den gibt es längst, er liegt der Redaktion vor. Auch die Gewerkschaften waren erstaunt. "Uns wurde zugesagt, dass wir in den Prozess einbezogen werden. Am Entwurf haben wir nicht mitgearbeitet", sagt DGB-Chef Guntram Schneider. Nach der Kritik mehrerer Staatssekretäre wurde der Entwurf allerdings wieder zurückgezogen.

Der Gegenwind insbesondere aus der eigenen Partei hat Rüttgers auf die Bremse treten lassen: Der Ministerpräsident hat den Hardlinern im Innenministerium die Kompetenz für den Entwurf entzogen und damit Wolfs Revier verkleinert. Nun soll das Papier im Arbeitsministerium von Karl-Josef Laumann, dem CDA-Bundesvorsitzenden, überarbeitet werden - ein erstes Zugeständnis an den starken Gewerkschaftsflügel in der NRW-Union. Ob das mehr ist als Symbolik und inhaltliche Auswirkungen haben wird auf den Entwurf, ist allerdings noch offen: Laumann hat sich bisher aus der Diskussion herausgehalten.

Als Vorbild für das künftige LPVG soll in weiten Teilen das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPVG) dienen. Danach sollen Umsetzungen innerhalb einer Behörde künftig ganz ohne Mitbestimmung möglich sein. Die Versetzung in eine andere Behörde hingegen bleibt mitbestimmungspflichtig, doch könnte das über die geplante Personaleinsatzbehörde auch umgangen werden.

Darüber hinaus sollen die Freistellungen drastisch reduziert werden. Dafür will die Landesregierung die Freistellungsstaffel aus Baden-Württemberg übernehmen, die schlechteste aller Bundesländer: Sie sieht die erste volle Freistellung erst ab 600 Behördenmitarbeitern vor - für 24 Stunden pro Woche. Zurzeit gibt es in NRW einen komplett freigestellten Personalrat ab dem 300. Beschäftigten - analog zum Bundespersonalvertretungsgesetz. Allerdings ist den Referenten im Düsseldorfer Innenministerium offenbar entgangen, dass die Übernahme der Freistellungsstaffel aus Baden-Württemberg in einem Punkt eine Verbesserung darstellen würde: Eine Freistellung für zwölf Stunden gibt es dort schon ab 100 Mitarbeitern. Profitieren würde davon die Mitbestimmung vor allem in kleineren, kommunalen Behörden.

Ein Argument, die Zahl der Freistellungen zu reduzieren, hat der Landesrechnungshof mit einem Gutachten geliefert: Demnach belaufen sich die Kosten für die 890 freigestellten Personalräte im Land auf rund 50 Millionen Euro. Ob eine Reduzierung in der Praxis aber etwas bringen würde, ist fraglich, wie sich am Beispiel des LÖGD zeigt: Statt von sieben würden die Mitarbeiter dort künftig nur noch von drei Personalräten vertreten, wobei diese insgesamt nur auf zwölf Stunden Freistellung in der Woche für die Personalratsarbeit kommen dürften. "Das hätte zur Folge, dass wir Arbeit extern, etwa an Juristen, vergeben müssten, was einiges kosten würde. Ich bezweifele, dass das ein sinnvoller Beitrag zur Sparpolitik ist", sagt Personalrat Krause, der um die Teilhabe der Belegschaft fürchtet.

Gerne verkündet der liberale Innenminister Wolf, dass die Personalvertreter der 160 000 Lehrer im Land um mehr als zwei Drittel reduziert werden sollen - von 500 auf etwa 150. Damit lässt sich in der Öffentlichkeit punkten - welche Eltern regen sich nicht über den Unterrichtsausfall ihrer Kinder auf? Einem Vergleich der GEW zufolge ist das unredlich: Denn die Quote von Personalräten unter Lehrern in NRW ist nicht höher als die von Betriebsräten in großen Unternehmen wie etwa ThyssenKrupp.

Bei PEM gilt nur noch Mitwirkung statt Mitbestimmung

Weitere Härten sind geplant: Zum 1. Juli 2007 wird in Nordrhein-Westfalen eine Behörde für das Personaleinsatzmanagement (PEM) neu gegründet. Mitarbeiter, die in ihrer Dienststelle nicht mehr benötigt werden, sollen dort geparkt und gegebenenfalls weiterqualifiziert werden für andere Jobs im öffentlichen Dienst. Faktisch kann hiermit die Mitbestimmung der Personalräte bei Versetzungen komplett unterlaufen werden. Denn Versetzungen in die PEM sind nach dem PEM-eigenen Gesetz nicht mitbestimmungspflichtig. Der Personalrat der abgebenden Behörde hat nur ein Mitwirkungsrecht, wird angehört, doch die Entscheidung zur Versetzung trifft letztlich alleine der Dienstherr.

"Mitwirkung statt Mitbestimmung - wie viele Parlamentarier, die über das Gesetz abstimmen, kennen denn da den genauen Unterschied und wissen, wofür sie ihre Hand heben?", fragt Elke Hannack rhetorisch. Aus mehreren Ministerien ist zu hören, dass Mitarbeiter befürchten, sie könnten einer politischen Selektion zum Opfer fallen und in die PEM abgeschoben werden.

Schneider, Hannack und Falkenhain betonen, dass die Gewerkschaften und Personalräte bereit seien, einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten, eine Option sei, über die Altersteilzeit das Personal in den Ministerien um jährlich 1,5 Prozent zu reduzieren. Allerdings dürfe nicht an den Rechten der Personalräte herumgefummelt werden. "Rüttgers beruft sich gerne auf den ersten nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Karl Arnold, einen der Väter der Montanmitbestimmung.

Dieser würde sich im Grab herumdrehen, wenn er sehen könnte, wie Rüttgers die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst zerschlagen will", sagt ver.di-Mann Falkenhain. Angeblich gibt es im Kabinett auch schon erste kritische Stimmen zur Reform des LPVG - doch nicht etwa Laumann, sondern der dem Wirtschaftsflügel zugerechnete Finanzminister Helmut Linssen soll intern Bedenken geäußert haben, weil den Mitarbeitern mit der PEM erst einmal genug zugemutet werde. Offiziell wird das nicht bestätigt.

DBG-Chef Schneider und seine Stellvertreterin Elke Hannack, das ist zu hören, sind auch persönlich von Rüttgers enttäuscht. Noch im vergangenen Jahr hatten sie den CDU-Ministerpräsidenten gegen erhebliche Widerstände innerhalb der Gewerkschaften als Redner zur Mai-Kundgebung eingeladen. "Der Schmusekurs ist beendet. Die Landesregierung will die gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte schleifen. Aber da wird sie auf unseren erbitterten Widerstand stoßen", kündigt Schneider unmissverständlich an.

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